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Frankreich: Premierminister Edouard Philippe kündigt die umstrittene französische Corona-App "StopCovid" an.© picture alliance/Philippe Lopez/POOL AFP via AP/dpa

Frankreich startet Tracing-App

Sorge um Datenschutz

„StopCovid“ soll flexibler sein als die deutsche Version, doch die Bedenken in Sachen Datenschutz sind groß.

Die beiden französischen Parlamentskammern haben in der Nacht auf Donnerstag grünes Licht für die Operation „StopCovid“ gegeben. So heißt die Tracing-App, die französische Institute und Firmen entwickelt haben; beteiligt war auch das deutsche Fraunhofer-Institut. Ein gesamteuropäisches Vorgehen scheiterte allerdings an den unterschiedlichen Vorstellungen: Deutschland wählt zum Beispiel einen dezentralen Ansatz, bei dem die Daten nur auf dem jeweiligen Smartphone gespeichert werden.

Frankreich bevorzugte nicht ganz überraschend ein System mit einem zentralen Server. Es kann durch die Epidemiologen fortlaufend weiterentwickelt werden und Daten speichern, „um den Warn-Algorithmus zu trainieren“, wie das deutsche Digitalmagazin „t3n“ festhält.

Frankreich setzt Tracing-App „StopCovid“ ein

Die zentrale Erfassung wirft allerdings ein grundrechtliches Problem auf: Wer garantiert, dass die Daten nicht in die Hände der Staatssicherheit gelangen, wie es in China höchstwahrscheinlich der Fall ist?* Der französische Innenminister Christoph Castaner hatte noch Ende März erklärt, eine solche Warn-App sei „nicht in unserer Kultur“. Zwei Monate später hat sich der Diskurs komplett geändert, was die Datenschützer umso skeptischer macht.

Oppositionspolitiker wie der Linke Jean-Luc Mélenchon bezeichnet die StopCovid-App als „freiheitsraubend“. Die Rechtspopulistin Marine Le Pen wirft der Regierung von Präsident Emmanuel Macron vor, er lanciere das „Gadget“ StopCovid nur, um davon abzulenken, dass er bei der Beschaffung von Covid-Tests und Schutzmasken kläglich versagt habe. Digitalminister Cédric O hält dagegen, diese App könne „Kranke und Tote retten“.

Warnung vor Corona-Infizierten: So soll die „StopCovid“-App in Frankreich funktionieren

In der Nationalversammlung stimmten 338 Abgeordnete für den Einsatz der App, bei 215 Gegenstimmen und 21 Enthaltungen. Im Senat wurde die Anwendung mit 186 Stimmen gebilligt, es gab dort 127 Nein-Stimmen und 29 Enthaltungen.

Praktisch funktioniert sie so: Eine covidinfizierte Person, die von einem Arzt als solche erkannt und bestätigt worden ist, lädt die App StopCovid auf ihr Handy. Wer die gleiche App hat und sich eine Viertelstunde lang näher als einen Meter bei dieser Person aufhält, wird durch ein Bluetooth-Signal auf seinem eigenen Smartphone gewarnt. Das geschieht völlig anonym, das heißt, ohne zu wissen, von wem der Alarm ausgeht.

Frankreich: Corona-Warn-App bei Datenschützern umstritten

Voraussetzung ist, dass beide Personen die App heruntergeladen, ihr Smartphone angestellt haben und dazu auch über Bluetooth verbunden sind. Die Beteiligung ist auch für Infizierte freiwillig; eine Standortlokalisierung findet nicht statt.

Ein typischer Anwendungsfall ist eine Zugfahrt oder ein Flug. Kritische Virologen haben allerdings ausgerechnet, dass in der aktuellen Auslaufphase selbst in einem dicht besetzten Vorortzug im Schnitt nur eine Person Virusträger wäre. Eine Ortung pro Zugfahrt genüge, wenden die Befürworter der App ein. 23 Prozent der Franzosen haben allerdings gar kein Smartphone. Und gerade in einem Land, wo es schon Aggressionen gegen Covid-19-Infizierte gab, gilt es als unsicher, ob letztere bereit sind, ein App-Signal auszusenden. Falls sie nicht längst in Quarantäne sind und überhaupt noch den Zug nehmen.

Corona-App startet in Frankreich - Sorge um Datenschutz

Auch müssen sie dem Datenschutz des Zentralstaates trauen, was in Frankreich keineswegs selbstverständlich ist. Auch Tech-Konzerne wie Apple sind keineswegs über alle Zweifel erhaben, zumal sie die Kooperation mit den französischen App-Kreateuren scheuten. In Paris denken viele an das abschreckende Beispiel des Beratungsunternehmens Cambridge Analytika, das persönliche Facebook-Daten für die Pro-Brexit-Kampagne missbraucht hatte.

Frankreichs Digitalminister Cédric O verweist hingegen auf eine Meinungsumfrage, laut der 62 Prozent der Franzosen bereit sein sollen, die StopCovid-App herunterzuladen. Bei einer Beteiligung von mehr als 60 Prozent kann die App laut Experten Sinn ergeben. Vorgesehen ist, dass auch Reisende von außerhalb Frankreichs und Grenzgänger die App herunterladen können. 

Von Stefan Brändle (mit afp)

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