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Schweizer Aktienmarkt

Börsenwoche im Schnelldurchlauf: Verkehrte Welt

Der cash Insider kommentiert die wichtigsten Börsenereignisse. Diese Woche unter anderem: Verkehrte Welt bei Adecco, Grossinvestoren schichten um, wilde Spekulationen um UBS und GAM sowie Daumen runter für Straumann.

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Selbst alteingesessenen Börsenhasen bot sich hierzulande in den letzten Tagen ein ungewohntes Bild: Zuvor beliebte Aktien wie etwa die der beiden Pharmazulieferer Lonza und Bachem, der beiden Medizinaltechnikhersteller Tecan und Sonova oder jene des Pharmariesen Roche gerieten unter Verkaufsdruck.

Dahinter verbergen sich erstmals etwas aggressivere Sektorrotationen. Wie mir mehrere Londoner Quellen unabhängig voneinander berichten, ziehen mächtige angloamerikanische Grossinvestoren Gelder aus diesem bis anhin äusserst beliebten – weil konjunkturresistenten – Titelsegment ab. Angeblich fliesst dabei ein nicht unbeträchtlicher Teil dieser Gelder ins umliegende Ausland ab, was auch den zuletzt schwächeren Franken erklären würde. Der andere Teil sorgt bei den hiesigen Finanzwerten und Zyklikern nicht nur für steigende Kurse, sondern auch für so manche Übertreibung.

Eine verkehrte Welt bot sich am Mittwoch bei Adecco. Da setzte Analyst Marco Strittmatter von der Zürcher Kantonalbank beim Stellenvermittler nach einer virtuellen Road-Show mit Firmenvertretern doch den dicken Rotstift an. Neuerdings geht er im laufenden zweiten Quartal von einem Umsatzeinbruch gegenüber demselben Quartal letzten Jahres um 40 (zuvor 30) Prozent aus. Geht es nach Strittmatter, sollte der Umsatz auch in der zweiten Jahreshälfte im Jahresvergleich um knapp 20 (zuvor 10) Prozent zurückgehen. Mit seinen neuen Gewinnschätzungen für das kommende Jahr liegt der ZKB-Analyst denn auch um fast 20 Prozent unter den durchschnittlichen Annahmen seiner Berufskollegen.

Solche Aussagen sollten die Börse eigentlich wachrütteln. Stattdessen schoss der Aktienkurs von Adecco an diesem Tag in der Spitze um fast vier Prozent in die Höhe.

Doch auch sonst sind Übertreibungen an der Tagesordnung. So überrascht es nicht, dass sich um den Vermögensverwalter GAM zum wiederholten Mal Übernahmespekulationen ranken.

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Spekulationsgetriebenes Kursfeuerwerk bei den Aktien von GAM (Quelle: www.cash.ch)

Informationen der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge will der bekannte deutsche Financier Jörg Bantleon seine Beteiligung am Vermögensverwalter ausbauen. Still und leise kaufte er sich im März mit etwas mehr als 3 Prozent bei der ehemaligen Julius-Bär-Tochter ein und baute sein Aktienpaket zügig auf gut 5 Prozent aus.

Mitte April schrieb ich zu diesem Thema:

Eher etwas merkwürdig mutet hingegen der Einstieg der Bantleon Bank beim Vermögensverwalter GAM an. Im März gab sich die neue Grossaktionärin mit 3,17 Prozent der Stimmen zu erkennen. Mittlerweile hält sie sogar 5,23 Prozent. Was genau die Bantleon Bank im Schilde führt, bleibt unklar - ist sie als Vermögensverwalter eigenen Angaben zufolge doch auf Kapitalerhalt spezialisiert. Und sich als solcher bei einem Turnaround-Kandidaten einzukaufen, scheint mir ziemlich mutig. Fragt sich, ob sich dahinter nicht strategische Gründe verbergen könnten. Denn auch GAM gilt als Spezialist für sogenannte Total-Return-Strategien.

Noch am selben Tag berichtete ich, dass sich bei Stadler Rail die Aktionärsgruppe um den Firmenpatron Peter Spuhler aufgelöst habe und die Aktionäre künftig eigene Wege gehen würden. Damals ahnte ich jedoch nicht, dass sich die RAG-Stiftung nur wenige Wochen später von gut der Hälfte ihres Aktienpakets trennen würde.

Die Deutschen boten beim Zughersteller aus dem thurgauischen Bussnang in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch 5,5 ihrer 10 Millionen Aktien feil und lösten bei einem Platzierungspreis von 38,10 Franken das Stück knapp 210 Millionen Franken. 1,5 Millionen Aktien gingen dabei in die Bestände von Firmenpatron Peter Spuhler über. Dieser hatte schon in den Tagen zuvor bei Kursen unter 40 Franken zugekauft.

Das straft jene Spekulationen Lüge, wonach sich der Firmenpatron mit seinen Firmenbeteiligungen übernommen habe und sich deshalb bei seinem "Steckenpferd" von Titeln trennen müsse.

Vor zwei Wochen schrieb ich:

Allerdings spricht vor allem eines dagegen, dass der bekannte Industrielle bei Stadler Rail zum Verkauf von Titeln gezwungen ist: Aus dem Börsengang des Schienenfahrzeughersteller flossen ihm satte 1,4 Milliarden Franken in bar zu. Davon hat er bestimmt noch nicht alles wieder investiert.

Seit Dienstag sind die Aktien von Stadler Rail übrigens nun auch fester Bestandteil meiner Schweizer Aktienfavoriten für das Börsenjahr 2020, wobei ihnen die mittlerweile ziemlich überteuerten Papiere von Temenos Platz machen mussten.

Meine Einschätzung, dass der Wachstumsmotor bei Temenos stottern könnte, teilt auch Jessica Pollard von J.P. Morgan. Die Analystin stuft die Valoren der Bankensoftwareschmiede aus Genf mit einem Kursziel von 140 Franken von "Overweight" auf "Neutral" herunter. Und selbst wenn sie es nicht explizit schreibt, so lässt sie zumindest durchblicken, dass die Lizenzeinnahmen im weiteren Jahresverlauf enttäuschen könnten.

Und gleich noch ein Schweizer Börsenüberflieger bekommt am heutigen Freitag sein Fett weg: Der bekannte Medizinaltechnikanalyst Michael Jüngling bei Morgan Stanley vollzieht bei Straumann eine spektakuläre Kehrtwende und stuft die Aktien des erfolgsverwöhnten Dentalimplantateherstellers aus Basel von "Overweight" auf "Underweight" herunter. Er befürchtet, dass sich das Tagesgeschäft nur langsam wieder belebt. Auf Basis seiner neuen Umsatz- und Gewinnschätzungen errechnet Jüngling noch ein Kursziel von 637 (zuvor 1035) Franken.

Derweil nutzen hiesige Grossaktionäre und Firmenlenker die Gunst der Stunde und machen im grösseren Stil Kasse – unter ihnen auch Verwaltungsräte von Temenos und Straumann.

Saint-Gobain trennte sich diese Woche vom Sika-Paket. Keine zwei Wochen nach Ablauf der zweijährigen Sperrfrist platzierten die Franzosen dieses für knapp 2,6 Milliarden Franken bei neuen Investoren und strichen dabei einen Gewinn in Milliardenhöhe ein.

Die Paketplatzierung kommen sah Analyst Christian Arnold von der MainFirst Bank. Er senkte nur wenige Stunden zuvor sein Anlageurteil für die Aktien von Sika von "Buy" auf "Hold".

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Höhenflug der Sika-Aktien über die letzten fünf Jahre (Quelle: www.cash.ch)

Auf Kaufinteresse stossen erstmals die Papiere der beiden Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse. Gerade letztere machen kräftig Boden gut, seit Jamie Dimon seinen Aktionären an einer virtuellen Investorenkonferenz ein starkes Handelsergebnis im Investment Banking in Aussicht stellte. Und Dimon ist nicht einfach irgendwer, sondern Chef beim übermächtigen amerikanischen Rivalen J.P. Morgan.

In den Handelsräumen hiesiger Banken sieht man nun auch UBS und Credit Suisse an das starke erste Quartal anknüpfen. Da fragt sich doch, ob für diese Papiere die Tage im einstelligen Frankenbereich nicht schon bald gezählt sind.

Apropos UBS: Darf man wilden Spekulationen Glauben schenken, dann steht die grösste Schweizer Bank vor einem einschneidenden Stellenabbau. Von bis zu 20'000 Stellen ist die Rede, die im Zuge des Abbaus wegfallen könnten. Im Wissen, dass das Unternehmen Ende 2019 weltweit knapp 69'000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigte, wäre das ein ziemlicher Kahlschlag. Ich wäre allerdings überrascht, überliesse man es nicht dem designierten Firmenchef Ralph Hamers, den Rotstift anzusetzen.

Vielleicht wissen wir schon nächsten Freitag näheres, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf. An dieser Stelle wünsche ich meinen Leserinnen und Lesern ein sonniges Pfingst-Wochenende. Die nächste Kolumne erscheint am Dienstag, wie üblich um 12.30 Uhr.

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