Lockerungen in der Türkei

«Das Gesundheitssystem ist nie an die Grenzen gekommen»

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Die türkische Regierung hat in den letzten Wochen den Ausgang und die Reisen innerhalb des Landes stark eingeschränkt. Nun hat Präsident Recep Tayyip Erdogan neue Lockerungen verkündet. Das komme bei der Bevölkerung sehr gut an, sagt Thomas Seibert. Der deutsche Journalist lebt in Istanbul.

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Thomas Seibert
Journalist in der Türkei

Thomas Seibert ist seit 1997 Korrespondent für den deutschen «Tagesspiegel» in Istanbul und berichtet auch für andere Medien, unter anderem für Radio SRF.

SRF News: Wie reagieren die Menschen in Istanbul auf die Lockerungen?

Thomas Seibert: Unter den Bürgerinnen und Bürgern macht sich Erleichterung breit. Über zwei Monate lang war das öffentliche Leben hier sehr eingeschränkt. Das Paket, das Erdogan gestern Abend ankündigte, deutet an, dass das Leben sich wieder normalisieren wird, Schritt für Schritt.

Es darf nur im Freien gebetet werden.

Gibt es spezielle Vorsichtsmassnahmen für das Freitagsgebet?

Ja, die Gebete werden nur in speziell ausgewählten Moscheen stattfinden können. In Istanbul sind das die grossen Moscheen wie zum Beispiel die Blaue Moschee. Die Gebete dürfen nur unter freiem Himmel stattfinden, Gläubige sollen ihre eigenen Gebetsteppiche mitbringen, und es gilt Maskenpflicht.

Das gilt in der Türkei ab dem 1. Juni
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Präsident Recep Tayyip Erdogan am Donnerstagabend.Keystone

Die Regierung in Ankara hat das öffentliche Leben in den letzten Wochen vor allem für die Menschen unter 20 Jahren und für solche, die 65 und älter sind, stark eingeschränkt. Ab dem 1. Juni sollen die Massnahmen erheblich gelockert werden. Für Grossstädte wie Istanbul gilt ab dann wieder Reisefreiheit. Cafés und Restaurants sowie Schwimmbäder, Sportstudios und Kindergärten dürfen wieder öffnen. Strände, Parks und Museen sind wieder zugänglich und Freiluftkonzerte sind bis Mitternacht erlaubt. Shishalokale und andere Vergnügungsorte bleiben jedoch geschlossen.

Wie hat das Land die Situation bis jetzt gemeistert?

Nach anfänglichen Schwierigkeiten hat die Türkei die Lage gut im Griff. Man hat relativ früh damit angefangen, grossflächige Tests anzuordnen. Auch die Nachverfolgung von Infektionsherden läuft ganz gut. Das Gesundheitssystem ist relativ stabil, es ist nie an die Grenzen gekommen. So ist die Coronakurve relativ flach geblieben. Wir haben im Moment etwa 161'000 Infektionen. Für ein Land mit 80 Millionen Einwohnern ist das eine recht gute Bilanz.

Die Türkei ist ein sehr grosses Land, und vor allem im Osten ist es sehr ländlich geprägt. Hat die Regierung denn überhaupt gesicherte Informationen über die Situation im Osten des Landes?

Davon kann man ausgehen. Das hat mir letzte Woche auch ein hochrangiger Mediziner versichert. Die Regierung in der Türkei hat in den vergangenen Jahren sehr viel Geld in das Gesundheitssystem gesteckt. Auch in ländlichen Regionen funktioniert die Nachverfolgung der Infektionsherde relativ gut. Kleinere Städte waren in den vergangenen Wochen denn auch von den Ausgehverboten ausgenommen. Das heisst, die Lage dort ist relativ stabil.

Das Gespräch führte Roger Aebli.