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Wurst und Aufschnitt sind teurer geworden. Doch manchen ist Fleisch immer noch zu billig.
(Foto: Jan Woitas/dpa)

Nachlassende Fleischeslust

Die Essgewohnheiten der Bundesbürger verändern sich. Das liegt nicht nur an Corona und Home-Office. Vor allem jüngere Menschen wollen Tierprodukten mehr wertschätzen.

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Fleisch? Fertigprodukte von irgendwo? In Zeiten von Corona scheint vielen Bundesbürgern der Appetit darauf vergangenen zu sein. Das jedenfalls geht aus dem jüngsten Ernährungsreport hervor, den Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) am Freitag in Berlin vorgestellt hat. Demnach gaben nur noch 26 Prozent der Befragten an, regelmäßig Fleisch zu essen - noch vor fünf Jahren lag dieser Wert bei 34 Prozent. Dafür wächst die Beliebtheit regionale Produkte - jedenfalls in der Umfrage.

Insgesamt scheinen sich die Bundesbürger bewusster zu ernähren. Bei der Befragung, die das Forsa-Institut im Auftrag des Landwirtschaftsministerium durchgeführt hatte, bezeichneten sich 55 Prozent der Bundesbürger als "Flexitarier" - sie essen zwar Fleisch, verzichten aber auch gerne und bewusst mal darauf. Der Anteil der Vegetarier blieb konstant bei fünf Prozent, auch an der Zahl der Veganer hat sich der Umfrage nach nicht viel geändert - sie machen rund ein Prozent der Bevölkerung aus. Wenige Bürger seien "dogmatisch in ihren Essgewohnheiten", sagte Klöckner bei der Vorstellung der Zahlen. "Staatliche Vorgaben für den privaten Einkaufszettel wären der falsche Weg."

"Gute Nachrichten für Umwelt und Gesundheit"

Viele Umweltschützer sehen das anderes. Sie finden die Vorgaben für die Ernährung nach wie vor zu lax. Der Report sei ein "ernährungspolitischer Offenbarungseid", urteilte die Umweltstiftung WWF. So sei die gegenwärtige Tierwohlkennzeichnung "vollkommen wirkungslos", solange sie allein auf Freiwilligkeit beruhe, sagte Tanja Dräger de Teran, Ernährungsexpertin des WWF. Nötig sei eine verpflichtende Kennzeichnung, wie genau Tiere gehalten wurden. "Wie bei Frischeiern müssen die Verbraucher zukünftig die Art der Tierhaltung eindeutig erkennen", verlangte Dräger de Teran.

Gleichwohl geht der Appetit auf Fleisch in Deutschland seit Jahren zurück. "Das sind gute Nachrichten für die Umwelt und Gesundheit vieler Menschen", sagte Martin Hofstetter, Agrarexperte bei Greenpeace. Allein das sei aber nun auch eine "Steilvorlage" für Klöckner. Sie könne "mit dem Rückenwind eines gesellschaftlichen Trends" endlich die Standards in der Tierhaltung anheben. "Frau Klöckner muss sich mehr als Ernährungsministerin verstehen", verlangte Hofstetter.

So aber hinterlässt offenbar die Corona-Pandemie mehr Spuren bei den Ernährungsgewohnheiten als die Ministerin. So gab in einer Zusatzbefragung fast jeder Dritte an, häufiger selbst zu kochen. Und 28 Prozent der Befragten essen nun öfter gemeinsam - das Home-Office macht es möglich. Auch die Wertschätzung der Landwirtschaft hat offenbar zugenommen, und das vor allem auch bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen: Für 47 Prozent von ihnen hat die Bedeutung der Landwirtschaft in der Krise noch einmal zugenommen - sehr zur Freude der Landwirte. "Wir freuen uns, dass die heimische Landwirtschaft eine so hohe Wertschätzung erfährt", sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied - freilich garniert mit einer Forderung: "Es muss allen bewusst sein, dass das nicht zum Nulltarif geht." Die Wertschätzung müsse sich auch in höheren Preisen für Lebensmittel abbilden.

Beim Discounter kaufen die Deutschen nämlich nach wie vor besonders gerne ein.