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US-Präsident Donald Trump | Bildquelle: DOUG MILLS/POOL/EPA-EFE/Shutters

Kritik an Trumps Twitter-Feldzug

Erlass zu sozialen Medien

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US-Präsident Trump will per Erlass gegen soziale Medien vorgehen. Dies könnte weitreichende Folgen nicht nur für den Online-Dienst Twitter haben, an dem sich der Streit entfachte.

"Es war nur eine Frage der Zeit, bis Donald Trump in einen Twitter-Krieg mit Twitter gerät", scherzte Late-Night-Moderator Jimmy Kimmel noch am Mittwochabend. Tatsächlich hat der US-Präsident dem Online-Netzwerk den Krieg erklärt - aber nicht nur diesem.

"Ich werde es nicht mehr zulassen, dass die Amerikaner von diesen Netzwerken schikaniert werden." Das sagte Trump, als er das Dekret unterschrieb, mit dem er die Haftungsregeln für die sozialen Netzwerke verändern will. Das Video dazu stellte er kurz darauf bei Twitter online. Konkret geht es um Paragraf 230 des US-Telekommunikationsgesetzes, dieses hatte die Online-Netzwerke bisher davor bewahrt, wegen der Inhalte, die ihre Nutzer dort posten, verklagt zu werden.

Die Idee dahinter war, dass die Meinungsfreiheit gewahrt werden sollte. Allerdings müssen die Netzwerke dafür sorgen, dass zum Beispiel keine illegalen oder anstößigen Dinge verbreitet werden. Frederic Lardinois, Journalist beim Online-Nachrichtenportal "Techcrunch", sagt, dass das Dekret von Trump weitreichende Konsequenzen für die Silicon-Valley-Firmen haben könnte: "In Amerika, wo jeder für alles vor Gericht geht, ist das ein Riesenproblem. Deswegen hatte es den Paragrafen 230 ja gegeben, um diese Plattformen zu schützen."

Trump will soziale Medien reglementieren
tagesschau 16:00 Uhr, 29.05.2020, Stefan Niemann, ARD Washington

Trump fühlt sich von Twitter zensiert

Für Trump geht es um Meinungsfreiheit - er sagt, er fühle sich auf Twitter zensiert. Sollten sich die Haftungsregeln ändern, könnte dies theoretisch zu mehr Hass, Hatespeech und Verleumdung im Netz führen, meint Lardinois: "Wenn das passieren würde, dann wäre es so, dass wirklich jeder alles sagen könnte. Und niemand etwas dagegen tun könnte. Gerade Seiten wie Facebook und Twitter, die dann unter diesem Druck stehen würden, alles zulassen zu müssen."

Twitter nannte das Vorgehen von Trump reaktionär. Damit werde die Zukunft der Meinungsäußerungen im Internet bedroht. Der Online-Dienst versah in der Zwischenzeit auch einen weiteren Tweet von Trump mit einem Warnhinweis: Der Tweet zu den Ausschreitungen in Minneapolis nach dem Tod eines Afroamerikaners verherrliche Gewalt, erklärte Twitter. Deshalb sei er mit einer entsprechenden Notiz versehen worden, bleibe aber auf der Plattform, weil dies im öffentlichen Interesse sei.

Trump hatte in dem Tweet am Freitagmorgen unter anderem von "Schlägertypen" gesprochen, die das Andenken des Opfers entehrten. Man werde aber die Kontrolle zurückgewinnen: "Wenn Plünderungen beginnen, wird geschossen."

Facebook warnte vor Zensur

Eine Sprecherin von Google erklärte, mit der Verordnung werde die amerikanische Wirtschaft beschädigt. Ein Sprecher von Facebook warnte, die Verordnung werde dazu führen, dass die Netzwerke alles zensieren würden, was irgendjemanden beleidigen könnte.

Facebook-Chef Marc Zuckerberg hatte, bevor das Dekret unterzeichnet wurde, noch Trump zugestimmt und im Interview mit dem TV-Sender Fox News erklärt, dass er den Kurs von Twitter nicht mittrage: "Ich bin fest davon überzeugt, dass Facebook nicht Schiedsrichter über den Wahrheitsgehalt von allem sein sollte, was Menschen online sagen."

Facebook könnte auch betroffen sein

Doch auch wenn Zuckerberg noch im Vorfeld offenbar gut Wetter machen wollte: Auch seine Firma treffen nun möglicherweise die Konsequenzen des Trump-Twitter-Streits. Trump drohte sogar damit, die Online-Netzwerke schließen zu lassen.

Das aber ginge gar nicht, sagt Mary Anne Franks, Juraprofessorin der Universität Miami, dem Radiosender NPR: "Kann ein Offizieller eine private Einrichtung regulieren oder schließen, weil er nicht mag, was sie getan hat? Nein. Genau davor schützt uns der erste Verfassungszusatz. Das gerade ist hier die große Ironie."

Zumindest müsste wohl der Kongress in solche Entscheidungen einbezogen werden. Der Streit wird wohl vor Gericht enden. Ob es Trump überhaupt darum geht, Recht zu bekommen? Viele Beobachter glauben eher, dass Trump seiner konservativen Wählerschaft zeigen will, dass er es mit den Silicon-Valley-Firmen aufnimmt, die als eher links oder liberal gelten. Und die konservative Meinungen unterdrückten - auch dies war ein Vorwurf Trumps: "Die Stimmung im Silicon Valleys ist links und liberal - aber bei den Plattformen gibt es keine Hinweise, dass wirklich Republikaner zensiert werden. Das einfache Faktum, dass Donald Trump immer noch bei Twitter dabei ist, zeigt das auch", sagt Frederic Lardinois.

Heftige Kritik an Trump

Trumps Verfügung stieß bereits kurz vor der Unterzeichnung auf heftige Kritik. Die Bürgerrechtsorganisation ACLU schrieb auf Twitter: "So sehr er es sich vielleicht auch wünscht, Donald Trump ist nicht der Präsident von Twitter." Eine solche Verordnung sei eine unverhohlene und verfassungswidrige Drohung, um soziale Medien zu bestrafen, die dem Präsidenten missfielen.

Die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, warf Trump vor, seine Verfügung sei eine "verzweifelte Ablenkung" von dessen Versäumnissen in der Corona-Krise. Die USA hatten am Mittwochabend die düstere Marke von 100.000 Toten in Folge der Pandemie überschritten - eine Zahl, die für immer einen Schatten auf Trumps Amtszeit werfen dürfte, und das wenige Monate, bevor er sich im November um eine zweite Amtszeit bewirbt.

Für Trump kaum eine Alternative zu Twitter

Konsequent wäre wohl, wenn sich Trump von seinem Lieblingsmedium Twitter verabschieden würde. Jedoch, so meint Lardinois, gäbe es für Trump kaum Alternativen, jedenfalls nicht mit so einer großen Reichweite. Trump hat auf Twitter mehr als 80 Millionen Follower.

Trump gegen Twitter
Katharina Wilhelm, ARD Los Angeles
29.05.2020 06:32 Uhr