Vorfälle in Peine und Dietzenbach: Clans bedrohen sie, Schläger lauern ihnen auf: Polizisten werden zu „Freiwild“
by FOCUS OnlineZwei Fälle von Gewalt gegen Polizisten sorgen für Aufregung: Eine Polizistin in Niedersachsen musste umziehen, weil sie von Clans bedroht wurde. Dann wurden Polizisten in Hessen in einen Hinterhalt gelockt. Die Fälle sind krasse Beweise für die laut neuester Kriminalstatistik gestiegene Gewalt gegen Polizisten. Und ausgerechnet jetzt plant das Land Berlin ein Gesetz, welches diese Entwicklung anheizen könnte.
Sie werden zum Löschen eines Feuers gerufen und sehen sich plötzlich massiver Gewalt ausgesetzt. Etwa 50 Angreifer attackieren im hessischen Dietzenbach Feuerwehrleute und Polizisten – nach deren Angaben mit offensichtlich schon bereitgelegten Steinen.
Nach Polizeiangaben wurden auf einem Parkdeck Mülltonnen und ein Bagger angezündet. „Wir gehen davon aus, dass die Feuer nur gelegt wurden, um die Einsatzkräfte anzulocken“, sagte ein Sprecher der Polizei. Den Angaben der Ermittler zufolge wartete die Gruppe bei Eintreffen der Beamten bereits mit Steinhaufen.
Etwa zwei Stunden dauerte die Auseinandersetzung am frühen Freitagmorgen. Auch ein Hubschrauber war im Einsatz. Drei Personen wurden festgenommen.
Polizistin von Al-Zein-Clan bedroht
Nicht der einzige Fall in den letzten Tagen, bei denen Polizisten zum Opfer wurden. Im niedersächsischen Peine musste eine Polizistin aus ihrer Wohnung ausziehen, weil sie offenbar von Mitgliedern des Al-Zein-Clans bedroht wurde. Die Reifen ihres Autos wurden zerstochen, Clan-Mitglieder sollen den Lack ihres Fahrzeugs beschädigt haben. Grund für die Bedrohungen und Angriffe soll die Tatsache gewesen sein, dass die Polizistin oberhalb einer beim Clan beliebten Peiner Shisha-Bar eingezogen sei.
„Dieser Fall ist völlig schockierend“, zitierte die „Bild“-Zeitung Niedersachsens Ex-Innenminister Uwe Schünemann (CDU). „Der Staat darf nicht weichen.“ Entscheidend sei, dass die Shisha-Bar schließe. „Die Täter müssen weichen, nicht die Opfer. Das Signal ist fatal.“
„Polizisten werden bedroht, beleidigt und belästigt“
Arabisch-stämmige Clans sind Informationen von Clan-Experten zufolge im Gebiet Peine und Salzgitter sehr aktiv. „Polizeieinsätze werden zunehmend von Clan-Mitgliedern, Freunden und Bekannten gefilmt und fotografiert“, erklärt Clan-Experte und Investigativ-Journalist Olaf Sundermeyer in der „Peiner Allgemeinen“. Dadurch werde Druck aufgebaut. „Es wird versucht zu provozieren, Polizisten werden bedroht, beleidigt und belästigt“, sagt Sundermeyer.
Das Beispiel in Peine zeige erneut: „Clan-Kriminalität ist kein Phänomen, das Metropolen exklusiv haben, es gibt sie auch in der Peiner Südstadt.“
Anstieg bei der Gewalt gegen Polizisten in Deutschland
Am Mittwoch hatte das Bundeskriminalamt (BKA) über einen neuen Anstieg bei der Gewalt gegen Polizisten in Deutschland berichtet. So wurden dem Bundeslagebild zur Gewalt gegen Polizisten zufolge im vergangenen Jahr 36.126 Fälle registriert. Das waren rund 3000 Fälle – oder auch 8,6 Prozent – mehr als im Jahr 2018. Einsatzkräfte wurden zum Beispiel mit Böllern beworfen oder mit Eisenstangen attackiert. Auch die Zahl der Polizisten, die Opfer von Attacken wurden, stieg. Im Jahr 2019 waren es 69.466 Beamte. Im Vergleich zum Jahr 2018 (65.896 Opfer) wurde eine Zunahme von 5,4 Prozent registriert.
GdP-Vize Radek: „Das Maß ist übervoll“
Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Jörg Radek bezeichnete die anhaltende Gewalt gegen Polizisten am Freitag als alarmierend. „Meine Kolleginnen und Kollegen erleben fast täglich Situationen, in denen ihnen unvermittelt Brutalität entgegen schlägt“, betont Radek in einem Statement, das FOCUS Online vorliegt.
Üble Beleidigungen oder körperlicher Widerstand gehörten schon fast zum Dienstalltag, kritisiert Radek. „Wenn Beamtinnen und Beamte heutzutage beispielsweise um Ausweise bitten, müssen sie damit rechnen, mit Fäusten geschlagen oder gefährlichen Werkzeugen angegriffen zu werden. Da es auch immer öfter vorkommt, dass Radmuttern privater Fahrzeuge unserer Kolleginnen und Kollegen gelockert werden, ist das Maß übervoll“, so der GdP-Vize deutlich.
Wer Polizeibeamte angreife, attackiere den Staat. Ermittelte Straftäter müssten mit aller Konsequenz bestraft werden. „Damit setzt die Gesellschaft ein Zeichen, dass solche Angriffe vom Staat nicht geduldet werden." Zugleich erklärte Radek: „Was die Angreifer offensichtlich immer noch nicht verstanden haben, ist, dass sich hinter der Uniform Mütter, Väter, Töchter, Söhne, Freunde, Nachbarn, also Menschen verbergen. Menschen, die die schwierige Aufgabe übernommen haben, unseren Rechtsstaat zu schützen.“
Streit um Antidiskriminierungsgesetz in Berlin: „Polizisten werden zum Freiwild“
Ausgerechnet in dieser Gemengelage plant der Berliner Senat ein Gesetz, das diese Entwicklung sogar noch anheizen könnte, wie Kritiker befürchten. Ziel des Gesetzes soll es ein, Menschen vor Diskriminierung durch Behörden zu schützen. Das sogenannte Antidiskriminierungsgesetz sieht eine Beweislastumkehr vor: Polizeibeamte müssten künftig nachweisen, sich nicht diskriminierend verhalten zu haben, falls dieser Vorwurf erhoben werde.
Während der Berliner Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) von einem „Zeichen gegen Diskriminierung, gegen Gewalt und gegen Unsichtbarkeiten“ spricht, kritisieren die Oppositionsparteien CDU, FDP und AfD sowie die Interessenvertretungen der Berliner Polizei das geplante Gesetz scharf. Die Polizisten sehen dadurch ihre Arbeit erschwert. „Mit diesem Gesetz werden Polizisten zum Freiwild“, klagt etwa Jörn Babendick vom Polizeiberufsverband Unabhängige in der Polizei. Zwar sei es ein großes Anliegen, Diskriminierung zu bekämpfen. Dies dürfe aber nicht dazu führen, „die Polizei handlungsunfähig zu machen“.
Und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte dem „Tagesspiegel“, das Gesetz, sei „im Grunde ein Wahnsinn“. „Wir müssen hinter der Polizei stehen und dürfen sie nicht unter Generalverdacht stellen.“
Über das Gesetz will das Abgeordnetenhaus am ersten Donnerstag im Juni abstimmen.
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