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Blutplasma: "Flüssiges Gold" in Corona-ZeitenBild © picture-alliance/dpa
Covid-19-Genesene gesucht

Hessische Pharma-Unternehmen arbeiten an Corona-Gegenmittel

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Ein Impfstoff gegen das Coronavirus ist noch nicht in Sicht, ein Medikament wird dringend gesucht. Zwei hessische Unternehmen entwickeln eine Medizin auf der Basis von Blutplasma. Dafür werden Corona-Genesene gebraucht.

Hessische Forscher arbeiten an Corona-Medikament03:06 Min. | 28.05.20, 19:30 Uhr | hessenschau

Unter manchen Medizinern und Forschern trägt es auch den Beinamen "flüssiges Gold". Tatsächlich sieht ein großer Teil unseres Blutes ganz anders aus, als wohl viele vermuten: Plasma ist goldgelb. Und außerdem extrem wertvoll, weil es voller Antikörper ist. Die sind derzeit besonders dann gefragt, wenn sie von ehemaligen Covid-19-Patienten stammen.

Man wolle das Coronavirus mit Antikörpern aus dem Blut von genesenen Patienten bekämpfen, sagt Jörg Schüttrumpf, der Forschungs- und Entwicklungsleiter der Firma Biotest im südhessischen Dreieich (Offenbach). "Das Plasma wird an Spendezentren entnommen und eingefroren zu uns gebracht", erklärt Schüttrumpf den Prozess.

In den Laboren werde das Plasma dann "aufgereinigt": Mögliche Krankheitserreger werden herausgefiltert, sodass am Ende ein hochreines und sehr effektives Antikörper-Präparat herauskomme, zusammengesetzt aus den Antikörpern von vielen verschiedenen Spendern. "Das kann man dann schwer kranken Covid-19-Patienten geben," so Schüttrumpf.

Teuer und aufwendig – aber massentauglicher als andere Methoden

Ansätze, akut erkrankten Corona-Patienten direkt das Plasma von Genesenen zu verabreichen, gibt es bereits. Doch der Vorteil einer Fertig-Arznei liegt laut Biotest darin, dass diese deutlich massentauglicher ist, als eine direkte Plasmatransfusion. So sei ein Medikament etwa lange haltbar, es enthalte standardisierte Antikörpermengen und es könne unabhängig von Blutgruppen eingesetzt werden.

CoVIg-19 soll das fertige Medikament heißen. Bei Biotest ist man guter Dinge, dass es noch dieses Jahr auf den Markt kommen könnte. Doch die Entwicklung und Produktion eines solchen Arzneimittels ist sehr aufwendig und teuer, erklärt Jörg Schüttrumpf. Schließlich basiere es zum Großteil auf menschlichem Plasma, das einzeln gespendet und dann aufwendig weiterverarbeitet werden müsse. Zunächst müsse man auch noch die Wirksamkeit in einer klinischen Studie beweisen.

"Plasma-Alliance" will Entwicklung beschleunigen

Biotest hofft derzeit auf Fördermittel vom Land. Außerdem arbeitet das mittelständische Unternehmen nicht alleine an der Entwicklung von CoVIg-19, sondern gemeinsam mit der "Plasma Alliance". Dabei handelt es sich um eine Art internationales Pharma-Konsortium aus zehn auf Plasma-Forschung spezialisierten Unternehmen, die nun zur Bekämpfung des Coronavirus ihre Kräfte bündeln wollen.

Die normalerweise miteinander konkurrierenden Pharmaunternehmen wollen das Medikament gemeinsam entwickeln, testen und herausbringen. Warum? "Weil es dann schneller geht", erklärt Lutz Bonacker, von CSL Behring in Marburg, die sich ebenfalls an der Plasma-Alliance beteiligen. "Wir wollen so eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit haben."

Schon Emil von Behring setzte auf Antikörper

Die Unternehmen tauschen ihr Wissen aus und teilen ihre Infrastruktur, etwa um schneller an Plasma-Spenden zu kommen und Studienteilnehmer zu finden. Die Präparate für die klinische Studie seien inzwischen fertig, so Bonacker. Auch die solle komplett gemeinsam, in mehreren Ländern parallel, durchgeführt werden. Noch stünden zwar Behördengenehmigungen aus, doch Bonacker hält den Ansatz für "sehr vielversprechend."

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Bild © Rebekka Dieckmann
Corona-Gegenmittel: "Wir sind guter Dinge"03:25 Min. | 29.05.20 | Rebekka Dieckmann

Die Methode, Krankheiten mit Antikörper-Präparaten zu bekämpfen, sei bereits altbewährt, etwa bei Tetanus. Bonacker erklärt: Schon der Namensgeber des Unternehmens, Emil von Behring (1854-1917), habe das Prinzip der passiven Immunisierung mit großem Erfolg von Marburg aus etabliert. Bonacker ist nun hoffnungsvoll, dass CoVIg-19 noch vor einem Impfstoff einsatzbereit sein könnte - möglicherweise sogar schon Ende dieses Jahres.

Impfstoff bleibt endgültiges Ziel

Für Pharmafirmen ist die Entwicklung eines solchen Wirkstoffs jedoch auch mit finanziellen Risiken verbunden. Wenn der erhoffte Impfstoff gefunden wird, könnte das mühsam entwickelte Gegenmittel schnell überflüssig werden. Trotzdem: "Der Impfstoff ist ganz klar das endgültige Ziel", betont Vicky Pirzas, die bei CSL Behring die Abteilung für Forschung und Entwicklung leitet.

Parallel zur Plasma-Forschung arbeitet auch das Marburger Unternehmen an einem Impfstoff. Derzeit hätten weltweit über 90 Pharmafirmen Forschungsprojekte gestartet, acht klinische Studien liefen schon. "Und das, obwohl wir uns erst im Januar auf den Weg gemacht haben - so etwas hat es vorher noch nie gegeben", so Pirzas. Bis man aber am Ziel sei, müsse man auch Lösungen für "dazwischen" finden. Dass man sich jetzt bei der Plasma-Forschung mit anderen zusammentue, gebe ihr "Sicherheit, dass wir etwas finden werden".

Microsoft und Uber beteiligt

Die Plasma-Alliance wird auch von amerikanischen Unternehmen unterstützt: Uber und Microsoft. Trotz aller Bill-Gates-Verschwörungstheorien betont Lutz Bonacker: "Es geht bei der Allianz nicht um finanzielle Interessen, sondern darum, jetzt schnell mit dem zu helfen, was man beitragen kann." Der Fahrdienstleister Uber etwa bringe Plasmaspender kostenlos zu den Spende-Zentren. Microsoft habe beim Aufbau der Webseite geholfen. Und die Gates-Foundation stehe "mit Rat und Tat zur Seite".

Lutz Bonacker sagt: "Ich denke, das ist alles unheimlich positiv zu bewerten, weil alle das gleiche Ziel haben: Wir wollen Menschen helfen, die Hilfe brauchen." Wie das Medikament dann im Fall eines Entwicklungserfolgs über die Ländergrenzen hinweg verteilt wird und wer wie daran verdient, dazu könne man derzeit noch nichts sagen. Zunächst sei vor allem wichtig, möglichst große Mengen davon zu produzieren. Und dafür müssten viele ehemalige Corona-Patienten Plasma spenden.


Plasma ist der flüssige Anteil des Blutes, der etwa zwischen 50 und 60 Prozent unseres Bluts ausmacht. Plasma wird durch das Zentrifugieren von Blut gewonnen. Es besteht zu 90 Prozent aus Wasser, in dem viele verschiedene Stoffe transportiert werden, zum Beispiel Fette, Hormone oder Zucker. Die übrigen 10 Prozent machen Blutzellen aus, die wiederum Antikörper transportieren. Diese Abwehrstoffe des Blutes schützen den Organismus vor Angriffen von Außen. Aktuell gehen Forscher davon aus, dass sich im Plasma von bereits genesenen Covid-19-Patienten Antikörper gegen das Coronavirus befinden.

Wer gesund, zwischen 18 und 68 Jahren alt ist und mehr als 50 Kilogramm wiegt, kann bis zu 60 Mal im Jahr Plasma spenden - also deutlich häufiger als Blut. Die Spende in einem Plasmazentrum dauert etwa 30 bis 45 Minuten. Spender erhalten eine Aufwandsentschädigung.

Hier finden Sie Zentren:
www.plasma-spenden.de
www.blutspenden.de


Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 28.05.2020, 19.30 Uhr