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Das Kreuzfahrtschiff "Mein Schiff 3" liegt Anfang Mai 2020 im Hafen von Cuxhaven. | Bildquelle: dpa

Hoffen aufs Comeback der Traumschiffe

Kreuzfahrt-Branche

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Die Bilder von Kreuzfahrtschiffen, die als bewegliche Quarantäne-Zonen auf dem Ozean schwimmen, sind haften geblieben. Die gesamte Branche galt in den Hochzeiten des Pandemie-Lockdowns geschlossen als Pleitekandidat. Tatsächlich scheint sich gerade ein Comeback abzuzeichnen, denn die Nachfrage ist vorhanden.

Wenn eines der riesigen Kreuzfahrtschiffe zum Halten kommen will, braucht es Kilometer, bis es sanft ausgleitet. Für die Branche ist die Corona-Pandemie dagegen wie ein voller Stopp und das Fahren gegen eine Mauer. Seit Mitte März steht praktisch die gesamte Industrie still.

Dabei kannte man jahrelang nur Jubelmeldungen, das Wachstum war so gigantisch wie die modernen Mega-Schiffe, die zum Teil mehr als 6.000 Passagiere transportieren. Kreuzfahrten sind längst kein exklusives Vergnügen für Oberschichten und solvente Ruheständler mehr sondern ein Massenmarkt. Und die Masse bekommt auf Traumschiffen, was sie sich erträumt.

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Das größte Kreuzfahrtschiff der Welt "Symphony of the Seas" mit 4000 Passagieren an Bord verlässt Miami

Für den kurzweiligen Aufenthalt bieten die Schiffe alle Arten von Zerstreuung an: Entertainmentprogramme, Kasinos und Kinos halten die Gäste bei Laune, man flaniert von Bar zu Bar, gleich mehrere Restaurants auf vielen Decks warten auf Gäste, auf Shoppingmeilen versorgen sich die Passagiere mit Kauferlebnissen, in Fitnessräumen, Pools und an Kletterwänden wird der Bedarf nach Bewegung gestillt. Die im Schnitt in Deutschland rund 50-jährigen Kreuzfahrer können an Deck herumlungern und das meditative Hintergrundrauschen des Meeres auf sich wirken lassen.

Gigantisches Wachstum

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Kreuzfahrtpassagiere weltweit

Dass die Branche vieles richtig macht, zeigen die wirtschaftlichen Daten. Der Deutsche Reiseverband (DRV) teilt mit, dass die Passagierzahlen seit 2014 auf Schiffen weltweit um 36 Prozent gestiegen sind. Im vergangenen Jahr gingen 3,1 Millionen Deutsche auf Hochsee- und Flusskreuzfahrten. Im Jahr 2010 waren es noch 1,7 Millionen Passagiere. Der internationale Verband CLIA (Cruise Lines International Association) hatte in diesem Jahr mit 32 Millionen Passagieren weltweit gerechnet.

CLIA beziffert den Gesamtbeitrag, der direkt und indirekt mit der Industrie zusammenhängenden globalen Leistung mit 150 Milliarden Dollar. Rund 1,2 Millionen Jobs hängen am Markt, der von den drei größten börsennotierten Unternehmen Carnival, Royal Caribbean und Norwegian Cruise Line dominiert wird.

Auf der To-do-Liste ganz hinten

Dann kam die Pandemie und ein beispielloser Absturz - keine Einnahmen, riesige Kosten, die Unternehmen verbrennen monatlich hunderte von Millionen Dollar. Viele Experten halten die Kreuzfahrer für den am härtesten getroffenen Unternehmenszweig, Pleiten gelten als sicher, Stellen werden abgebaut. Und die kommenden Geschäftszahlen des zweiten Quartals, das vollständig von der Corona-Krise überschattet ist, dürften sich gruselig lesen.

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Kreuzfahrtschiff Carnival Glory von Carnival Cruise Line: Der saudische Staastfonds verdient bald mit - vielleicht

Gleichwohl gibt es die Chance, dass die Industrie die Krise verkraften wird. Das sehen auch wichtige Investoren so. Als der Staatsfonds von Saudi Arabien Anfang April beim angeschlagenen Kreuzfahrtkonzern Carnival einstieg, galt das als Vertrauenssymbol für die gesamte Branche. Zuletzt sendeten die Aktien auch wieder Lebenszeichen und legten zu.

Aber kehren die Reisenden zurück? Die Bilder werden alle noch vor Augen haben: Häfen machten dicht, auf den Schiffen starben Menschen in Quarantäne - ein Horrorszenario. James Hardiman, Experte beim Finanzdienstleister Wedbush rechnet deshalb vorerst nicht damit: "Kreuzfahrten stehen bei den Kunden vermutlich als Allerletztes auf der Liste, was das Risiko und die Notwendigkeit betrifft."

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2021: Odyssee auf den Weltmeeren?

Aber die Branche könnte davon profitieren, dass viele Passagiere ihre früheren, fröhlicheren Reiseerfahrungen wiederholen möchten. Laut CLIA-Daten wollen 82 Prozent der Passagiere als nächste Reise wieder eine Kreuzfahrt wählen. Das war zwar vor Corona, aber dass die Basis so breit ist, wird helfen.

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Ah, Venedig: Indiana Jones nahm einst den Weg durch die Katakomben, moderne Kreuzfahrer kommen per Schiff

Das sieht auch Arnold Donald, Vorstandsvorsitzender von Carnival, so: Es sei ermutigend zu sehen, dass lediglich 38 Prozent der Gäste, die von den Absagen der Kreuzfahrten betroffen waren, ihr Geld zurück verlangt haben. "Unsere Buchungstrends für die erste Hälfte 2021 bewegen sich im historisch gewohnten Rahmen."

Die Branche werde stärker denn je zurückkehren, heißt es aus der Kreuzfahrtindustrie. Aber auch unabhängigere Marktbeobachter verbreiten Zuversicht. Die Experten der Schweizer Großbank UBS sehen derzeit steigende Buchungen im Vergleich zum Vorjahr - allerdings sind darin die Neubuchungen von Kunden enthalten, die ihre Reisen virusbedingt nicht antreten konnten.

Kein Händeschütteln mit dem Kapitän

Alle drei großen Player setzen den Corona-Lockdown mindestens bis zum 31. Juli fort. Es ist durchaus möglich, dass ab dem 1. August die Aktivitäten langsam wieder aufgenommen werden. Richard Fain, Vorstandschef von Royal Caribbean, teilte via CNBC zwar mit, man sei sich nicht sicher, ob man an diesem Tag wieder starte. "Wir kommen nicht zurück, ehe wir alles getan haben, um die Sicherheit unserer Gäste und der Crew zu gewährleisten." Aber die Vorbereitungen laufen.

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Coronainfizierter wird in Fort Lauderdale von Bord eines Kreuzfahrtschiffes gebracht

Eines ist jedoch gewiss: Das Erlebnis Kreuzfahrt wird sich verändern. Von vielen liebgewonnenen Gewohnheiten müssen sich die Reisenden verabschieden. Denn dass auch über den 1. August hinaus das Thema "Social Distancing" auf der Tagesordnung bleibt, kann vorausgesetzt werden, insbesondere in einem letztlich abgeschlossen Raum - selbst wenn er groß wie ein Traumschiff ist.

Buffets werden gestrichen, in den Bars, Kinos, Restaurants und Fitnessstudios wird man Abstand halten müssen, medizinische Versorgung sowie Vorräte müssen für den schlimmsten Fall eingerichtet sein. Landgänge werden kaum in gewohnter Weise geboten und vom Handshake mit dem Kapitän dürfen Reisende nur träumen. In den riesigen Räumen wird man viel Platz haben, denn eine volle Auslastung ist undenkbar, die Umsätze werden schrumpfen.

Das ist für Gäste, Crew und Unternehmen immer noch besser, als wenn ein weiteres Mal aus Traumschiffen zur See fahrende Quarantäne-Zonen werden.

Quelle: boerse.ard.de