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Der DFB macht Druck: Auch das Mannschaftstraining der Amateurfußballer soll trotz der anhaltenden Corona-Pandemie bald wieder möglich sein.© dpa/Uwe Anspach
Mannschaftstraining ohne Mindestabstand

DFB-Geheimplan: Auch Amateure sollen trotz Corona-Krise wieder richtig Fußballspielen dürfen

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Die Corona-Krise hat gerade den Amateurfußball hart getroffen. Der DFB sieht die Schweiz als Vorbild: Dort darf bald wieder uneingeschränkt gekickt werden.

Frankfurt - Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) drängt vehement darauf, dass seine Amateurklubs das Training weitgehend uneingeschränkt wieder aufnehmen können. Momentan sind die fast 150.000 Mannschaften in knapp 25.000 Vereinen gehalten, sich aufgrund der Corona-Pandemie an strenge Hygieneregeln zu halten, die der DFB den Klubs schriftlich mitgeteilt hat. So dürfen die Spieler sich in den Trainingseinheiten nicht näher als 1,50 Meter kommen. Diese Vorgaben gelten ausdrücklich nicht für Teams der Ersten und Zweiten Bundesliga, der Dritten Liga sowie der Frauen-Bundesliga, sehr wohl aber für alle Amateurvereine.

DFB will sich an Fakten orientieren, die die Realität geschaffen hat – Amateurfußball ohne Mindestabstand

Die strengen Anweisungen des DFB schrecken die meisten Trainer noch davon ab, den Übungsbetrieb aufzunehmen, weil sie der Meinung sind, ein Training unter Einhaltung des Mindestabstandes mache so keinen Sinn. Zudem wollen sie nicht die Haftung dafür übernehmen, dass sich gerade beim Mindestabstand von weniger disziplinierten Kindern und Jugendlichen Spieler anstecken. Zudem sind die traditionell beliebten Zusammenkünfte nach dem Training in der Kabine grundsätzlich verboten, was der allgemeinen Motivation bei Seniorenteams abträglich ist. 

Tatsächlich haben einige Amateurvereine aber dennoch ihren Trainingsbetrieb bereits wieder aufgenommen. Wer sich auf den Plätzen umsieht, kann unschwer erkennen, dass die 1,50-Meter-Maßgabe dabei oftmals nicht eingehalten wird. So hat die Realität bereits Fakten geschaffen, an denen sich der Verband orientieren will. Ein wichtiges Argument sind aus DFB-Sicht auch die aktuell geringen Fallzahlen der an Covid-19 Erkrankten sowie die geringe Ausbreitung.

Furcht beim DFB vor Austritten bei Amateuren aufgrund der Corona-Pandemie wächst

Zumal im Dachverband von mehr als sieben Millionen Mitgliedern die Furcht wächst, dass die Corona-Krise nachhaltig negative Auswirkungen auf die Begeisterung für die Ausübung des aktiven Spielbetriebs hierzulande haben könnte. „Wir müssen uns Sorgen machen um den unermesslichen Schatz: unseren Fußball“, sagte Vize-Präsident Rainer Koch voller Pathos Anfang der Woche beim Außerordentlichen DFB-Bundestag.

„Wir sorgen uns, ob Kinder zurück in unsere Kontaktsportart finden“, ergänzte der einflussreiche Koch und fragte bei der Videokonferenz in die virtuelle Runde: „Wie viele Mitglieder treten aus?“ Die non-verbale Antwort: Je länger die Pause, desto größer der Aderlass. Ohnehin nimmt die Zahl der aktiven Teams im DFB seit geraumer Zeit ab. Die geringen Mitgliederzuwächse erklären sich vor allem durch passive Mitglieder der Bundesligaklubs, die aber überhaupt keine Absicht haben, selber aktiv Fußball zu spielen.

Der DFB hofft nun, dass sich Bundesregierung und Länder am Schweizer Beispiel orientieren. Dort hat der Bundesrat in dieser Woche entschieden, dass zwar „Wettkämpfe in Sportarten mit ständigem, engem Körperkontakt, wie Schwingen, Judo, Boxen oder Paartanz voraussichtlich bis zum 6. Juli 2020 untersagt“ bleiben, jedoch „der Trainingsbetrieb für alle Sportarten ab dem 6. Juni ohne Einschränkung der Gruppengröße wieder erlaubt“ wird. „Dies“, so die Schweizer, „gilt auch für Sportaktivitäten, in denen es zu engem Körperkontakt kommt“. Also auch Fußball, sogar vor bis zu 300 Zuschauern, sofern „die Trainings in beständigen Teams stattfinden und Präsenzlisten geführt werden“.

DFB: Mannschaftstraining steht im Grunde wenig entgegen

Auch vor diesem Hintergrund will der DFB sein Ziel nun in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit der hiesigen Politik erreichen, die einen üblichen Betrieb aufgrund der Abstandsregeln noch verbietet, Der DFB glaubt weitere gute Argumente auf seiner Seite: So hätten Erhebungen der wiederaufgenommenen Bundesligaspiele und einer Studie aus den Niederlanden ergeben, dass die tatsächlich seltenen engen Kontakte auf dem Spielfeld die Wahrscheinlichkeit einer Infizierung als gering erachten lassen, zumal sie an der frischen Luft unter freiem Himmel stattfinden. Im Trainingsbetrieb könnten zudem klassische Gruppenansammlungen wie bei Eckbällen, Mauerbildung bei Freistößen oder Debatten mit dem Schiedsrichter ausgeschlossen werden.

Einem Mannschaftstraining steht nach diesen Erkenntnissen laut Interpretation des DFB im Grunde also wenig entgegen. Im nächsten Schritt soll dann auch der Spielbetrieb diskutiert werden. Dies ist aus DFB-Sicht deshalb besonders wichtig, weil in den Landesverbänden die Pokalsieger und somit Teilnehmer am lukrativen DFB-Pokal der kommenden Saison noch nicht ermittelt worden sind. Der DFB will unbedingt vermeiden, dass über die Landespokalsieger am Grünen Tisch, möglicherweise per Los, entschieden wird. Denn das könnte juristischen Ärger nach sich ziehen.

Sollte der Deutsche Fußball-Bund mit seinem Ansinnen alsbald Erfolg haben, wäre das möglicherweise auch eine Art Befreiungsschlag für den zuletzt arg in die Kritik geratenen Präsidenten Fritz Keller. Dessen fixe Idee, bundesweite Massentestungen in den Fußballvereinen durchzuführen, droht vor allem aus Kostengründen nämlich zu einem respektablen Rohrkrepierer zu werden.

Von Jan Christian Müller