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Ein Bild aus den Zeiten vor Corona: Andrang auf der Buchmesse.© peter-juelich.com
Reaktionen

Frankfurter Buchmesse 2020 findet statt: Verlage reagieren mit Skepsis

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Große Verlagsgruppen sehen eine Buchmesse in Frankfurt unter Corona-Bedingungen kritisch und wollen der Veranstaltung fernbleiben. Sie fürchten vor allem die Ansteckungsgefahr.

Frankfurt – Bei zahllosen Verlagen stößt das Konzept für eine Buchmesse in Frankfurt unter Corona-Bedingungen auf Skepsis und Ablehnung. Die wichtigsten deutschen Verlage werden nicht mit Ständen auf der Messe vertreten sein. Am Nachmittag erklärte der Geschäftsführer der Holtzbrinck-Buchverlage, Alexander Lorbeer, dass seine Gruppe nicht auf das Messegelände kommt. Damit scheiden KiWi, S. Fischer, Droemer Knaur, Rowohlt und Argon aus. Auch Random House und die Bonnier-Gruppe sagen ab. So sind die wichtigsten deutschen Verlagsgruppen im Herbst physisch nicht auf dem Messegelände vertreten.

Frankfurt: Kritik an Buchmesse 2020 – „Ein Stochern im Nebel“ 

Auch kleinere, unabhängige Häuser sagen ab. „Ich halte eine solche Messe für sehr, sehr gefährlich, solange es das Coronavirus gibt“, urteilt Roland Apsel vom renommierten Sachbuchverlag Brandes & Apsel. In der Praxis befürchtet er gerade bei kleinen Ständen Ansteckungsgefahr. Die Besucherinnen und Besucher trügen schließlich „keine Handschuhe und keinen Mundschutz“. Gefährlich sei auch die Präsenz von Verlagen aus Ländern, in denen Corona besonders wüte, wie den USA, Großbritannien, Italien oder Spanien. Die Frankfurter Buchmesse 2020 werde aber trotzdem organisiert, weil die wirtschaftlichen Interessen großer Verlagsgruppen es wollten, so Apsel.

„Für mein Geschäftsmodell ist diese Messe nicht sinnvoll“, sagt Joachim Unseld, der Chef der Frankfurter Verlagsanstalt. Viele Fragen blieben offen: „Es ist ein Stochern im Nebel, wie eine solche Messe aussehen kann.“ Mindestens die Hälfte der sonst üblichen 7000 Aussteller, so seine Einschätzung, werde der Frankfurter Buchmesse im Oktober fernbleiben.

Buchmesse 2020 in Frankfurt: Schaden für guten Ruf befürchtet

Mit den Hygienevorschriften, die große Abstände verlangten, lasse sich schlecht umgehen. Die Buchmesse in Frankfurt lebe vom direkten und intensiven engen Kontakt der Verlagsleute untereinander. Der wirtschaftliche zentrale Rechte- und Lizenzenhandel lasse sich auch virtuell erledigen, argumentiert Unseld, der auch Vorstandsvorsitzender der Stiftung Buchkunst ist, früher den Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Publikumsverlage führte und in der Verlagsszene bestens vernetzt ist.

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Einige Verlage halten eine Buchmesse heuer für gefährlich.  © Frank Rumpenhorst/dpa

Unseld akzeptiert aber auch, „dass es Verlage gibt, für die es ein absolutes Bedürfnis ist, dass die Messe stattfindet“. Auch der einflussreiche Verleger Klaus Schöffling kritisiert die Haltung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, auf einer Frankfurter Buchmesse trotz Corona zu beharren. Es könne dabei nur eine „Rumpfmesse“ herauskommen. Die aber schade dem Ruf der traditionsreichen Veranstaltung vielleicht mehr als eine komplette Absage.

Buchmesse Frankfurt 2020: „Ich gehe da nicht hin“

Er persönlich, so der Inhaber des Schöffling-Verlages, werde der Frankfurter Buchmesse 2020 fernbleiben. „Ich geh da nicht hin.“ Viele der Kolleginnen und Kollegen, mit denen er sich sonst treffe, kämen ohnehin nicht. US-Verlage hätten bereits komplett abgesagt. Der Verlag werde den bereits gebuchten und bezahlten Stand aber besetzen, obwohl Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch gesundheitliche Bedenken hegten. „Das Coronavirus bleibt ja in der Welt.“ Die Frist, um einen Stand gegenüber der Buchmesse noch abzusagen, sei aber bereits „seit Monaten abgelaufen“.

Axel Dielmann, der seit langem in Frankfurt einen kleinen Belletristik- und Sachbuchverlag führt, stellt das Modell einer Präsenzmesse mit Ständen auch unabhängig vom Coronavirus grundsätzlich infrage. Seit geraumer Zeit rechne sich die Anwesenheit auf dem Messegelände für kleine Verlagsunternehmen nicht mehr. Die Werbung im Internet, etwa auf Youtube oder Facebook, gewinne stattdessen immer mehr an Bedeutung. „Wir haben da in letzter Zeit ein richtiges Feuerwerk abgebrannt, wir müssen neue Modelle entwickeln.“

Frankfurt: Auftritt bei Buchmesse zu kostspielig für kleine Verlage

In diesem Jahr aber, durch die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie, könnten sich etliche kleine Verlage einen Auftritt auf er Buchmesse in Frankfurt schlicht nicht mehr leisten. „Vielen geht es krotzig“, weiß Dielmann.

Der Austausch der Verlagsleute untereinander brauche Nähe, genau die aber sei in diesem Jahr nicht möglich. Von vielen Kolleginnen und Kollegen habe er Ähnliches gehört. Sie wollten 2020 nicht zur Buchmesse kommen, vom eingesparten Geld dann „lieber zwei neue Bücher machen“.

Frankfurter Buchmesse 2020 findet statt: „Rechnet sich das?“

Nur Cristina Henrich-Calveram vom kleinen Verlag Henrich Editionen vermag der Nachricht, die Frankfurter Buchmesse finde statt, etwas Gutes abgewinnen. „Ich habe mich gefreut, das zu hören: Es ist ein Zeichen, dass nicht alles den Bach heruntergeht.“ Sie werde im Herbst dabei sein, das sieht Henrich-Calveram als Vertreterin eines Regionalbuchverlages gleichsam als ihre Pflicht an. Aber auch sie stellt die Frage: „Rechnet sich das überhaupt?“ Hier müsse die Buchmesse noch Entgegenkommen zeigen.

Von Claus-Jürgen Göpfert

Die Literaturbeauftragte der Stadt Frankfurt findet es richtig, dass die Buchmesse 2020 stattfindet. Im Interview erklärt sie*, es sei ein wichtiges Lebenszeichen der Branche. Die Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels hatte vor der Entscheidung  für eine Buchmesse 2020 erzählt, es gebe einen „wahnsinnigen Durst“ nach dieser*. 

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