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Stürmte einst für Wolfsburg, diesmal will er den VfL besiegen: der Frankfurter Bas Dost (li.). © Jan Huebner/Pool
Auswärtsspiel beim VfL Wolfsburg

Eintracht Frankfurt: Mit Ruhe gegen das drohende Unheil

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Auch gegen den VfL Wolfsburg will Eintracht Frankfurt wieder mutig Fußball spielen.

Nun hat sich der Frankfurter Trainer Adi Hütter nicht ganz überraschend dafür entschieden, vornehmlich das Positive aus dem wilden Spiel vom Dienstag zu nehmen, dem 3:3 gegen den SC Freiburg. Lange waren sie unentschieden in Frankfurt in der Bewertung, einerseits sprachen die furchtbar vielen Torchancen für eine starke Offensive, andererseits die drei Gegentore bei haushoher Feldüberlegenheit für dramatische Schwächen in der Defensive. Hütter aber fand und sagte dies auch gestern in aller Deutlichkeit: „Wir haben ein sehr, sehr gutes Spiel gemacht.“ Das Glas ist also halbvoll bei der Eintracht, der Mannschaft, die fünf ihrer letzten sechs Spiele verloren hat und fast ungebremst Richtung Keller stürzt. Tatsächlich war die Partie gegen die Breisgauer eine der besseren, ob es freilich schon reicht, um den Endspurt in der Geisterliga unbeschadet zu überstehen, ist höchst ungewiss.

Denn normalerweise sollte eine am Dienstagabend an den Tag gelegte Dominanz mit gut drei Dutzend Schüssen aufs Tor genügen, um drei Punkte und das Spiel zu gewinnen. Und wer selbst nach solch überlegen geführten Partien den Rasen nicht als Sieger verlässt, könnte ein Problem bekommen. Hütter freilich hat sich entschieden, der näheren Zukunft zuversichtlich entgegen zu sehen. „Wir müssen positiv bleiben, das ist meine Aufgabe.“ Dem Boulevard verriet er dieser Tage, dass er trotz eines bedenklichen Negativtrends weiter von sich überzeugt ist. „Wenn ich an mir zweifeln würde, wäre ich nicht der richtige Mann“, sagte der 50-Jährige der „Bild“. Was sollte der Mann auch sonst sagen, etwa, dass er glaube, mit ihm würde Eintracht Frankfurt absteigen?

Stattdessen appelliert der Österreicher an das Gute in der Mannschaft. „Wir haben die Qualität, die notwendigen Punkte zu holen“, sagt er. Und empfahl: „Ruhig bleiben, Souveränität ausstrahlen“. Es helfe ja nichts, die Situation sei eben so wie sie ist. Zwei Zähler trennen die Hessen nur noch vom Relegationsplatz, „dies müssen wir annehmen“, sagt Hütter, der das Wort Abstiegskampf weiterhin nicht in den Mund nehmen mag. Angst vor den nächsten schwierigen Englischen Wochen beschleiche ihn nicht, er habe indes Respekt vor der Aufgabe. Sein Streben gehe dahin, der Mannschaft „Vertrauen, Souveränität und Glauben mitzugeben“, selbst jetzt in dieser prekären Lage, in der es „nicht einwandfrei läuft“.

Problembereich Abwehr

Immerhin habe das letzte Spiel gegen Freiburg gezeigt, dass Eintracht Frankfurt das Heft des Handels wieder in die Hand nimmt, auch wieder konkurrenzfähig ist. Das Aufbauspiel war deutlich verbessert, „unheimlich gute Ballstafetten“ hatte Hütter gesehen, was daran lag, dass Makoto Hasebe und eine Dreierkette aufs Feld zurückgekehrt sind, es war eine Struktur zu erkennen, und es hatte Torchancen in rauen Mengen gegeben. Das sei „das Wichtigste“.

Nicht immer werden die Stürmer André Silva und Bas Dost derart schludrig mit ihren Gelegenheiten umgehen. Gerade für den langen Dost ist die Partie am heutigen Samstag (15.30 Uhr) in Wolfsburg eine besondere, immerhin hat der Niederländer vier Jahre (von 2012 bis 2016) bei den Wölfen verbracht und in 85 Spielen 36 Tore erzielt. In Frankfurt bislang erst fünf, da geht mehr, und irgendwann, da ist sich Hütter sicher, „wird auch bei ihm den Knopf aufgehen“. Im Kern gibt es für den Frankfurter Fußballlehrer auch keinen Anlass, an der Angriffsformation mit zwei Spitzen etwas zu ändern. Denn wenn das Spektakel vom Dienstag etwas gezeigt hat, dann: Es bedarf eines gewissen Muts, um erfolgreich zu sein. Dieser Mut hat Eintracht Frankfurt früher ausgezeichnet, aktiv zu werden, zu attackieren und sich nicht ängstlich rund um den eigenen Strafraum zu versammeln. Dieses offensive Denken war eigentlich auch lange ein Markenzeichen des Trainers Adi Hütter, zuletzt ist das ein bisschen verschütt gegangen.

Das lag natürlich an dem aktuellen Frankfurter Grundproblem, einer extrem löchrigen, instabilen und anfälligen Defensive. 52 Gegentore nach 27 Spieltag sind eine Menge Holz, „viel zu viel“, wie Hütter zurecht findet, 21 in den letzten sechs Spielen, das sind 3,5 pro Spiel, und so viele Tore können die Stürmer vorne gar nicht erzielen wie hinten fallen. „Ob Dreier-, Vierer- oder Fünferkette - wir müssen mit mehr Konsequenz verteidigen“, redet Hütter seinen Spielern ins Gewissen.

Diese Konsequenz in der abwehrenden Abteilung sollte in Wolfsburg unbedingt beherzigt werden. Das von Landsmann Oliver Glasner angeleitete VfL-Team verfüge laut Hütter gerade in der Offensive über „viel Power, viel Punch, viel Wucht“, da müsse man dagegenhalten. Wolfsburg habe eine „tolle Mannschaft, die den Ball gerne dem Gegner überlässt“ und dann aggressiv attackiert. „Wir dürfen nicht den Fehler machen, viel quer zu spielen.“

Immerhin kann Hütter personell – bis auf Goncalo Paciencia, der weiterhin mit einer nicht näher erklärten Muskelverletzung ausfällt – aus dem Vollen schöpfen. Kapitän David Abraham, der zweimal aussetzen musste, dürfte also wieder in der Innenverteidigung spielen und Stefan Ilsanker ersetzen, der wegen seiner fünften Gelben Karte gesperrt ist.

Die Partie in Niedersachsen ist eine wichtige, entscheidende Spiele stehen aber unmittelbar danach an, Spiele, die über Wohl und Wehe Aufschluss geben können: Am Mittwoch im Nachholspiel bei Werder Bremen, am Samstag zu Hause gegen den FSV Mainz. Es sind Endspiele um den Klassenerhalt, denn Punkte gegen direkte Konkurrenz zählen bekanntlich doppelt. Andererseits ist es Hütter egal, woher die Zähler kommen. „Warum sollten wir in Wolfsburg nicht mit einer sehr guten Leistung gewinnen?“