Schweinsteiger: Vom "Pummel" zum Weltmeister
Der erste vom deutschen Schauspieler Til Schweiger produzierte Dokumentarfilm beleuchtet die Karriere von Bastian Schweinsteiger und gibt Einblicke in seine Welt des Fußballs.
Bastian Schweinsteiger weint. Bedächtige Stille bei den Teamkollegen, die halbnackt auf Klappstühlen in der Umkleidekabine hocken. Schweinsteiger hört auf. Für immer. "That's it." Das sportlich unbedeutsame 5:2 seiner Chicago Fire bei Orlando City ist das letzte Spiel der Karriere des deutschen Fußballstars, die der Dokumentarfilm "Schweinsteiger: Memories – Von Anfang bis Legende" beleuchtet.
"Ich habe einfach gespürt, dass der Moment richtig ist, als Fußballer aufzuhören. Aber jetzt, wo man das Ende sieht, hat man die Bilder im Kopf aus der Jugend", berichtete Schweinsteiger in dem Film, der vom 5. Juni an beim Video-Streamingdienst Amazon Prime Video zu sehen ist.
"Erinnerungen waren schon immer wichtig für mich. Sie lösen große Emotionen bei mir aus, und ich erinnere mich gerne an meine Vergangenheit zurück", sagte Schweinsteiger der dpa. Der Film von Regisseur Robert Bohrer beginnt mit einem Blick zurück: Alpenidylle mit Kuhglocken, zu sehen ist ein Schild des FV Oberaudorf mit Eintrittspreisen von 3 Euro (Herren) und 2 Euro (Damen). Hier hatte, noch zu D-Mark-Zeiten, die trophäenreiche Laufbahn des späteren Weltmeisters begonnen.
Ein "kleiner Pummel" sei der junge Basti gewesen, aber "rotzig frech und so selbstbewusst", erinnert sich Jan Pienta, einst Bayern-Scout. Er ist einer der weniger bekannten Weggefährten, die bei den Preisungen in dem 112-Minuten-Film zu Wort kommen. Ansonsten ist viel Fußball-Prominenz vertreten, die über den "Fußballgott" einer Fangeneration und dessen Anfänge spricht. "Das war nicht so zu erkennen, dass der solch eine Karriere macht. Wenn das einer erzählt, der lügt", sagt Förderer und Former Hermann Gerland.
Mit seinem Chef Uli Hoeneß eckte der junge Schweini, der gerne mit der Frisur experimentierte, früh an. Nach dem ersten Tor-Glück für die Bayern-Profis küsste der schussgewaltige Mittelfeldspieler 2003 ein Haarband - was der damalige Manager überhaupt nicht lustig fand. "So einen Schmarrn braucht er nicht wieder machen. Der soll Fußball spielen und keinen Schauspieler machen", hat Hoeneß damals im TV geschimpft.
Der WM-Triumph 2014 war der sportliche Höhepunkt, über den der deutsche Bundestrainer Joachim Löw im Film ebenso gerne wie über den Protagonisten spricht. "Eigentlich war ich immer schon ein Fan von Basti, und das werde ich immer bleiben", sagt Löw, der drei Weltmeisterschaften mit Schweinsteiger erlebte.
Das Halbfinalaus im "Sommermärchen" 2006 gegen Italien war für Produzent Til Schweiger tränenreich, wie er in seinem ersten Dokumentarfilm verriet. Eine WM später ernannte Löw Schweini zum "emotionalen Leader", mit einem Handtuch um die Hüfte begrüßte er Kanzlerin Angela Merkel in der Kabine. Vier weitere Jahre danach jubelte die Regierungschefin auf der Tribüne mit, als Schweinsteiger beim 1:0 im Finale gegen Argentinien einen heroischen Kampf lieferte. "Das nennt man Held. Ein Held opfert sich auf", so Schweiger.
Schweiger und Schweinsteiger kennen sich seit vielen Jahren. Amüsant ist im Film eine Schweinsteiger-Führung durch die Tiefgarage am Vereinsgelände des FC Bayern. Der Verweis auf einen rosafarbenen Audi, der Franck Ribery gehöre, sorgt bei Schweiger & Co. für Erheiterung. Beim gemeinsamen Pastaessen tauschen sich Produzent und Protagonist über verschossene Elfmeter aus; der von Schweiger dürfte nicht so schmerzhaft wie der von Schweinsteiger im verlorenen Champions-League-Finale "dahoam" 2012 gewesen sein.
Schweinsteiger weinte nach seinem Pfostenschuss gegen Chelsea, Jugendfreund Felix Neureuther litt mit. "Der hat ausgeschaut wie der Tod", erinnert sich der frühere Skistar. Tränen sah Neureuther bei Schweinsteiger auch auf dessen Hochzeit mit Tennisgröße Ana Ivanovic. "Der hat Rotz und Wasser geheult", sagt Neureuther. "Da hab' ich gewusst, Basti, das ist die Richtige."
Ivanovic verrät ihren ersten Satz auf Deutsch, den ihr der Ehemann beibrachte: "Nein Danke, ich bin glücklich verliebt." Übermäßig viel Privates erfährt man in dem Film von dem Sportlerpaar, das mittlerweile zwei Söhne hat, nicht. Aber es sind schöne Bilder der Hochzeit in Venedig zu sehen. Ein eheliches Tennisspielchen der beiden gewinnt die Expertin. Schiedsrichter dabei ist Papa Fred, der wie Bruder Tobias ein paar persönliche Momente der Familienzeit preis gibt - was auch Filmaufnahmen des kleinen Basti liefern.
Der sportliche Weg Schweinsteigers wird mit vielen emotionalen Bildern nachgezeichnet, Fans können nochmals große Sport-Gefühle erleben. Bewegend ist die Abschiedsrede von Schweinsteiger, der immer wieder von Fußballgrößen gerühmt wird. "Bastian hat es geschafft, und dafür bewundere ich ihn, mit dieser gewissen Unbeschwertheit alles im Fußball zu erreichen, was es gibt - und ist sich dabei immer treu geblieben", bilanziert der frühere Startorwart Oliver Kahn: "Mehr kannst du nicht erreichen."
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(APA/Fin)