Der Kompromisslose
Zum 90. Geburtstag von Schauspieler und Regisseur Clint Eastwood
by Frank OlbertAuch ein Held kann lächerlich wirken. Als Clint Eastwood in Hollywood einmal eine seiner berüchtigten Anti-Obama-Reden hielt, musste ein Stuhl herhalten, um den abwesenden Präsidenten zu repräsentieren. Das Auditorium bog sich vor Lachen.
Eastwoods Vater war Stahlarbeiter, nach der Highschool hat der Sohn selbst am Hochofen gejobbt. Eine gewisse Härte und Bodenständigkeit waren ihm also gewissermaßen in die Wiege gelegt, so dass Eastwoods schauspielerische Anfänge als Fäuste schwingendes Raubein nicht weiter verwundern: Eine Western-Serie fürs Fernsehen hieß kurz und folgerichtig „Rawhide“ („Cowboys“).
Das Image des Clint Eastwood schien in Blei gegossen. Eastwood, das war der Rächer in Sergio Leones Western „Für eine Handvoll Dollar“. Später war er ganz einfach Dirty Harry alias Inspektor Harry Calahan – die Inkarnation des amerikanischen Ultrakonservatismus, ein Law-and-Order-Mann, der unverhüllt Selbstjustiz verübt, wenn ihm die Institutionen zu schlaff und bürokratisch erscheinen.
Doch das Erstaunliche, ja, das Bewunderungswürdige an diesem Mann ist die Kompromisslosigkeit, mit der er seine eigene Ikonenhaftigkeit zu demontieren vermag. Er tat dies als Schauspieler wie als Regisseur. „Erbarmungslos“ („Unforgiven“), wie sein 1992 gleich dreimal mit dem Oscar prämiertes Meisterwerk heißt, ist ein knallharter Anti-Western, der Widerruf aller früheren Werte von Männlichkeit und Durchsetzungsvermögen.
Seit den 80er Jahren forcierte Eastwood seine Regieeinsätze zu einer künstlerischen Parallelkarriere. Mitunter im Jahrestakt kommen neue Filme ins Kino, die seine schnörkellose Handschrift tragen, Fehlschläge inbegriffen wie „Hereafter“, mit dem Dirty Harry 2011 ein gefühlsduseliges Plädoyer für ein schicksalhaft mit dieser Welt verbundenes Totenreich abgab. Manchmal ist er Romantiker ohne Wenn und Aber, wie auch einst als Schauspieler in „Die Brücken am Fluss“ mit Meryl Streep.
Aber immer wieder gelangt er auf neue Höhen, wenn Eastwood, Mitglied der Republikanischen Partei, an seinen ideologischen Grundfesten zweifelt und rüttelt. Wäre jener Walter Kowalski aus „Gran Torino“ nicht ehemaliger Fließbandarbeiter in Detroit und Korea-Veteran – er könnte glatt als verrentete Version von Dirty Calahan durchgehen, wie er missmutig auf seiner Veranda sitzt und sich über die Asiaten im Viertel ärgert. Ausgerechnet dieser Tough Guy überwindet seinen Rassismus und schwingt sich zum Beschützer derer auf, die er verachtet.
Und dann die Filme, die Eastwood ohne Hoffnung auf kommerziellen Erfolg drehte, sondern schlicht und einfach deshalb, weil es ihn drängte: „Flags Of Our Fathers“ und „Letters From Iwo Jima“, dieser Doppelschlag, der das Ende des Zweiten Weltkriegs einmal aus der Sicht der Amerikaner und dann mit den Augen der Japaner betrachtet. Die Kinos blieben leer, aber Eastwood hatte sein humanes Verlangen gestillt, beide Seiten zum Zug kommen zu lassen.
Als Eastwood zum zweiten Mal in seinem Leben einen Oscar erhielt, für „Million Dollar Baby“ – da war er immerhin schon 74 Jahre alt –, saß seine greise Mutter Ruth im Publikum. Er habe ihre Gene geerbt und werde weitermachen. Am Sonntag wird er 90 Jahre alt.