"Das grenzt an Rufschädigung"

Polter erzwingt Richtigstellung von Union

by
https://apps-cloud.n-tv.de/img/21813590-1590758992000/16-9/750/imago0045643301h.jpg
Wollte die Vorwürfe nicht einfach so stehen lassen: Sebastian Polter.(Foto: imago images/Contrast)

Stürmer Sebastian Polter wehrt sich mithilfe eines Anwalts gegen seinen Klub. Der 1. FC Union Berlin muss eine Mitteilung veröffentlichen, nachdem der Fußball-Bundesligist den Spieler aus dem Kader strich und als "unsolidarisch" bezeichnete. Trotzdem trainiert er weiter mit dem Team.

Einst als Aufstiegs- und Derbyheld gefeiert, nun als Nestbeschmutzer an den Pranger gestellt: Nachdem Sebastian Polter bei seinem "Herzensklub" Union Berlin in Ungnade gefallen war, holte der Stürmer zum juristischen Gegenschlag aus. Die Unruhe kommt zur Unzeit, die Eisernen müssten ihren Fokus vor dem schweren Auswärtsspiel am Sonntag (15.30 Uhr/Sky und im Liveticker bei ntv.de) bei Borussia Mönchengladbach eigentlich auf die sportlich prekäre Lage richten. Gesprochen wird derzeit aber nicht über Punkte, sondern über Polter. Der 29-Jährige erwirkte über seinen Anwalt eine Gegendarstellung zur Klub-Pressemitteilung von Donnerstag, in der der Verzicht des Angreifers für die restlichen Saisonspiele mit "unsolidarischem Verhalten" begründet worden war. Der Bundesligist musste eine Stellungnahme von Polter veröffentlichen, in der er unsolidarisches Verhalten "ausdrücklich" zurückwies.

Wahr sei, dass "wechselseitige Vereinbarungen zur Handhabung des Gehaltes aufgrund der Corona-Pandemie" keine einvernehmliche Lösung herbeigeführt hätten. "Sebastian Polter betont, dass er sich nicht verweigert hat, seinem Herzensverein während der Corona-Pandemie wirtschaftlich entgegenzukommen und zu helfen", hieß es in der Stellungnahme.

Union sah sich wiederum gezwungen, zu dieser Erklärung Stellung zu beziehen. Die über einen Anwalt des Mannschaftsrates ausverhandelte Vereinbarung in Sachen Gehaltsverzicht sei "vom Geschäftsführer Profifußball, allen Trainern, den Betreuern und Spielern unterzeichnet" worden, teilte der Klub mit: "Das Mitglied des Mannschaftsrates Sebastian Polter unterzeichnete die vom Mannschaftsrat vorgelegte Vereinbarung nicht." Am 11. Mai habe Polters Anwalt dem Klub "einen eigenen Entwurf über einen individuellen Beitrag zur Bewältigung der wirtschaftlichen Verluste des Vereins" übersandt. Polters Vorschlag sei abgelehnt worden, "da er eine erhebliche, unsolidarische finanzielle Verbesserung gegenüber seinen Mitspielern, Betreuern und Trainern bedeuten würde".

Pressemitteilung ist "inakzeptabel"

Union-Präsident Dirk Zingler, der am Donnerstag nochmal ein persönliches Gespräch mit Polter führte, bezeichnete das Verhalten des Profis "nicht nachvollziehbar und sehr enttäuschend". Polters Anwalt Gregor Reiter kritisierte derweil die seiner Meinung nach "ehrabschneidende" und "inakzeptable" Pressemitteilung des Klubs, die Polters berufliche Karriere gefährden könne: "Das grenzt an Rufschädigung." Trainer Urs Fischer erläuterte, er sei in die Entscheidung "natürlich involviert" gewesen. "Sie hat aber nichts mit der sportlichen Einschätzung von Sebastian Polter zu tun", betonte Fischer.

Bei Union gehört Polter ab sofort nicht mehr zum Spieltagskader, um den Zusammenhalt im Team und Klub sowie die sportlichen Ziele "nicht zu gefährden". Es stellt sich allerdings die Frage, warum dann Polter weiterhin mit der Mannschaft trainieren darf. Sehr wahrscheinlich gibt es arbeitsrechtlich keine Handhabe, wenn sich ein Spieler - aus welchen Gründen auch immer - gegen eine solidarische Vereinbarung entscheidet. Die Unruhe kommt zur Unzeit, schließlich steckt Union nach einer starken Hinrunde inzwischen tief im Abstiegsstrudel fest. Bei einer nicht unwahrscheinlichen Niederlage in Mönchengladbach könnte der augenblickliche Vier-Punkte-Vorsprung auf den Relegationsrang 16 weiter schmilzen.

Die Wege von Polter, vor einem halben Jahr umjubelter Siegtorschütze beim 1:0-Hinspielsieg gegen Stadtrivale Hertha BSC, und Union hätten sich am Ende der Saison ohnehin getrennt. Der hoch dotierte und Ende Juni auslaufende Vertrag wäre auch ohne die aktuelle Problematik nicht verlängert worden. Polter, der 2017 von den Queens Park Rangers für die damalige Rekord-Ablöse von 1,6 Millionen Euro an die Alte Försterei zurückgekehrt war, kam in dieser Saison nicht über die Rolle des Jokers hinaus.