Kolumne vom Börsenparkett: Tagebuch eines Börsianers: Diese Branchen sind wieder stärker gefragt

In seinem "Tagebuch eines Börsianers" schildert der erfahrene Kapitalmarktexperte Josef Obergantschnig die dramatischen Entwicklungen.

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Josef Obergantschnig © Ethico

Josef Obergantschnig ist Präsident des Wirtschaftsethikklubs Ethico und allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Bank- und Börsenwesen. In seinem "Tagebuch eines Börsianers" schildert der erfahrene Kapitalmarktexperte für die "Kleine Zeitung" seine persönlichen Eindrücke und Erlebnisse in diesem - auch auf dem Börsenparkett - dramatischen Tagen.

Freitag, 29. Mai: Europa und USA, Kluft geht weiter auseinander

Die Woche neigt sich dem Ende zu und das Pfingstwochenende steht unmittelbar bevor. Heute werde ich noch einen Ruhetag einlegen. Es ist schön, wieder zuhause zu sein. An den Finanzmärkten geht die Kluft zwischen Europa und Amerika weiter auseinander. Während der technologielastige Nasdaq-Composite seit Jahresbeginn ein Plus von 4% vorweisen kann, liegt der US-Aktienmarkt mit 7% und der europäische Markt mit rund 20% im Minus.

An den Börsen werden seit Mitte Mai auch verstärkt die zyklischen Branchen Industrie, Automobil und Rohstoffe gekauft. Die defensiven Branchen, wie Pharma oder Versorger, die seit Jahresbeginn deutlich vorne liegen, hinken in den letzten Wochen hinterher. Ein Blick noch auf die Untergewinne. Die sich dem Ende zuneigende Berichtssaison beschert den US-Unternehmen einen Gewinneinbruch von 20%. Das Ausmaß des Einbruchs war in der Finanzkrise mehr als doppelt so hoch. Das 2. Quartal mit dem globalen Shutdown ist aber noch nicht eingebucht. An den Märkten herrscht der „Risk-On“-Modus. Angesichts der tiefen Zinsen kein Wunder.

Für den Kauf einer deutschen Bundesanleihe mit einer 10jährigen Laufzeit muss der Käufer 0,45% bezahlen. Auch das österreichische Pendant notiert im negativen Terrain. So macht Schuldenmachen Spaß, meinen Sie nicht auch? In Deutschland sorgt der Kampf um den Daimler-Konzern für Aufsehen, da zwei chinesische Investoren um Einfluss und Prestige ringen. Bejing Automotive Group (BAIC), ein Staatsunternehmen, investierte im Juli 2019 2,4 Milliarden Euro für einen 5%igen Unternehmensanteil. Mittlerweile sind diese nur mehr 1,74 Milliarden wert. Bereits Anhang 2018 hat der Autobauer Geely und sein Gründer Li Shufun 10% Daimler Anteile für 7,5 Milliarden Euro erworben. Nach den herben Kursverlusten sind diese heute aber nur mehr 3,4 Milliarden Euro wert.