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Webasto.© Lino Mirgeler/picture alliance/dpa
Rückblick

Webasto und die Patientin null

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Rund vier Monate nach dem ersten Ausbruch in Deutschland blickt der bayerische Autozulieferer zurück darauf, wie alles begann.

Der Mundschutz von Holger Engelmann hängt zum besseren Sprechen vor der Kamera um seinen Hals. Seine Pressesprecherin steht in einigem Abstand zu ihm. „Es war eher positiv, dass es uns so früh erwischt hat“, sagt der Chef des Autozulieferers Webasto aus Stockdorf bei München. Er spricht vom ersten Corona-Fall Deutschlands, den eine Mitarbeiterin aus China als Patientin null Ende Januar nach Deutschland eingeschleppt hat.

„Wir sind offen und transparent gewesen, haben proaktiv Infektionsketten aufgespürt und sie gestoppt“, erzählt der Firmenchef. Dadurch konnte der Webasto-Ausbruch eingedämmt werden. In Deutschland Fuß gefasst hat das Coronavirus durch rückkehrende Italienurlauber oder Folgeausbrüche im Karneval.

Webasto hatte davor nicht gewartet, bis Gesundheitsämter das Verfolgen von Infektionsketten übernahmen. „Wir haben Infizierte selbst angerufen und ihre Kontakte im Betrieb getestet“, schildert Engelmann die damalige Lage. „Wir haben zum Teil auch Glück gehabt“, räumt der Manager ein. Er erinnert sich, persönlich unwissentlich einem Infizierten die Hand geschüttelt zu haben. „Ich habe mich aber nicht angesteckt“, weiß Engelmann heute.

Ein Webasto-Mitarbeiter in der Kantine hatte weniger Glück. Er saß Rücken an Rücken mit einem Corona-Infizierten. Als der sich dann umgedreht hat, um ihm einen Salzstreuer zu reichen, ist das Virus übergesprungen. Das weiß man, seit Wissenschaftler den Fall Webasto jüngst genau unter die Lupe genommen haben, um daraus zu lernen. Gelernt hat auch das global tätige Familienunternehmen selbst mit weltweit 14 000 Beschäftigten. Man habe die Erfahrungen aus der Stockdorfer Zentrale auf alle gut 50 Standorte übertragen, Hygienevorschriften überall ausgerollt und so die eigene Produktionsfähigkeit gesichert, sagt Engelmann. Das gesammelte eigene Corona-Wissen wurde zudem der heimischen Autoindustrie in Form eines Handbuchs online zur Verfügung gestellt und hundertfach abgerufen. Überschüssige Schutzkleidung hat Webasto Krankenhäusern gespendet.

Mittlerweile seien alle Corona-Infizierten im eigenen Betrieb wieder gesund, freut sich Engelmann. Die zeitweise geschlossene Stockdorfer Zentrale nebst angeschlossener Entwicklungsabteilung läuft wieder.

„Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen“, findet der Webasto-Chef. Ökonomisch werde 2020 dennoch kein gutes Jahr. Das Auftaktquartal des 2019 rund 3,7 Milliarden Euro umsetzenden Anbieters von Schiebe- und Faltdächern sowie Heiz- und Batteriesystemen hat rote Zahlen und ein Fünftel Erlösrückgang gebracht. Aber in China sei man im Mai und mit den Juni-Plänen schon wieder nah an ursprünglichen Budgets, sagt Engelmann. Wenn es dort zu keiner zweiten Infektionswelle kommt, könne man bis Jahresende aus dem Schlimmsten wieder raus sein.

Thomas Magenheim-Hörmann

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