Aufsperrkonflikt: Veranstalter von Pop- und Rockkonzerten kritisieren "Funkstille" der Regierung

"Die Hochkultur hatte Vorrang": Österreichs große Pop-Veranstalter fühlen sich übrig gelassen. Nun nehmen sie die Lockerungsverordnung der Regierung aufs Korn.

https://media.kleinezeitung.at/images/uploads_520/f/3/7/5820215/9948F479-0387-465E-ABFB-BD8EE9B67524_v0_h.jpg
Fans beim Nova Rock - es wird noch dauern, bis es solche Szenen wieder gibt © APA/HERBERT P. OCZERET

Mit dem heutigen Freitag erwacht das Kulturgeschehen in Österreich aus seinem coronabedingten Dornröschenschlaf - zumindest in gewissen Branchen. Denn während Theater, Kinos und Museen unter entsprechenden Auflagen ihre Betriebe wieder hochfahren können, vermissen Veranstalter von Pop- und Rockkonzerten weiterhin Lösungen. Diese seien "nicht vorhanden", so Nova-Rock-Chef Ewald Tatar. "Die neuen 'Lockerungen' bedeuten und verändern für uns Veranstalter der Modernen Kultur in unserer Sparte (Rock/Pop/Open-Air und Festivals) genau nichts und helfen uns auch gar nicht", kritisierte der Barracuda-Music-Geschäftsführer in einer schriftlichen Stellungnahme. "Derzeit sind Lösungen offenbar für die Regierung, wie es mit uns weitergehen soll nach dem 31. August, nicht vorhanden. Die sogenannte Hochkultur und ihre Lobby hatte mal definitiv Vorrang, wie man erneut sieht."

Das ist für Tatar insofern ärgerlich, als "wir ein Zigfaches an Tickets verkaufen und Hunderttausende bis Millionen Konzertliebhaber im Pop-, Rock- und Festivalbereich wie auch wir darauf warten, wie es weitergeht. Aber dazu herrscht nach wie vor Stille." In die aktuell geltenden Verordnungen passe man "nicht mal ansatzweise" mit Pop- und Rockkonzerten. Ob ein Konzertprogramm ab September möglich sein wird, konnte Tatar nicht sagen. "Diese Frage müssen Sie der Regierung stellen. Wir wären ja zu allem bereit, auch sofort wieder hochzufahren, aber wie zuvor erwähnt: derzeit Funkstille."

Ähnlich wird die Situation beim Mitbewerber Arcadia Live beurteilt. "Für unsere Shows und Konzerte hat sich leider nicht wirklich was geändert. Die besagte Novelle ist unserer Meinung nach eher auf die Hochkultur zugeschnitten", hieß es. Details zu Stehplatzkonzerten gebe es noch nicht, zudem brauche man für jede Show eine gewisse Vorlaufzeit. "Das bezieht sich nicht nur auf die Planung als solches, sondern natürlich auch auf den Vorverkauf bzw. personelle Ressourcen."

Für die Zeit ab September "kursieren aktuell einige recht kreative Ideen und Ansätze", um Konzerte doch noch durchführen zu können. "Im Moment fehlen seitens der zuständigen Behörden aber noch Details, und die Lage ändert sich noch zu schnell, als dass man sich bereits auf funktionale Alternativformate für die (nahe) Zukunft festlegen könnte", so Arcadia Live: "Wir trauen uns nicht, nach momentanem Stand eine seriöse Prognose abzugeben, ab wann wir in Österreich wieder große Konzerte veranstalten dürfen."

In der Krise hat sich nun auch die Interessengemeinschaft der Österreichischen Veranstaltungswirtschaft (IGÖV) gegründet. Diese versucht, "Bedenken und Probleme gemeinsam auszuformulieren, mitunter Lösungsansätze anzubieten und diese politischen Vertretern zu präsentieren". Dennoch sei die Lage für die Branche "dramatisch", wie man bei Arcadia Live betonte. "Wir sind als IGÖV noch lange nicht dort angekommen, wo wir hinwollen."

Als kleiner Lichtblick werden die neuen Möglichkeiten bei Venues wie dem Wiener WUK gesehen. "Unsere Köpfe rattern, wir besprechen die Umsetzbarkeit, müssen die neuen Informationen aber noch einordnen", sagte Musikchef Hannes Cistota der APA. "Grundsätzlich ist der Fahrplan begrüßenswert und bietet gute Anhaltspunkte für die nächsten Monate." Wichtig sei für die Location in weiterer Folge der traditionell dichte Konzertherbst, wobei hier die Rahmenbedingungen noch offen sind. Für das Hochfahren der Abläufe des Musikprogramms brauche es mindestens zwei Wochen Vorlaufzeit. Ob sich Veranstaltungen letztlich rentieren, müsse man sich von Fall zu Fall anschauen.

Für halbwegs kostendeckende Shows seien in der WUK-Halle momentan zu wenig Sitzplätze erlaubt. Insofern müsse man bis September warten, "ob sich die Lage weiter beruhigt und es weitere Lockerungen gibt", so Cistota. Zudem spielen die Reisemöglichkeiten von internationalen Künstlern eine Rolle. "Das Tourgeschäft braucht die Reisefreiheit, und ich denke, es macht nur Sinn, wenn Europa geschlossen aufsperrt." Daher sprach sich Cistota auch gegen nationale Alleingänge aus. "Die Situation ist, wie für andere Akteure des Kulturbereichs auch, eine riesige Herausforderung."

Dass es auch für den Performancebereich nicht ganz einfach ist, die nun möglichen Betrieb sofort aufzunehmen, erläuterte Esther Holland-Merten, künstlerische Leiterin von WUK performing arts: "Ein Vorstellungsbetrieb für unseren Bereich der darstellenden Kunst realisiert sich nicht einfach durch das Einschalten des Lichts im Saal." Neben organisatorischen und inhaltlichen Abläufen sprach sie dabei in erster Linie die Besucher an. "Das Vertrauen des Publikums zurückzugewinnen, sich mit vielen anderen Menschen zusammen in einem geschlossenen Raum für die Dauer einer Aufführung aufzuhalten, das wird Zeit in Anspruch nehmen." Für die geplanten Veranstaltungen im Herbst werde man sich jedenfalls jeweils passende Sitzplatzkonzepte überlegen. Dafür wolle man gemeinsam mit den Künstlern eine Lösung entwickeln, "die sowohl für sie Sinn macht als auch der Sicherheit des Publikums Sorge trägt".