USA
Minneapolis kommt nicht zur Ruhe: Polizist wegen Mordes angeklagt, Bürgermeister verhängt Ausgangssperre
Die Proteste in der US-Großstadt gehen weiter. Journalisten wurden während einer Live-Übertragung festgenommen. Der Hauptverantwortliche für den Tod George Floyds wurde angeklagt.
Minneapolis. Nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd in der US-Großstadt Minneapolis ist einer der an dem brutalen Einsatz beteiligten und inzwischen entlassenen Polizisten wegen Mordes angeklagt worden. Alle notwendigen Beweise lägen nun vor, der Polizist sei festgenommen und werde wegen Mordes und Totschlags angeklagt, sagte der zuständige Bezirksstaatsanwalt Mike Freeman am Freitag bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz. Die Fälle der anderen drei beteiligten Polizisten würden noch untersucht.
So schnell habe seine Behörde in einem vergleichbaren Fall noch nie eine Anklage erhoben, normalerweise dauere das mehrere Monate, sagte Freema. Er räumte ein, dass die Proteste dabei eine Rolle gespielt hätten. „Ich bin nicht unempfindlich demgegenüber, was auf den Straßen passiert.“
Nach schweren Ausschreitungen hat der Bürgermeister von Minneapolis eine Ausgangssperre erlassen. In der Proklamation von Bürgermeister Jacob Frey hieß es, die Ausgangssperre gelte jeweils in der Nacht zu Samstag und Sonntag von 20.00 Uhr (Ortszeit/2.00 Uhr MESZ) bis 6.00 Uhr. Begründet wurde die Ausgangssperre mit möglichen weiteren Unruhen.
Infolge von Floyds Tod war es in den vergangenen Nächten zu schweren Ausschreitungen in Minneapolis im US-Bundesstaat Minnesota gekommen. Geschäfte gingen in Flammen auf, es kam zu Plünderungen. Demonstranten stürmten auch eine Polizeiwache und legten Feuer. Die Polizei setzte Tränengas gegen Demonstranten ein.
Der Gouverneur des Bundesstaats Minnesota, Tim Walz, rief am Freitag zu einem Ende der Gewalt auf, die nach dem Tod des unbewaffneten Afroamerikaners George Floyd bei einem Polizeieinsatz zu Beginn der Woche ausgebrochen war. Er erwarte, dass die beteiligten Beamten rasch zur Rechenschaft gezogen würden.
Walz sicherte zu, das Problem der Ungleichheit zwischen Schwarzen und Weißen anzugehen. Aber zuerst müsse die Nationalgarde nach drei Nächten Vandalismus, Plünderungen und Brandstiftung die Ordnung wieder herstellen.
Explizit entschuldigte sich der Gouverneur für die vorübergehende Festnahme eines TV-Teams des Senders CNN, das ohne Begründung von Polizisten live vor laufender Kamera abgeführt wurde. „Es gibt keinen Grund, dass so etwas hätte passieren dürfen.“ Befürchtet wurde jedoch, dass die Festnahme des Reporters Omar Jimenez, ebenfalls ein Schwarzer, und zwei seiner Kollegen die angespannte Stimmung, die inzwischen auch andere US-Städte erfasst hat, zusätzlich aufheizen könnte.
In einer Live-Übertragung war zu sehen, wie CNN-Korrespondent Jimenez die heranrückende Polizei wiederholt fragte, ob das Team seinen Standort ändern solle. „Wir können dahin zurückgehen, wohin ihr wollt. Wir sind gerade live“, sagte Jimenez. Er identifizierte sich dabei auch klar als CNN-Reporter. Kurz darauf wurde Jimenez ohne Angabe von Gründen festgenommen, dann auch sein Team. „Wir sind alle von CNN“, sagte jemand erneut zu den Polizisten.
Die Polizei erklärte wenige Stunden später, die drei CNN-Mitarbeiter seien freigelassen worden, nachdem bestätigt worden sei, dass es sich um Medienvertreter gehandelt habe.
Jimenez zufolge berichtete das Team von einem Ort, wo Demonstranten ein Gebäude in Brand gesetzt hatten. In der Live-Übertragung waren Dutzende Polizisten in voller Montur zu sehen, inklusive Schutzausrüstung, Gasmasken, Helmen und Schlagstöcken.
CNN hatte die Festnahme als Einschränkung der Pressefreiheit kritisiert. Auf der Webseite des Senders hieß es weiter, ein weißer CNN-Kollege, Josh Campbell, der sich mit einem anderen Team in dem Gebiet befand, sei von der Polizei respektvoll behandelt und nicht festgenommen worden.
Auch ein Tweet von US-Präsident Donald Trump zur Lage in Minneapolis könnte die Stimmung weiter anheizen. Trump schrieb, er habe Walz die Unterstützung des Militärs zugesichert. „Irgendwelche Schwierigkeiten, und wir werden die Kontrolle übernehmen.“ Wenn jedoch geplündert werden sollte, werde geschossen. Er werde nicht zulassen, dass „Schläger“ die Erinnerung an Floyd entehrten.
Mit seinem Satz zu möglichen Schüssen auf Plünderer zitierte Trump einen Satz von 1967, mit dem der damalige Polizeichef von Miami ein hartes Vorgehen gegen die schwarze Bevölkerung angekündigt hatte. Trump relativierte seine Aussage am Freitag in einem weiteren Tweet. Er teilte mit, er habe nur gemeint, dass Plünderungen zu Waffengewalt führen könnten, was ein Fakt sei.
Twitter stufte den Tweet als gewaltverherrlichend ein und verbarg ihn hinter einem Link, so dass der Inhalt erst für Leser sichtbar wird, wenn sie auf den Warnhinweis des Kurznachrichtendienstes klicken.
Nur kurz zuvor hatte Trump ein Dekret gegen soziale Medien unterzeichnet, mit dem er sie stärker reglementieren will. Anlass war, dass Twitter erstmals zwei seiner Tweets zum Thema Briefwahl als irreführend bezeichnet und einem Faktencheck unterzogen hatte.
Gouverneur Tim Walz bezeichnete Trumps jüngste Tweets zu Minneapolis als „nicht hilfreich“. Die Stadt tue alles in ihrer Macht stehende, die teils gewaltsamen Proteste unter Kontrolle zu bringen, sagte Walz. „Im gegenwärtigen Moment, in so einer unberechenbaren Lage, ist alles, was wir tun, um weiteres Öl ins Feuer zu gießen, wirklich, wirklich eine große Herausforderung“, sagte der Gouverneur. Die Lage könne unter Kontrolle gebracht werden, ohne das Feuer weiter anzuheizen.
In Minneapolis war der Afroamerikaner George Floyd am Montag infolge eines brutalen Polizeieinsatzes gestorben. Dabei hatte ihn ein weißer Beamter minutenlang mit dem Knie auf dem Hals zu Boden gedrückt und auch dann nicht von ihm abgelassen, als er wiederholt stöhnte, er bekomme keine Luft. Schließlich schloss der 46-Jährige die Augen. Nach Polizeiangaben starb er wenig später im Krankenhaus.
Seither kommt es in der Stadt zu Protesten. Wegen Plünderungen und Brandstiftungen war dort inzwischen auch die Nationalgarde aktiviert worden. Der Fall Floyds hat in den USA Entsetzen hervorgerufen. Die Bundespolizei FBI untersucht den Vorfall.
Auch der frühere US-Präsident Barack Obama hat sich nach Floyds Tod in die Debatte eingeschaltet und sich gegen anhaltenden Rassismus und die Benachteiligung Schwarzer ausgesprochen. Für Millionen Amerikaner sei es auch im Jahr 2020 noch „schmerzhaft und zum Verrücktwerden „normal“, wegen ihrer Hautfarbe anders behandelt zu werden“, erklärte Obama am Freitag über Twitter. Das sei der Fall im Umgang mit dem Gesundheitssystem, mit der Justiz oder auch nur beim Joggen oder beim Beobachten von Vögeln, erklärte Obama unter Anspielung auf Fälle, die jüngst für Aufsehen gesorgt hatten.
„Das darf in Amerika im Jahr 2020 nicht „normal“ sein“, sagte Obama, der sich nur noch selten zu aktuellen politischen Themen äußert. Es sei nun die Aufgabe aller Amerikaner, aber insbesondere auch der Sicherheitskräfte, gemeinsam einen neuen Normalzustand zu schaffen, in dem „das Erbe von Fanatismus und Ungleichbehandlung nicht mehr unsere Institutionen oder unsere Herzen vergiftet“.
Das Wort „Rassismus“ benutzte der Afroamerikaner Obama in seiner Stellungnahme nicht. Er verwandte aber den englischen Begriff „race“ (Rasse) sowie den Ausdruck „bigotry“ (Fanatismus), der in den USA häufig genutzt wird, um auf das Erbe des Rassismus hinzuweisen.
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