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Die Staustufe Griesheim in Frankfurt gehört zu den größeren Wasserkraftanlagen.© peter-juelich.com
Energie

Hessen: Fischschutz kontra Wasserkraft

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Kraftwerksbetreiber fühlen sich vom Land in ihrer Existenz bedroht. Hier werde einseitig an Politik betrieben.

Sie nutzen die Power von Main, Fulda, Werra oder Lahn. Produzieren sauberen Strom, treiben seit Jahrhunderten Mühlen umweltfreundlich an: 614 Wasserkraftanlagen gibt es in Hessen.

Ganz große, wie das in Frankfurt Griesheim, und ganz kleine – vor allem in Nordhessen. Deren Betreiber machen sich derzeit große Sorgen um ihre Existenz. Ihre Befürchtung: Sie müssen aufgeben, weil sie Investitionen für den Fischschutz nicht stemmen können. „Mindestwassererlass“ heißt das Stichwort, bei dem sich Ronald Steinhoff in Rage reden kann.

Steinhoff setzt sich dafür ein, dass das Wasser auch künftig ein wichtiger Lieferant für nachhaltige Energie sein wird. Aber das hessische Umweltministerium vernachlässige die Interessen der Kraftwerkbetreiber: „Wir brauchen einen nachhaltigen Erlass.“ Steinhoff ist Geschäftsführer eines Familienunternehmens in Weilrod im Taunus.

Er modernisiert bestehende Wasserkraftanlagen, etwa indem er Fischtreppen einbaut, reaktiviert auch alte Standorte. Der Ingenieur und aktive Umweltschützer ist zudem stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Hessischer Wasserkraftwerke. Er kennt die aktuellen Sorgen der Betreiber.

Moderne Fischtreppen

Die in Nordhessen hätten schon länger Knatsch mit dem dortigen Regierungspräsidium. Jetzt stünden auch die ersten Anhörungen für Anlagenbetreiber in Mittelhessen bevor. „Den Leuten wird das Wasser abgedreht“, befürchtet Steinhoff. Das Gewässer nutzen viele: Schifffahrt, Angler, die eintragenden Landwirte.

Statt ihnen mehr Vorschriften zu machen, zerstöre das Land die Existenz des kleinsten Spielers, der immerhin drei Prozent des hessischen Strombedarfs stille. „Es ist nicht die Intention, den Wasserkraftanlagen das Wasser abzugraben, sondern zu verhindern, dass den Fischen das Wasser fehlt“, versichert Julia Stoye, Sprecherin der grünen Umweltministerin Priska Hinz. Die Neufassung des Wasserhaushaltsgesetzes vom Juli 2009 erfordere eine Wasserrahmenrichtlinie mit starkem Akzent auf den guten ökologischen Zustand in den Fließgewässern. „Daraus ergab sich die Notwendigkeit, auch die hessische Mindestwasserregelung anzupassen.“

Für die ökologischen Funktionen sei es in einigen Fällen notwendig, dass mehr Wasser im Hauptgewässer bleibe, weniger zum Energiegewinn abgezwackt werde. „Leider bringt es der Klimawandel mit sich, dass Gewässer häufiger Niedrigwasser führen oder in den Oberläufen sogar trockenfallen.“

Der Mindestwassererlass lege Mindestabflüsse fest, um die Durchgängigkeit zu erreichen. Diese, erwidert Steinhoff, sei auch mit modernen Fischtreppen möglich. Im hessischen Koalitionsvertrag sei dazu ein Förderprogramm für kleinere Betreiber verabredet. Das, meint er, könnte die Rettung sein.

Doch auch die großen Betreiber stecken in Schwierigkeiten. Weniger das Wasser- und Schifffahrtsamt Aschaffenburg, das die Anlagen in Frankfurt-Griesheim und in Eddersheim betreibt, dessen Ökostrom die Frankfurter Energieversorgerin Mainova unter dem Tarif „Novanatur“ vertreibt. Eigner ist, historisch gewachsen, der Bund. Das sei bei dem aktuellen Konflikt von Vorteil, sagt Stephan Momper, Leiter der Behörde. Außerdem gebe es derzeit in Eddersheim ein Pilotprojekt zu fischfreundlichen Turbinen.

Anders die Situation an den Wasserkraftwerken in Mühlheim und Offenbach. Die private Betreiberin kämpfe derzeit für eine Neuerung ihrer Betriebsgenehmigung.

Geht es nach dem Umweltministerium, soll die Firma die Hälfte ihrer Wassers künftig über die Wehre fließen lassen. Damit würden möglicherweise weniger Fische geschreddert, sagt Momper. Die Kehrseite: „Man kann weniger Strom erzeugen.“