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Rolf Vennenbernd/dpa
Schule in Deutschland: Die junge Generation zahlt einen hohen Preis in der Corona-Krise

Generation Lockdown

Kosten der Krise für die jüngere Generation

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Jüngere Bürger werden einen hohen Preis für die Corona-Krise zahlen. Je länger die Pandemie andauert, desto heftigere Verteilungskonflikte drohen.

Wir reden nicht gern über Verteilungskonflikte zwischen den Generationen. Und das ist eigentlich gut so. Gesellschaften sollten sich nicht wegen materieller Dinge zerstreiten, sondern sich zusammenraufen.

Die Reaktionen auf die Corona-Pandemie sind, so gesehen, bislang gut verlaufen. Im Angesicht einer neuartigen kollektiven Bedrohung handelten Nationen solidarisch und rücksichtsvoll. Der politische Streit verstummte, eine Zeitlang wenigstens. Shutdowns und Lockdowns haben den Anstieg der Infektionen gebremst.

Ein lebensbedrohliches Risiko stellt Covid-19 insbesondere für Menschen fortgeschrittenen Alters da: 86 Prozent der Todesopfer in Deutschland waren 70 Jahre und älter, wie das Robert-Koch-Institut ermittelt hat. Weite Teile der Bevölkerungen fanden die Schutzmaßnahmen in den vergangenen Monaten richtig. Harte Maßnahmen waren populär. Regierungen, die entschieden handelten, legten in den Umfragen zu.

Doch inzwischen wird deutlich, dass es nicht damit getan ist, ein paar Wochen zu Hause zu bleiben und von "Entschleunigung" zu schwärmen. Covid-19 wird uns längere Zeit begleiten, solange nämlich, wie keine zuverlässige Impfung zur Verfügung steht. Das kann Jahre dauern.

Entsprechend rücken nun die Kosten der Maßnahmen in den Fokus - sowie die Frage, wer sie am Ende zu tragen hat. Damit kommt die Lastenteilung zwischen den Generationen ins Spiel. Sollten die Jüngeren am Ende den Großteil der Kosten schultern müssen, drohen massive Erschütterungen der gesellschaftlichen Solidarität. Nicht nur in Deutschland; die Bedingungen sind international ähnlich.

Der Konflikt wird sich vor allem um drei Felder drehen: Arbeit, Bildung, Schulden.

Sozialer Sprengstoff

Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), eine UN-Institution, warnt davor, dass "Covid-19 junge Leute schneller und härter" trifft als andere Teile der Bevölkerung. "Rasches Handeln" sei angezeigt, um das Entstehen einer "Lockdown-Generation" zu verhindern. (Achten Sie Mittwoch auf neue Zahlen von der Bundesagentur für Arbeit.)

Jüngere Beschäftigte sind nach den Analysen der ILO-Experten überproportional vom scharfen Rückgang der Wirtschaftsleistung betroffen, den das Herunterfahren des gesellschaftlichen und ökonomischen Lebens ausgelöst hat. Wer im Zuge der Krise Unterbrechungen von Bildung und Ausbildung erlebt, läuft Gefahr, dauerhaft schlechtere Job- und Verdienstchancen zu haben. Wer bereits beschäftigt ist, droht durch Firmenpleiten und Entlassungswellen seinen Job zu verlieren - und muss sich womöglich künftig mit geringeren Einkommen bescheiden. Wer arbeitslos wird, hat es nun schwerer, eine neue Stelle zu finden, sein Gehaltsniveau zu halten oder gar aufzusteigen.

Die ILO warnt denn auch davor, "junge Leute vom Arbeitsmarkt auszugrenzen". Dies sei derzeit "eine der größten gesellschaftlichen Gefahren". "Langfristig droht das Zusammenwirken der Bildungs- und der Arbeitsmarktkrise nicht nur die Qualität und die Quantität der Jobs zu beeinträchtigen, sondern auch existierende Ungleichheiten zwischen und innerhalb von Ländern zu vergrößern."

Anders ausgedrückt: Der schwelende Generationenkonflikt birgt gehörigen sozialen Sprengstoff.

Die Home-Schooling-Home-Office-Falle

Auf den Arbeitsmärkten hat Deutschland bislang in puncto Generationengerechtigkeit ziemlich gut abgeschnitten. Im internationalen Vergleich ist die Jugendarbeitslosigkeit hierzulande seit langem gering. Die Hürden beim Einstieg ins Erwerbsleben nach der Ausbildungsphase sind niedrig - was in der Vergangenheit am hohen Personalbedarf dank des deutschen Daueraufschwungs und am dualen System der Berufsbildung lag. Ob dies auch in Zukunft so bleibt, ist angesichts der massiven strukturellen Verschiebungen durch die Pandemie fraglich.

Arbeitsmarktforscher beobachten seit langem, dass junge Menschen, die während einer Rezession versuchen, sich im Erwerbsleben zu etablieren, dauerhaft schlechtere Arbeitsmarktchancen haben - zum Beispiel weil sie Jobs unterhalb ihres Qualifikationsniveaus annehmen müssen, aus denen sie sich kaum wieder herausarbeiten können. Angesichts der Heftigkeit der derzeitigen Rezession könnte es diesmal für die Jüngeren besonders schwierig werden.

Vier Monate Schulschließung kosten langfristig 2,5 Billionen Dollar

Zu den schlechteren Chancen auf dem Arbeitsmarkt kommt der zeitweise Ausfall des Bildungssystems. Forscher des Washingtoner Thinktanks Brookings haben erschreckende Zahlen für die USA kalkuliert: Danach summieren sich die langfristigen Kosten einer viermonatigen Schulschließung auf 2,5 Billionen (!) US-Dollar, 12,7 Prozent der Wirtschaftsleistung.

Nicht eingerechnet sind dabei die Einbußen, die bei den Eltern dieser Schüler - und bei deren Arbeitgebern - anfallen. Wer in der Home-Schooling-Home-Office-Falle feststeckt, kann kaum seine volle Produktivität mobilisieren. Auch das beeinträchtigt die Wirtschaftsleistung insgesamt, ebenso die individuellen Karrierechancen.

Die Schließung von Schulen und Kitas mag epidemiologisch geboten erscheinen. Doch auf Dauer steigen die Kosten dieser Maßnahmen auf Größenordnungen, die heikle Verteilungsfragen aufwerfen. Taiwan und Dänemark haben aus dieser Abwägung heraus Schulen und Kitas bereits frühzeitig wieder geöffnet. Anderswo geht es schleppender. Dazu kommt: Bei weiteren Ausbrüchen des Virus drohen erneute Schließungen. Dringend, mahnt eine Studie von Wissenschaftlern um Russel Viner vom University College London, müssten Alternativen zur Praxis der Schulschließungen entwickelt werden.

Derweil versucht der Staat, die derzeitige Rekord-Rezession mit viel Geld zu entschärfen. Das ist zweifellos notwendig. Aber auch darin steckt ein Generationenkonflikt.

Jede Menge Schulden

Schätzungen zufolge werden allein die OECD-Staaten im Zuge der Corona-Krise zusätzliche Schulden von 17 Billionen US-Dollar aufnehmen. Bislang liegen die Schuldenquoten in Relation zur Wirtschaftsleistung im Schnitt um die 100 Prozent. Durch die Krise dürften sie auf knapp 140 Prozent steigen. Deutschland für sich genommen steht - relativ - solider da. Aber auch hierzulande werden die Schulden um 607 Milliarden Euro steigen, sagen die Volkswirte der Commerzbank voraus. Hinzu kommen Garantien in Höhe von 1311 Milliarden. Die Schuldenquote steigt wegen Corona von knapp auf 60 auf 80 Prozent der Wirtschaftsleistung.

All diese Verbindlichkeiten müssen bedient - und, wenn möglich, langfristig abgebaut - werden. Auch die heute jüngeren Generationen müssen dafür geradestehen.

Mit Sparen allein wird ein nachhaltiger Schuldenabbau nicht zu schaffen sein. Den Staat radikal zurück zu stutzen wird politisch kaum durchsetzbar sein.

Die Wirtschaftsgeschichte zeigt, dass sich auch hohe Schuldenstände geordnet zurückführen lassen, und zwar bei einer halbwegs fairen Verteilung der Lasten zwischen den Generationen. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten Großbritannien und die USA sehr hohe Schuldenstände. In den Nachkriegsjahrzehnten gelang es beiden Ländern, diese Verbindlichkeiten drastisch zu senken - nämlich mit einer Mischung aus flottem Wirtschaftswachstum und leichter Inflation, verbunden mit strikt regulierten Finanzmärkten. Leider ist eine solche Konstellation heute nicht in Sicht.

Die potenziellen Konflikte zwischen den Generationen sind enorm. Damit sie nicht ausbrechen, muss die Politik eine gewisse Generationensymmetrie im Blick behalten. Gar nicht so einfach - zumal bei einer Altersstruktur, die dazu führt, dass bei Wahlen am ehesten diejenigen gewinnen, die die großen, älteren Bevölkerungsgruppen hinter sich bringen.

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