30. Mai 1910 - Geburtstag der Schauspielerin Inge Meysel
by Thomas KösterInge Meysel ist beliebt. Und sie ist streitbar. Aus beiden Gründen soll sie 1980 zu ihrem 70. Geburtstag das Bundesverdienstkreuz erhalten. Meysel lehnt ab: Sie wolle keinen Orden dafür erhalten, dass sie ihr Leben so anständig gelebt habe, wie es doch eigentlich selbstverständlich sei.
"Beißzange mit Herz" nennt sie der Kritiker Friedrich Luft – das wird ihr gefallen haben. Gegen ihr Image als "Mutter der Nation" hingegen kämpft sie ein Leben lang an.
Start in Zwickau
Geboren wird Meysel am 30. Mai 1910 als Ingeborg Charlotte Hansen in Rixdorf bei Berlin. Die Eltern wollen ein Jurastudium, sie will Tänzerin werden. Und sie landet, weil mit 1,54 Metern zu klein für ihren Wunschberuf, beim Theater.
Ihr erstes Engagement hat sie in Zwickau, die erste größere Rolle 1930 in der Uraufführung von Ernst Penzoldts "Etienne und Luise". Im Nationalsozialismus darf Meysel als Halbjüdin zwölf Jahre lang nicht auftreten und muss sich als Telefonistin durchschlagen.
1945 geht Meysel ans Hamburger Thalia-Theater. 1959 übernimmt sie die Rolle der guten Hausmeisterin Anni Wiesner im Berliner Volksstück "Fenster zum Flur": Mit 50 Jahren beginnt ihr Aufstieg zum Star. Und der Fluch, "Mutter der Nation" zu sein.
Die Unverbesserliche
Durch ihren zweiten Ehemann, Regisseur John Olden, kommt Meysel als Schauspielerin zum Fernsehen. Sie seien "zusammen aufgestiegen", wird sie sich später erinnern.
1965 steht sie erstmals als Käthe Scholz in der legendären siebenteiligen Serie "Die Unverbesserlichen" vor der Kamera. Jedes Jahr am Muttertag verfolgen Millionen Zuschauer die Alltagsgeschichten der kleinbürgerlichen Familie.
Engagement im Wahlkampf
Ihre Streitbarkeit zeigt Meysel häufig: durch ihr Engagement im Wahlkampf für Willy Brandt etwa, durch eine mit Alice Schwarzer und anderen angestrengte Klage gegen Nacktbilder im "Stern" - oder durch Interviews, in denen sie sich nicht nur zur Freikörperkultur, sondern auch zu ihrer Bisexualität offen äußert.
In der Talkshow "Je später der Abend" offenbart sie, wie sie ihre Jungfernschaft verlor. Auch ihr Bekenntnis, Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) zu sein, sorgt für Diskussionsstoff.
Erkrankt an Altersdemenz
2003 erfährt Meysel, dass sie an Altersdemenz erkrankt ist. Trotzdem spielt sie ein Jahr später in einer Folge der Krimiserie "Polizeiruf 110" eine streitbare alte Frau, die ihrem Leben ein Ende setzen will. Inge Meysel stirbt 2004 in ihrer Villa an der Elbe im niedersächsischen Seevetal-Bullenhausen.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 30. Mai 2020 ebenfalls an Inge Meysel. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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