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Mit seiner Tochter, der Regisseurin Alison Eastwood bei der Premiere von „The Mule“, 2018.© AFP
US-Kino

Clint Eastwood wird 90: Der letzte Maverick

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Dem Schauspieler und Regisseur Clint Eastwood zum Geburtstag, den er auch wieder nur sehr ungern feiern wird.

Dad mag keine Geburtstage“, sagte Scott Eastwood diese Tage der Netzseite „Access Hollywood“. „Wir machen nur das Übliche mit der Familie, sehr ruhig und besinnlich.“ Das werde auch an diesem Sonntag, Clint Eastwoods 90., nicht anders sein.

Auch in Eastwoods Filmen, den rund siebzig Schauspielerrollen und 41 Regiearbeiten, wimmelt es nicht gerade von Männern, die sich selber feiern. Es sind die bescheidenen Helden, denen seine Bewunderung sicher ist. Männer wie der Pilot Chelsey „Sully“ Sullenberger, dem 2009 eine spektakuläre Notlandung im New Yorker Hudson River gelang. Oder die drei amerikanischen Touristen, die 2015 in einem Thalys-Zug einen islamistischen Attentäter überwältigten. Oder der nicht unbedingt vertrauenserweckende Wachmann, dem er seinen jüngsten Film „Der Fall Richard Jewell“ gewidmet hat.

Nach einer Bombendrohung während der Olympischen Spiele 1996 in Atlanta findet der übereifrige Waffennarr einen verdächtigen Rucksack und evakuiert einen Veranstaltungsort. Sein Medienruhm freilich verblasst nach wenigen Tagen, als er verdächtigt wird, den Vorfall aus Geltungssucht fingiert zu haben. Eigentlich hatte das Drama am 19. März in die deutschen Kinos kommen sollen, wegen der Corvid-19-Pandemie wurde der Start auf unbestimmte Zeit verschoben. Ob es dazu noch kommt, ist fraglich: In den USA ein Flop, macht es dieser Film Eastwood-Fans aus dem liberalen Lager besonders schwer, ihm die Treue zu halten: Der fanatische Ordnungshüter ist alles andere als eine konsensfähige Figur. Es dauert lange in diesem überlangen Film, bis auch dieses provozierende Porträt eines typischen Vertreters eines volkstümlichen Konservatismus eine überraschende Vielfarbigkeit gewinnt.

Garantie gibt es für Toaster

Misserfolge lassen Eastwood im Allgemeinen kalt. Berühmt ist sein Satz: „Wenn Sie eine Garantie haben wollen, kaufen Sie sich einen Toaster.“ In seinem unverkennbaren Stil, mischt sich die Handwerklichkeit des alten Studiokinos mit kompromissloser Autorenschaft. Er gehört zu den letzten Überlebenden dieser so prägenden Periode der Filmgeschichte.

Er war Tankwart, als er nach einer Serie von Aushilfsjobs ein Angebot zu Probeaufnahmen erhielt. Das war Mitte der fünfziger Jahre, und der Spätherbst des alten Hollywood war angebrochen. Im Sattel der Westernserie „Rawhide“ startete er durch, bald kannte ihn jedes Kind. 217 Episoden entstanden zwischen 1958 und 1965. Eine davon sah der Italiener Sergio Leone.

Der Regie-Ästhet hatte einen anderen Blick auf den Western als die Amerikaner. In Eastwoods unrasierter Männlichkeit sah er eine Alternative zu den blauäugigen „leading men“ Steve McQueen und Paul Newman. Er sah den stechenden Blick des Einzelgängers unter den dunklen Augenbrauen, der wie die grafische Verdichtung einer vergangenen Idee vom wilden Westen anmutete. Für Leone besaß sie die Wahrhaftigkeit eines Mythos. So reell wie dessen zeitlosen Werte: Eine Handvoll Dollar. Das Gute, das Schlechte oder das Hässliche. Während das Genre in Amerika zum gesitteten Edelwestern heranreifte und schließlich pensioniert wurde, erlebte es in Italien eine Wiedergeburt. Rau, unbändig, brutal aber von einem Formwillen getragen, der in den Schatten die Schönheit sah. Clint Eastwood war der schönste dieser Schatten. Sein Gesicht ist inzwischen so glorreich gealtert wie vor ihm nur das von Gary Cooper, des Helden von „High Noon“. Falten haben es nur noch schattiger und schöner gemacht.

Tatsächlich beerbte Eastwood den Italiener schon zu Lebzeiten als Erneuerer des Western. Schon in seinem ersten selbstinszenierten Beitrag zum aussterbenden Genre, „Ein Fremder ohne Namen“ („High Plains Drifter“) von 1972 fand er zu seinem ureigenen Stil des „dunklen Western“. Für seinen letzten und dunkelsten selbstinszenierten Western, „Erbarmungslos“ („The Unforgiven“), erhielt Eastwood 1993 Oscars als Regisseur und Produzent des „Besten Films“.

Der Republikaner Eastwood kann sich in seinen Filmen für ethnische Minderheiten einsetzen („Gran Torino“) und für frühere Kriegsgegner („Letters from Iwo Jima“), aber auch für die Rache an Straftätern („Blood Work“, „Mystic River“). Vor vier Jahren warb er für Donald Trump, doch damit ist es vorbei. Im „Wall Street Journal“ beklagte er sich über die „widerwärtige“ Politik der USA und forderte, Trump solle sich auf „vornehmere Weise“ verhalten statt zu twittern und die Leute zu beschimpfen.

„Ich glaube“, sagte Eastwood einmal, „ich entwickle mich dahin, derjenige zu sein, der die Filme macht, die sich sonst keiner zu machen traut. Ich bin wirklich kein Pessimist, aber manchmal frage ich mich schon, was für Filme diese Leute in zehn Jahren machen werden, die bei dieser Einstellung bleiben.“