Autoindustrie

Renaults Interimschefin Clotilde Delbos hat sich in der Krise bewiesen

Clotilde Delbos wirkte anfangs unscheinbar, hat als Nachfolgerin von Thierry Bolloré aber schnell an Format gewonnen. Auch in Zukunft wird sie eine wichtige Rolle spielen.

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Clotilde Delbos

Die Managerin ist die erste Chefin eines großen Automobilkonzerns in Europa.(Foto: Reuters)

Paris. Manche Leute scheitern an ihren Aufgaben, andere wachsen daran. Clotilde Delbos gehört zur zweiten Spezies. Seit fünf Monaten steht sie an der Spitze von Renault. Die 57-Jährige ist neben Mary Barra weltweit die einzige Frau, die einen Autokonzern führt. Und in dem knappen halben Jahr ist sie regelrecht aufgeblüht.

Wirkte Delbos anfangs so, als fremdele sie mit der eigenen Rolle und wolle am liebsten schnell wieder aus dem Rampenlicht verschwinden, tritt sie mittlerweile ebenso selbstbewusst wie elegant auf. In der abgelaufenen Woche hat sie das gleich zweimal bewiesen: am Mittwoch bei der Pressekonferenz der Allianz Renault-Nissan-Mitsubishi, am Freitag bei der Vorstellung des Sanierungsplans für den französischen Autohersteller. Neben Verwaltungsratschef Jean-Dominique Senard stehend, gab sie flüssig und auf den Punkt gebracht Auskunft über alle Aspekte der Schrumpfkur, mit der Renault wieder gesunden will.

Senard redete über die großen Linien, Delbos steuerte neben der allgemeinen Marschrichtung alle Details bei. „Wir haben lange nur danach getrachtet, den Absatz zu steigern und dabei die Rentabilität vernachlässigt, heute zahlen wir die Zeche dafür.“ So fasste sie die Fehler der Ära des früheren Chefs Carlos Ghosn treffend zusammen.

Eine Diagnose, die auch sie selbst trifft. Denn bereits seit sechs Jahren ist sie Finanzchefin von Renault. Die fatalen Konsequenzen der Ghosn-Strategie hätten ihr als Erste auffallen müssen.

Doch der Veraltungsrat kreidete ihr das offenbar nicht an. Im Gegenteil: Als Ghosn-Nachfolger Thierry Bolloré nach nur wenigen Monaten im Amt des Renault-CEOs wieder abgelöst wurde, weil er als führungsschwach galt und sich nicht mit Senard verstand, betrauten die Aufseher Delbos mit der Aufgabe.

Das mag auch daran liegen, dass der Verwaltungsrat selbst nichts getan hat, um Ghosns Träume von der Allianz Renault-Nissan als größtem Autobauer der Welt auf ihre Konsequenzen hin abzuklopfen. Solange Ghosn im Amt war, hatten Kritiker keine Chance.

Harter Sanierungs-Job

Auch Delbos beugte sich dem Alleinherrscher, was nicht bedeutet, dass sie naiv wäre. „Sie war schon als Finanzchefin cash“ sagen ihre Mitarbeiter. „Cash“ ist der Begriff, den Franzosen verwenden, wenn sie jemanden als schnörkellos und direkt beschreiben wollen.

Ihre Aufgabe als CEO galt von vornherein als befristet, Renault suchte als dauerhafte Lösung eine andere Person und fand sie in Luca de Meo, dem früheren Chef von Seat. Weil Volkswagen darauf bestand, dass der Italiener erst Anfang Juli antreten darf, die Entscheidungen aber nicht warten konnten, hat Delbos den harten Job der Sanierung übernehmen müssen – an der Seite von Senard.

Der überhäufte sie am Freitag mit Lob: „Clotilde macht unglaublich gute Arbeit, der Verwaltungsrat ist äußerst zufrieden mit dem, was sie und ihre Mannschaft in den vergangenen Monaten geleistet haben.“

Auch nachdem de Meo als CEO im Amt sein wird, behält Delbos eine wichtige Rolle: Sie wird die Stellvertreterin des Italieners und soll in dieser Funktion mit ihm gemeinsam die Zukunft von Renault nach der Sanierung gestalten.

Dazu gehört vor allem die Überlegung, mit welcher Modellpalette der Hersteller künftig antreten will: Sie dürfte deutlich kleiner ausfallen als die heutige.

Delbos hat ihr Diplom an der Wirtschaftshochschule EM Lyon gemacht. Sie arbeitete in Kalifornien und Paris, bei Pricewaterhouse-Coopers, beim Aluminiumspezialisten Constellium (Ex-Pechiney) im Finanzbereich und ist seit 2012 bei Renault. Anders als manch andere Topmanager der Autoindustrie hat sie also nicht den größten Teil ihrer Karriere in der Branche verbracht.

Durchsetzungskraft wird sie in Zukunft brauchen, wenn sie neben de Meo und Senard bestehen will. Der 67-jährige Verwaltungsratschef interpretiert sein Amt ganz anders als viele Leute in vergleichbarer Position, nämlich sehr stark operativ. Er leitet auch das Führungsgremium der Allianz Renault-Nissan-Mitsubishi.

Ihr Rollenverständnis machte Delbos am Freitag deutlich: „Ich werde mich anstrengen, so gut ich kann, Luca de Meo dabei zu unterstützen, die Zukunft unserer Gruppe zu definieren. Außerdem behalte ich meinen Hut als CFO.“ Das klingt bescheiden, beinhaltet aber klar den Anspruch, die Zukunft von Renault mitzugestalten.

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