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Kaufhof-Filiale in FrankfurtBild © picture-alliance/dpa (Archiv)
Drohende Filialschließungen in Hessen

Bange Tage für 3.000 Mitarbeiter von Karstadt und Kaufhof

Unter den Mitarbeitern der Warenhauskette Galeria Kaufhof Karstadt geht die Angst um: Viele müssen befürchten, ihren Job im Schutzschirmverfahren auf die harte Tour zu verlieren. In hessischen Städten demonstrierten sie deshalb.

Der 1. April war in diesem Jahr für Beschäftigte der Galeria Karstadt Kaufhof GmbH kein Grund zum Scherzen. An dem Tag kam die Hiobsbotschaft, ihr seit langem angeschlagenes Unternehmen wolle sich in einem Schutzschirmverfahren sanieren. Eine Insolvenz light gewissermaßen - für den Arbeitgeber.

Schwere Zeiten kommen nun auf viele der Beschäftigten zu. Fast jedem zweiten Kaufhaus droht die Schließung. 30.000 Mitarbeiter gibt es bundesweit, 3.000 davon in Hessen. Hier hat die Gewerkschaft Verdi am Freitag in mehreren Städten Betriebsversammlungen organisiert - und in Kassel ein besonderes Zeichen gesetzt. Dort stiegen 99 schwarze Luftballons in die Höhe.

Der Toten und der Lebenden gedacht

So würdigten die Teilnehmer die Toten der Corona-Pandemie. Aber das Ganze hatte noch einen anderen symbolischen Zweck. "Wir gedenken der zahlreichen Beschäftigten des Handels, die von Entgeltabsenkung und Arbeitsplatzverlust bedroht sind“, sagte der zuständige Fachsekretär Handel von Verdi Nordhessen, Manuel Sauer.

Denn rund 80 der gut 170 Kaufhäuser in ganz Deutschland sollen dicht gemacht werden. An den verbliebenen Standorten könnte zudem jeder zehnte Arbeitsplatz wegfallen. So sieht es ein Plan vor, den Verdi vom Management der Warenhauskette präsentiert bekam.

Als Grund nennt das Unternehmen die Corona-Krise. Wöchentlich habe das Unternehmen in der Zeit der Schließungen auf Grund der Corona-Pandemieauflagen rund 80 Millionen Umsatz verloren - insgesamt mehr als 500 Millionen Euro bis Mitte Mai.

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Beschäftigte protestieren mit schwarzen Luftballons für den Erhalt der Kasseler Galeria Kaufhof FilialeBild © verdi Hessen/ Ursula von Kiekebusch

Welche der 19 Filialen bleiben?

Jetzt geht das Zittern um die Arbeitsplätze um. 19 Filialen haben Karstadt und Kaufhof in Hessen. Und welche Filialen schließen werden, ist noch nicht klar.

Eine Unternehmenssprecherin bittet auf Anfrage um Verständnis dafür, "dass wir erst dann hinsichtlich einzelner Standorte kommunizieren können, wenn hierzu belastbare Informationen vorliegen".

Das erhöht die Unsicherheit nur noch. "Die Stimmung ist äußerst angespannt. Zwischen Wut, Trauer und Furcht", sagt Horst Gobrecht, Gewerkschaftssekretär Handel bei Verdi Südhessen. Er hat am Freitag eine Betriebsversammlung für die Filialen in Darmstadt und Viernheim (Bergstraße) organisiert. Alleine an diesen zwei Standorten in Südhessen arbeiten zusammen rund 350 Mitarbeiter.

"Manche seit 30 Jahren im Unternehmen beschäftigt"

"Manche sind seit 30 Jahren im Unternehmen beschäftigt", sagt Gobrecht. Einige seien auch in Tränen ausgebrochen: "Sie fürchten, dass sie von dem einen auf den anderen Tag arbeitslos werden und dann nicht einmal eine Abfindung bekommen."

Denn das Schutzschirmverfahren ist zwar noch keine Insolvenz. Es bedeutet aber, dass einem Arbeitnehmer die Kündigung ohne Sozialplan und Kündigungsfristen innerhalb von drei Monaten ausgesprochen werden kann. Auch Abfindungen werden gedeckelt. Der Warenhauskette kann das etliches Geld sparen.

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Oberbürgermeister Christian Geselle, Manuel Sauer und Manfred Schollmeyer, Betriebsrat bei Galeria Karstadt Kaufhof in KasselBild © Manuel Sauer

Corona-Krise als Möglichkeit Verfahren einzuleiten?

Das legt Kritikern den Schluss nahe, Corona sei für die Warenhauskette nur eine willkommene Ausrede. Verdi-Gewerkschafter Norbert Sauer sagt denn auch: "Bei uns entsteht der Eindruck, dass die Unternehmensleitung in Essen die Corona-Krise nutzen möchte, um Dinge durchzudrücken, die sonst laut Tarifvertrag mit Verdi gar nicht möglich gewesen wären."

Denn für den Standort Kassel war bereits im vergangenen Jahr ein weitreichender – und einschneidender – Sanierungstarifvertrag verhandelt worden. "Die Mitarbeiter verzichten darin auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie künftige Gehaltssteigerungen nach dem Flächentarifvertrag", erklärt Sauer. Pro Mitarbeiter seien das bis zu 5.000 Euro. Im Gegenzug hatte das Unternehmen für Kassel eine Beschäftigungsgarantie ausgesprochen.

Auch beschlossene Abfindungen gekürzt

Und schon vor einigen Monaten gab es erheblichen Personalabbau. Rund 70 der zuvor rund 200 Beschäftigten in Kassel haben sich 2019 mit der Aussicht auf Abfindungen über einen Aufhebungsvertrag freistellen lassen.

Von all dem kann sich das Unternehmen nun im Schutzschirmverfahren lossagen. "Vor allem für die Menschen, die freiwillig einem Aufhebungsvertrag zugestimmt haben, ist das ein herber Schlag", sagt Sauer. "Manche haben nun erst einmal gar nichts bekommen." Kritik, zu der sich Galeria Karstadt Kaufhof nicht äußern will.

Politik sei nicht nur bei Lufthansa gefragt

Verdi hofft nun auf Unterstützung der Politik. "Für die Lufthansa sind neun Milliarden geflossen. Für die Verkäuferinnen und Verkäufer bei Galeria Karstadt Kaufhof wäre eine Hilfe der Politik aber auch wirklich wichtig", sagt Sauer.

Sein Gewerkschaftskollege Gobrecht hofft auf einen Sozialplan - oder eine Transfergesellschaft. Von einer flächendeckenden Rettung aller Beschäftigten mag auch der Gewerkschafter nicht reden.

Sendung: hr-iNFO, 20.05.2020, 9.30 Uhr