Flucht aus Forensik
Sozialminister Laumann kündigt Änderungen an
Düsseldorf - Die Flucht zweier Straftäter aus der Forensik in Bedburg-Hau könnte die Bevölkerung nach Einschätzung von Sozialminister Karl-Josef Laumann stark verunsichern. „Wir müssen höllisch aufpassen, dass uns in Bedburg-Hau nicht das Vertrauen der Bevölkerung verloren geht“, sagte der CDU-Politiker am Freitag in einer Sondersitzung des Landtags-Gesundheitsausschusses. Die Männer hatten für ihre Flucht zwei Pfleger mit einem Messer bedroht und einen als Geisel genommen.
Geiselnahme sei „ein schlimmes Verbrechen“, betonte der Minister. Das bisherige Vertrauen in den Standort sei „ein hohes Gut“. Wenn es nun aber Ängste bei Anwohnern der psychiatrischen Klinik gebe, sei das nachvollziehbar. „Wir müssen sensibel vorgehen.“
Die zwei Straftäter waren am späten Montagabend aus der LVR-Klinik geflüchtet. Der 37-Jährige wurde am Dienstag bei einem Polizeieinsatz in Aachen getötet, der 43-Jährige sitzt in Untersuchungshaft. Laumann sagte, die Abläufe würden genau geprüft. „Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit werden ergriffen.“ Zu Details könne er noch keine Angaben machen. Der Fall sei aber kein spezielles Problem der Forensik in Bedburg-Hau. „Das hätte in jeder anderen Anstalt wahrscheinlich genauso stattfinden können.“
Dass ein Pfleger und mehrere Patienten nachts den Müll rausbringen und ihnen dafür die Sicherheitsschleuse geöffnet werde, sei künftig nicht mehr vorstellbar, sagte Psychiatrie-Expertin Gudula Hommel auf Fragen der SPD-Fraktion, die die außerordentliche Sitzung beantragt hatte. Auch beim Ausleihen von Messern für den Eigenbedarf an Patienten, die als nicht gefährlich eingestuft werden, müsse es in der Forensik wohl zu Änderungen kommen, kündigte die Referatsleiterin im Sozialministerium an. Autoschlüssel von Pflegern sollten sicherer aufbewahrt werden. Die Straftäter hatten einem der Pfleger den Schlüssel gewaltsam abgenommen und sich mit seinem Wagen nach Aachen abgesetzt.
Fall wirft Schlaglicht auf Schwierigkeit im Maßregelvollzug
Laumann unterstrich, der Fall werfe auch ein Schlaglicht auf die Schwierigkeiten im Maßregelvollzug - vor allem die stark steigende Unterbringung von Straftätern mit Suchtproblemen. Der entsprechende Paragraf 64 im Strafgesetzbuch - ein Bundesgesetz - müsse geändert werden, darüber herrsche auch weitestgehend Einigkeit unter allen Gesundheitsministern. „Überbelegung ist ein echt großes Problem im Maßregelvollzug“, ergänzte Hommel. Die Hälfte der Suchtkranken könne aber im Maßregelvollzug nicht erfolgreich behandelt werden.
Die beiden ausgebrochenen Straftäter - wegen schweren Raubes zu Haftstrafen verurteilt - waren wegen einer Suchterkrankung nach Bedburg-Hau gekommen. Der 37-Jährige hatte am Dienstag eine unbeteiligte Frau auf einem Spielplatz in Aachen bedroht. Zwei Polizisten schossen in einem Nothilfe-Einsatz auf ihn. Die Obduktion habe gezeigt, dass eine der beiden abgegebenen Kugeln tödlich war, berichtete eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft am Freitag.
Mehr dezentrale Plätze im Maßregelvollzug gefordert
Sprecher der Oppositionsfraktionen von SPD und Grüne forderten mehr dezentrale Plätze im Maßregelvollzug. Die Missstände seien bekannt, man wolle gemeinsam mit der NRW-Regierung Pläne entwickeln, um Abhilfe zu schaffen. Die FDP kritisierte in Richtung SPD, dass sie mit der öffentlichen Sitzung Ängste schüren wolle. (dpa)