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Polizisten stehen auf dem Gelände der Bilal Moschee in Frankfurt am Main an ihren Fahrzeugen. | Bildquelle: dpa

Fast 180 Islamisten abgeschoben

Terrorabwehr seit 2016

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Nach dem Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz 2016 hat die Bundesregierung den Druck erhöht, um Islamisten abzuschieben. Seitdem verließen fast 180 Islamisten Deutschland.

Manchmal muss die Kanzlerin nachhelfen. Und so hatte Angela Merkel bei Staatsbesuchen in Nordafrika in den vergangenen Jahren ungewöhnliche Listen dabei. Darauf standen die Namen von tunesischen oder algerischen Islamisten, die in Deutschland lebten und denen die hiesigen Sicherheitsbehörden jederzeit einen Anschlag zutrauten - und die deshalb in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden sollten. Die Kanzlerin legte ihren Gesprächspartnern bei den Reisen nahe, sie sollten diese Staatsbürger doch bitte zurücknehmen.

Nach dem Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz im Dezember 2016 mit zwölf Toten wurde die Rückführung der radikalislamischen Gefährder gewissermaßen zur Chefsache. Den Attentäter Anis Amri hatten die Behörden trotz eines abgelehnten Asylantrags und mehrerer Straftaten nicht nach Tunesien abgeschoben, auch weil die tunesischen Behörden nicht die notwendigen Papiere ausstellten.

Bereits zwölf Abschiebungen in diesem Jahr

Inzwischen erhöhte sich die Zahl der Islamisten deutlich, die Deutschland verlassen mussten. Nach Informationen von WDR und "Süddeutscher Zeitung" wurden seit dem Breitscheidplatz-Attentat 177 Personen aus dem islamistischen Spektrum in ihre Herkunftsländer abgeschoben oder gemäß der Dublin-III-Verordnung in EU-Staaten überstellt.

59 Abschiebungen fanden im Jahr 2019 statt, zwölf weitere gab es bereits im laufenden Jahr 2020, wie ein Sprecher des Bundesinnenministeriums auf Nachfrage mitteilte. Zu den Ländern, in die Islamisten zurückgeführt wurden, gehören Afghanistan, Ägypten, Algerien, Tunesien, Türkei, Marokko, Libanon, Irak, Pakistan, Litauen, Russland, Serbien, Italien, Dänemark, Schweden, Somalia, Sri Lanka und Tadschikistan.

Arbeitsgruppe der Sicherheitsbehörden zu Abschiebungen

Im Gemeinsamen Terrorismus-Abwehrzentrum (GTAZ) in Berlin kommen regelmäßig Vertreter der Sicherheitsbehörden aus Bund und Ländern zu Besprechungen zusammen, um sich über die Gefährdungslage des islamistischen Terrorismus auszutauschen. In der eigens eingerichteten Arbeitsgruppe (AG) "Status" werden aufenthaltsrechtliche Aspekte diskutiert und Abschiebungen von Islamisten vorangetrieben, die über keine deutsche Staatsbürgerschaft und keinen Asylstatus verfügen.

Seit einigen Jahren schon gibt es ein Gesetz, das die Abschiebung von gefährlichen Personen ermöglichen soll. Der Paragraf 58a Aufenthaltsgesetz, der nach Terroranschlägen vom 11. September 2001 geschaffen wurde, erlaubt es, Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit abzuschieben, wenn von ihnen nachweislich eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit der Bundesrepublik ausgeht.

 Juristische Hürden für Gefährder-Abschiebung hoch

Dieser sogenannte "Gefährder-Paragraf" war allerdings kaum angewendet worden, weil die juristischen Hürden als zu hoch galten. Tatsächlich sind Abschiebungen mithilfe des Paragrafen 58a bis heute eher die Ausnahme. Denn es gilt als sehr schwierig, die Gefährlichkeit von Personen gerichtsfest nachzuweisen.

Erst im Januar urteilte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zugunsten eines türkischen Staatsbürgers aus Göttingen. Die niedersächsischen Behörden halten den Mann für einen Islamisten und wollen ihn abschieben. Das Gericht aber sah keine ausreichenden Belege dafür, dass von dem Türken eine besondere Gefahr ausgeht und lehnte eine Abschiebung daher ab. Nun wollen die Behörden andere Gesetze nutzen, um den Mann doch noch in die Türkei abschieben zu können.

 Mehr als 600 islamistische Gefährder

Die meisten Abschiebungen von Islamisten gelingen weiterhin durch die üblichen Regelungen des Aufenthaltsrechts, oft weil die Personen auch Straftaten verübt und Gefängnisstrafen verbüßt haben - und weil sich die Herkunftsländer nach einigem diplomatischem Druck bereit erklären, die Staatsbürger zurückzunehmen.

Mehr als 600 Personen gelten derzeit laut Bundeskriminalamt (BKA) als "Gefährder" im Bereich islamistischer Terrorismus. Weitere rund 500 Islamisten sind als "relevante Personen" eingestuft. Dabei handelt es sich um Unterstützer oder auch radikale Prediger. Ein Großteil dieser Personen besitzt die deutsche Staatsbürgerschaft und kann daher nicht abgeschoben werden.