Lockerungen an den Schulen

«Schulen sollen gleich behandelt werden wie der Freizeitbereich»

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Im Kanton Zürich dürfen Mittel- und Berufsfachschulen den Präsenzunterricht am 8. Juni teilweise wieder aufnehmen – allerdings in kleineren Klassen. Die Volksschulen wechseln zum Vollbetrieb.

Silvia Steiner, Bildungsdirektorin des Kantons Zürich und Präsidentin der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) kritisiert im Interview die strengen Vorgaben des Bundesrats.

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Silvia Steiner
Präsidentin der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren EDK

Die Juristin ist seit 2015 als Bildungsdirektorin in der Zürcher Regierung. Seit 2017 präsidiert Steiner zudem die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren EDK.

SRF News: Silvia Steiner, Sie würden gerne den Vollunterricht im Kanton Zürich wieder anbieten, aber das ist nicht möglich.

Silvia Steiner: Ich kann verstehen, dass der Bundesrat Lockerungen im Freizeitbereich macht. Dass diese Lockerungen aber grösser sind als in der Schule, ist nicht gerechtfertigt. Das muss man korrigieren.

Gehen Sie jetzt auf das Bundesamt für Gesundheit (BAG) zu?

Ja, wir hatten bereits Kontakt. Bundesrat Alain Berset hat mir am Dienstag zugesichert, dass man das Schutzkonzept anschauen und allenfalls korrigieren möchte. Die Vorbereitungen dazu laufen. Und ich werde mit Nachdruck dafür einstehen, dass die Schulen gleichbehandelt werden wie die Freizeitbereiche.

Droht der föderale Flickenteppich, den man in der obligatorischen Schule hat, jetzt an Gymnasien und Berufsschulen?

Man kann nicht von einem föderalen Flickenteppich sprechen. Am Schluss erreichen alle die gleichen Lernziele. Aber die Schulorganisation ist Sache der Kantone und wenn diese – gestützt auf ihre örtlichen Gegebenheiten – andere Lösungsansätze suchen, dann sollen sie das können.

Andere Kantone haben schon seit drei Wochen Vollklassen. War man im Kanton Zürich übervorsichtig?

Man kann nicht vorsichtig genug sein, wenn es um den Gesundheitsschutz geht. Wir haben unser System als Halbklassenunterricht deklariert. Andere Kantone haben in ganzen Klassen unterrichtet, mussten aber im Präsenzunterricht ebenfalls Abstriche machen. Wichtig ist, dass wir die Lernziele im ganzen Land erreichen. Das garantieren die Bildungsdirektoren. Sie erreichen mit unterschiedlichen Wegen die gleichen Ziele.

Halbklassen sind eine grosse Belastung für die Eltern. Der organisatorische Aufwand ist gross.

Ja, die Eltern sind sehr stark gefordert. Wir fokussieren aber nicht primär auf die Betreuung, sondern auf die Bildung. Es war uns wichtig, dass die Kinder keinen schulischen Nachteil aus dem Lockdown haben. Es tut mir leid, dass viele Eltern viel Energie in die Betreuung investieren mussten. Der Dank geht an die Eltern, die ihre Kinder in dieser Zeit gut unterstützt haben.

Welche Lehren ziehen Sie als Bildungsdirektorin des Kantons Zürich aus der Coronakrise?

Ich bin sehr erfreut, denn unser Schulsystem hat sich als flexibel und leistungsfähig erwiesen. Trotz schwieriger Rahmenbedingung sind wir gut auf individuelle Bedürfnisse eingegangen und konnten sinnvoll reagieren. Dadurch mussten wir das Recht auf Bildung nicht einschränken.

Das Interview führte Simon Hutmacher.