Kreative Bankgeschäfte
So werden Strafzinsen ein Gewinn für alle
by Max HerbstGeld verlieren, nur weil man es zur Bank trägt? Das muss nicht sein. Zwar gibt es etliche Geldhäuser, die die Negativzinsen der EZB an ihre Kunden weiterreichen. Doch die Zahl der kreativen - und vor allem attraktiven - Angebote nimmt zu.
Der Mensch gewöhnt sich an alles. Selbst an die Strafzinsen der Europäischen Zentralbank (EZB). Bereits seit März 2016 müssen Institute, die Gelder bei der EZB parken, einen Strafzins von 0,4 Prozent zahlen. Seit September 2019 fallen sogar 0,5 Prozent an. Angesichts der Milliardenbeträge, um die es geht, sind das keine Peanuts.
Daran ändert es auch nichts, dass die Währungshüter im September 2019 den Freibetrag für die strafzinsfreien Beträge auf das sechsfache der jeweiligen Mindestreserve erhöht hat - was den deutschen Banken Zinszahlungen von etwa 500 Millionen pro Jahr erspart. Fest steht: Die deutschen Geldhäuser müssen heute anders wirtschaften als früher und haben deshalb unterschiedliche Strategien entwickelt.
Am Ende zahlt der Kunde
Die aus Kundensicht unerfreulichste Variante ist es, die Strafzinsen einfach durchzureichen. Und es gibt nicht wenige Institute, die diesen Weg beschreiten. Die FMH hat zwischenzeitlich immerhin 135 Konten gefunden, die die Strafzinsen weitergeben - und zwar längst nicht nur für Geldanlagen von 100.000 Euro oder mehr, sondern teils schon 5000 Euro oder gar dem ersten Cent.
Damit gehen die Banken ein kalkuliertes und oft auch überschaubares Risiko ein. Vielen Kunden ist in diesen bewegten Zeiten Sicherheit wichtiger als Rendite. Und so gibt es nicht wenige, die ihr Erspartes trotz der Strafzahlungen auf dem Tagesgeld- oder Girokonto liegen lassen. Dies gilt umso mehr, als noch immer die Meinung vorherrscht, der Aufwand eines Bankenwechsels lohne nicht, nur weil man bei einem anderen Geldhaus 0,25 Prozent Zinsen bekommt. Allerdings sollte man sich klarmachen, dass der Guthabenzins der Zielbank und der Negativzins des eigenen Geldhauses schon 0,75 Prozent Unterschied ergeben. Bei 100.000 Euro sind das immerhin 750 Euro pro Jahr.
Vermittler werden immer beliebter
Gott sei Dank gibt es auch andere Lösungen, als Kunden einfach mit Negativzinsen zu belegen und deren Abwanderung zur Konkurrenz zumindest in Kauf zu nehmen. Immer beliebter werden etwa Vermittler für Geldanlagen im europäischen Ausland. Weltsparen und Zinspilot sind die beiden, die sich den Markt teilen. Sie kooperieren mit 30 bis 50 unterschiedlichen Banken in ganz Europa, so dass sich Kunden je nach Zinserwartung und Sicherheitsbedürfnis die passende Geldanlage im Ausland aussuchen können.
Im FMH-Tagesgeld- und Festgeldvergleich sind fast alle Banken vertreten, die die beiden Vermittler im Angebot haben. Und das werden immer mehr. Inzwischen erkennen selbst die klassischen Hausbanken, dass es allen hilft, wenn man Kunden die Services der Vermittler ans Herz legt. So war vor wenigen Tagen zu lesen, dass die Hamburger Sparkasse Haspa mit Zinslotse die Plattform von Zinspilot nutzen wird. Offenbar ist es den Bankern in der Hansestadt (und nicht nur ihnen) lieber, wenn ihre Kunden sich an Geldhäuser wenden, die keine direkten Mitbewerber vor Ort sind - und die Provision für die Vermittlung an Zinspilot nehmen sie natürlich auch gerne mit.
Dessen Angaben zufolge bestehen solche Vereinbarungen inzwischen auch mit der Deutschen Bank (zinsmarkt), Merck Finck, M.M.Warburg, der Norisbank und verschiedenen Volks- und Raiffeisenbanken.
Ein ähnliches Bild bietet sich bei Weltsparen. Der Anbieter nennt folgende Banken als Partner: Sparda-Bank Nürnberg, Volksbank Beckum-Lippstadt, Hausbank München, Bremische Volksbank, Volksbank Stendal, PSD Bank Nürnberg und Märkische Bank.
Diese neue Kooperationsfreude ist erfreulich, weil alle profitieren. Der Kunde fühlt sich gut beraten, der Vermittler ist zufrieden, weil Kunden, die über Banken kommen, erfahrungsgemäß mehr Geld anlegen, und die Bank muss weniger EZB-Strafzinsen bezahlen und bekommt sogar noch eine Provision.
Kreative Lösungen
Einen besonderen Gag hat sich die Sparkasse Förde einfallen lassen. Sie bietet Kunden, die in ihrem Einzugsgebiet wohnen, eine Baufinanzierung mit null Prozent Zinsen für zehn Jahre an, begrenzt auf eine Summe von 50.000 Euro. Die FMH hat einmal nachgerechnet, was das bedeutet: Wenn ein Kunde, der sich 50.000 Euro leiht, jährlich drei Prozent tilgt, wie die Sparkasse es vorgibt, steht am Ende der Laufzeit noch eine Restschuld von 35.125 Euro. Damit hat die Bank im Vergleich zu den Konditionen der EZB (den Strafzins von 0,5 Prozent auf die volle Laufzeit unterstellt) stolze 2128 Euro gespart. Auch hier profitieren also beide Seiten: die Bank, weil sie Strafzinsen spart, und der Kunde, weil er eine Null-Prozent-Finanzierung erhält, die es in dieser Form nirgendwo sonst gibt.
Einziges Manko: Für die Kreditvergabe erwartet die Sparkasse die volle grundbuchliche Absicherung an erster Rangstelle. Diese Grundbuchabsicherung erschwert vielleicht die eine oder andere Kreditanfrage bei fremden Banken, aber sie wird dadurch nicht automatisch blockiert.
Max Herbst ist Inhaber der FMH-Finanzberatung, die seit 1986 unabhängige Zinsinformationen erstellt.