Weniger Patienten

Wie sich die Pandemie finanziell auf Hausärzte auswirken kann

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Köln - Man sollte meinen, dass Ärzte als Bekämpfer des Coronavirus gerade Hochkonjunktur haben. Und dennoch gibt es einige unter ihnen, die nun das Nachsehen haben: Hausärzte zum Beispiel.

„Allgemein kann man feststellen, dass die Wartezimmer leerer sind“, sagt Monika Baaken, Sprecherin des Hausärzteverband Nordrhein. Patienten meldeten sich vorab telefonisch, oftmals könnten Fragen fernmündlich beantwortet werden. Es gebe aber auch Patienten, die den Arztbesuch wegen des Coronavirus gänzlich meiden. „Hier appellieren die Hausärzte dringend: Wer sich krank fühlt, soll sich unbedingt mit dem Arzt in Verbindung setzen und wenn notwendig den Arzt aufsuchen“, sagt Baaken.

Arbeit verlagert sich

Auch der Kölner Hausarzt Guido Marx berichtet, dass weniger Patienten in die Praxis kommen. Die Arbeit verlagere sich auf die chronisch und schwer kranken Menschen. Leicht Erkrankte, zum Beispiel Heuschnupfen-Patienten, kämen nicht. Sich um die wenigen, die in die Praxis kommen, zu kümmern, bedürfe im Gegenzug allerdings wegen der Hygieneschutzmaßnahmen mehr Zeit.

Marx betreut zudem Palliativpatienten und ist Heimarzt. Das nehme „viel Zeit in Anspruch. Wir müssen natürlich verhindern, das Virus zu verteilen“, sagt er. Unterm Strich hat er trotz geringerer Fallzahlen genauso lange zu tun wie vorher.

Verdient aber wohl weniger Geld. Wie sich die geringere Patientenzahl finanziell auf die Praxen auswirken wird, könne aufgrund des Abrechnungssystems erst im Oktober gesagt werden, sagt Marx. Man müsse aber von Verlusten ausgehen. Das Honorar berechne sich aus Fallzahl und Fallwert. Im April seien rund 30 Prozent weniger Patienten gekommen. Die Frequenz gehe nun langsam wieder hoch. Da die Abrechnungen quartalsgebunden sind, könnte sich bei einem Ansturm im Juni die Lage noch verbessern, Vorjahresniveau erwartet aber niemand.

Wirtschaftliche Schieflage ab Ende Oktober

Derzeit bekommen die Ärzte ihr Honorar ausgezahlt, wobei als Basis der Vorauszahlungen die Zahlen des Vorjahresquartales 2/2019 zugrunde gelegt wurden. „Eine wirtschaftliche Schieflage für Hausarztpraxen könnte Ende Oktober dieses Jahres entstehen, wenn sich herausstellt, dass die Vorauszahlungen – basierend auf früheren Quartalszahlen – zu hoch waren und statt einer Nachzahlung eine Rückforderung eintritt“, sagt Marx. Dies hätte auch negative Auswirkungen für die Zukunft, da das zweite Quartal 2021 auf dem Quartal 2/2020 basiert. „Spätestens dann wird es kritisch.“

Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Nordrhein rechnet über alle Praxen mit einem deutlichen Rückgang der Patientenzahlen und der Umsätze, voraussichtlich von zehn bis 20 Prozent. Auch deutlich größere Einbußen seien im Einzelfall möglich. „Wir wissen, dass durch die Corona-Krise zuletzt viele Patienten aus Angst vor einer Ansteckung mit Covid-19 einen Praxisbesuch gemieden haben und gegebenenfalls auch jetzt noch meiden“, sagt Heiko Schmitz, Sprecher der KV Nordrhein.

Insbesondere Fachärzte wie Radiologen oder Chirurgen hätten teilweise erhebliche Rückgänge von etwa 50 Prozent und mehr an Fallzahlen verzeichnet. „Vielen Praxen droht daher eine wirtschaftliche Schieflage, wobei die genauen Patientenrückgänge von Fachgruppe zu Fachgruppe und auch Arzt zu Arzt verschieden sind“, sagt Schmitz.

„Wir stehen in der Corona-Pandemie an vorderster Front“, sagt Guido Marx. Eine starke ambulante Struktur, betonte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im April, ermögliche in der Pandemie sechs von sieben erkrankten Personen ambulant zu behandeln und gleichzeitig die Versorgung von chronisch kranken Patienten aufrechtzuerhalten.

„Das Gesundheitsministerium – Bund und Land – hat den Ärzten Unterstützung zugesagt, und die Hausärzte gehen davon aus, dass die Zusagen zum angekündigten Rettungsschirm eingehalten werden“, sagt Monika Baaken vom Hausärzteverband Nordrhein.

Aufruf des Gesundheitsministers

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann hat auf Grundlage der abnehmenden Infektionszahlen Mitte Mai dazu aufgerufen, wieder Routine- und Vorsorgeuntersuchungen wahrzunehmen. „Wer wichtige Untersuchungen nicht wahrnimmt, riskiert womöglich schwere gesundheitliche Schäden. Die Arztpraxen erfüllen höchste Hygienestandards und sind derzeit gut auf Patientenbesuche eingestellt“, sagt Laumann auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die ambulante medizinische Versorgung sei ein wichtiger und verlässlicher Baustein unseres Gesundheitssystems. „Umso wichtiger ist es, dass die Arztpraxen – auch finanziell – wieder auf die Beine kommen.“