Minneapolis kommt nur schwer zur Ruhe
Protest gegen Polizeigewalt
by Mit Informationen von Julia KasteinEine brennende Polizeiwache, geplünderte Geschäfte, Rufe nach Gerechtigkeit: Nachdem ein schwarzer Mann bei einem brutalen Polizeieinsatz starb, ist die Lage in Minneapolis eskaliert. Auch in anderen US-Städten gab es Proteste.
Nach dem Tod des Schwarzen George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz ist es in mehreren US-Städten zu Protesten und teils schweren Ausschreitungen gekommen. In Minneapolis, wo Floyd zu Tode gekommen war, stürmten Demonstranten in der Nacht eine Polizeiwache und legten dort Feuer, wie mehrere US-Medien berichteten.
Plünderungen und Zerstörung
Die Wache war wegen der Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Polizei evakuiert worden. Wütende Demonstranten hatten den Berichten zufolge die Fenster eingeschlagen, waren über Zäune geklettert und hatten Feuerwerkskörper angezündet. Vor dem Gebäude riefen Dutzende: "Keine Gerechtigkeit - kein Frieden" ("No Justice, no Peace").
Noch am Morgen protestierten in der Nähe Hunderte Menschen. Die Polizei erklärte daraufhin, die drei Blöcke rund um die Wache seien nun "aus Sicherheitsgründen" bis auf Weiteres für die Öffentlichkeit geschlossen.
Auf Fernsehbildern glichen einige Straßenzüge einem Kriegsgebiet: Zu sehen waren verwüstete, völlig ausgebrannte Gebäude und geplünderte Läden. Die Polizei ging mit Tränengas, Pfefferspray und Schlagstöcken gegen Demonstranten vor. Er habe Verständnis für den Schmerz und die Wut vieler Menschen. Aber die Gewalt und die Plünderungen seien nicht akzeptabel, sagte Bürgermeister Jacob Frey. Er forderte die Menschen in der Stadt in der Nacht erneut zur Ruhe auf.
tagesschau 15:00 Uhr, 29.05.2020, Alexander Westermann, NDR
Gouverneur mobilisiert Nationalgarde
Der Gouverneur des Bundesstaats, Tim Walz, hatte am Donnerstag die Nationalgarde mobilisiert und einen Notstand für Minneapolis und umliegende Gebiete ausgerufen. In seiner Anordnung hieß es, friedliche Demonstrationen seien weiterhin erlaubt.
Inzwischen hat sich die Lage in der Stadt für den Moment beruhigt: Hundertschaften der State Patrol, der Landespolizei und 500 Soldaten der Nationalgarde sind im Einsatz, bewachen Banken, Geschäfte und andere essentielle Einrichtungen.
Die Lage in der Stadt werde von ihnen sowohl am Boden als auch aus der Luft überwacht, erklärte die Nationalgarde. "Unsere Truppen sind dafür ausgebildet, Leben zu schützen, Eigentum zu bewahren und das Recht der Menschen auf friedliche Demonstrationen zu sichern."
Aufruf zum Gewaltverzicht
Auch Walz rief die Demonstranten eindringlich zum Gewaltverzicht auf. Probleme wie systematischer Rassismus müssten angegangen werden, dies könne aber nicht passieren, solange noch "Anarchie auf den Straßen herrscht", sagte er bei einer Pressekonferenz.
Walz sagte zu, dass die Justiz das Vorgehen der Polizisten schnell und fair untersuchen werde. Der Gouverneur teilte das Entsetzen über den Vorfall. "Das Kapitel, das diese Woche geschrieben wurde, ist eines unserer dunkelsten Kapitel."
Mit Blick auf die schwarze Gemeinde fügte er hinzu, diese wolle er als Weißer, der keine Diskriminierung erfahren habe, nicht bevormunden. Er verstehe, dass Misstrauen gegenüber den Sicherheitskräften auf den Straßen herrsche. "Aber ich bitte Sie, uns zu helfen." Die Straßen müssten wieder zu einem Ort werden, auf denen sich friedliche Demonstranten Gehör verschaffen könnten.
CNN-Team verhaftet
Am Rande der Proteste wurde auch ein Team des Nachrichtensenders CNN verhaftet. Der schwarze Reporter Omar Jimenez berichtete live, während er ohne Angabe von Gründen zusammen mit drei Mitarbeitern abgeführt wurde.
In der Live-Aufnahme war zu sehen, wie Jimenez die heranrückende Polizei wiederholt fragte, ob das Team seinen Standort ändern solle. "Wir können dahin zurückgehen, wohin ihr wollt. Wir sind gerade live. Wir sind zu viert, wir sind ein Team", sagte Jimenez. Kurz darauf wurde er ohne Angabe von Gründen festgenommen, dann auch sein Team. Die Polizei erklärte später, CNN-Mitarbeiter seien freigelassen worden, nachdem bestätigt worden sei, dass es sich um Medienvertreter handele.
Gouverneur Walz entschuldigte sich bei CNN. "Wir müssen sicherstellen, dass die Medien diese wichtigen Ereignisse berichten können." Die Sicherheit von Journalisten habe oberste Priorität.
Noch keine Anklage gegen Polizisten
Auslöser für die Wut und Empörung der Demonstranten war ein rund zehn Minuten langes Video von Floyds Tod am Montag. Ein weißer Polizist drückte sein Knie mehrere Minuten lang an den Hals des 46-Jährigen, der wiederholt um Hilfe flehte, bevor er das Bewusstsein verlor. Drei weitere Beamte sahen zu. Eine Passantin hatte den Vorgang gefilmt.
Floyd starb kurz danach in einem nahen Krankenhaus. Sein Bruder, Phionese Floyd forderte am Morgen erneut Gerechtigkeit - und die Todesstrafe für die Beamten: Sie hätten seinen Bruder exekutiert.
Die vier involvierten Polizisten wurden entlassen, aber bislang weder festgenommen noch angeklagt. Der Generalstaatsanwalt von Minnesota Keith Ellison warb für Verständnis. Er gehe davon aus, dass es bald zu einer Anklage käme. Aber die ermittelnden Behörden vor Ort wollten einen möglichst wasserdichten Fall. Damit die Beamten nicht - wie sonst meist in ähnlichen Fällen - letztlich ungeschoren davon kommen.
Proteste auch in Louisville, Denver und New York
Auch in anderen US-Städten gingen Menschen auf die Straße, um gegen Polizeigewalt gegen Schwarze zu protestieren. Während viele Demonstranten bei friedlichen Protesten Gerechtigkeit für Floyd und eine Verurteilung der involvierten Polizisten forderten, kam es vereinzelt auch zu Gewalt.
In Lousiville wurden dabei sieben Menschen durch Schüsse verletzt, von wem ist noch unklar. In der Stadt war erst im März eine schwarze Frau bei einem Polizeieinsatz gestorben: Beamte hatten die unbewaffnete Frau bei einer Drogenrazzia in ihrem Bett erschossen. In ihrer Wohnung wurden keine Drogen gefunden.
Auch in Denver kam es zu Protesten. Örtliche Medien berichteten dort über Schüsse. Laut Polizei wurden zunächst keine Verletzten gemeldet. Proteste werden auch aus Phoenix gemeldet. In New York seien Hunderte Menschen zusammengekommen, es habe mehrere Festnahmen gegeben, schrieb die "New York Times".
Obama wünscht sich "neuen Normalzustand"
Der frühere US-Präsident Barack Obama twitterte, für Millionen Amerikaner sei es auch im Jahr 2020 noch "schmerzhaft und zum Verrücktwerden 'normal', wegen ihrer Hautfarbe anders behandelt zu werden".
Es sei nun die Aufgabe aller Amerikaner, aber insbesondere auch der Sicherheitskräfte, gemeinsam einen neuen Normalzustand zu schaffen, in dem "das Erbe von Fanatismus und Ungleichbehandlung nicht mehr unsere Institutionen oder unsere Herzen vergiftet".
Trump gießt Öl ins Feuer
Zusätzlich angeheizt wurde die Situation durch US-Präsident Donald Trump, der am Donnerstag mit dem Einsatz von Schusswaffen durch das Militär drohte. "Diese Schläger entehren George Floyd und das werde ich nicht zulassen", schrieb er in einem Tweet, den Twitter als gewaltverherrlichend einstufte.
Er habe Gouverneur Walz versichert, dass das Militär an seiner Seite stehe, fügte Trump hinzu: "Wenn die Plünderungen losgehen, geht auch das Schießen los."