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Arbeiten am Kreuz.© Britta Pedersen/dpa-Zentralbild
Times Mager

Kuppelkreuz

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Janz kolossal: Um das Berliner Stadtschloss als Hohenzollern-Neoresidenz perfekt zu machen, wurde ihr ein Kreuz aufgepflanzt.

Dass zur Heimholung des Berliner Stadtschlosses eines Tages auch ein Kuppelkreuz gehören sollte, war so von Anfang an nicht klar, wie so manches nicht, das man sich vor vielen, vielen Jahren eigentlich überhaupt nicht vorstellen konnte, angefangen mit einem Nagelneubau. Der Weg hin zu einer solchen Entscheidung für ein Stadtschloss wurde an dieser Stelle vor 25 Jahren ironisch besungen: „Ein Schloss wird kommen“. Es gab sehr, sehr viele Menschen, die das weder glauben noch ein Schloss wollten, doch sich damit abfinden mussten, denn, so begann der Artikel: „Der Kanzler der Bundesrepublik Deutschland möchte das alte Berliner Stadtschloss (1700–1950) wiederhaben, aber das mit der Hohenzollern-Anmutung.“ (FR v. 18.11.1995).

So wie von Helmut Kohl gewünscht kam es. Vehementer noch als Kohl aber war es Gerhard Schröder, der die Stadtschlossfrage zur Staatsschlosssache erklärte. Kaum Kanzler, meinte der Sozialdemokrat, der Neubau der Hohenzollernresidenz sei geeignet, „dem Volke was für die Seele“ zu geben. Und tatsächlich, die Stadtschlossbegeisterung war so wenig zu überhören wie die nationale Selbsterregung.

Auf dem rot-grünen Dienstweg wurde Geschichtspolitik betrieben, wie sie seit den 1820er Jahren bereits in unmittelbarer Nähe des Schlosses vorgedacht wurde, an der Berliner Universität. Nun, mit dem Bundestagsbeschluss im Juli 2002, so der Kommentar damals, über den Tag hinaus, sollte in einer Hohenzollernanmutung der Geist Preußens an und für sich zu sich kommen. Die Stadtschlossidee war also von Anfang an ein janz kolossales geschichtspolitisches Projekt.

Das Kreuz, das gestern der Kuppel des Berliner Stadtschlosses aufgesetzt werden sollte, krönt diese Strategie. Allerdings wird mit dem Kreuz auf einem nicht christlichen Bauwerk (wo es hingehört), sondern einem profanen Neubau (wo es nicht hingehört), erneut eine aggressive Etappe der fatalen Verbindung von preußischem Staat und protestantischer Kirche nachträglich, nun ja, abgesegnet. Was bestätigt, dass es bei dem Comeback des Stadtschlosses nie um so etwas wie eine neutrale Rekonstruktion ging. Vielmehr um die Repatriierung dessen, was an dieser Stelle bereits prophezeit wurde als ein „innerweltlicher Heilsplan“ (FR v. 4.7.2002).

Diesem Heilsplan ist nicht nur jedes ideologische Mittel recht, sondern auch der abgeschmackte Kompromiss. Denn im Grunde behandelt dieser Plan das Kreuz wie Nippes. Dem Humboldtforum wurde eine triviale Pickelhaube(ngesinnung) aufgepflanzt. Dem Humboldtforum? Es wurde von der Hohenzollern-Neoresidenz, das ist nun wirklich die Krönung, weithin sichtbar kolonialisiert.