Prozess gegen Lahrer Hanf-Händler offenbart knifflige Rechtslage

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"Der Angeklagte hat sich strafbar gemacht, wird aber nicht bestraft": Das Resümee der Freiburger Richterin lässt Unsicherheiten im Umgang mit CBD-Produkten erahnen. Bringt ein EU-Urteil Klarheit?

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Die gezackten Blätter sind ein Erkennungsmerkmal der Hanfpflanze. Doch nicht nur Botaniker springen auf sie an. Foto: Oliver Berg
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Vor dem Gerichtsgebäude am Holzmarkt in der Freiburger Innenstadt versammelten sich vor, während und nach der Verhandlung gegen Tobias Pietsch (Dritter von links) zahlreiche Unterstützer. Sie forderten neben einem Freispruch auch die Legalisierung von Cannabisprodukten. Foto: Stefan Mertlik
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Tobias Pietsch, März 2019. Foto: Kathrin Ganter

Entspannend, angstlösend und hilfreich gegen Depressionen, Migräne und chronische Schmerzen: Cannabidiol wird oft als eine Art Allheilmittel angepriesen. Die Substanz, abgekürzt als CBD, wird aus der Hanfpflanze gewonnen und kommt zumeist in Form von Ölen auf den Markt, welche in Hanfläden, Apotheken und bei Onlineshops erhältlich sind. Nun stand ein südbadischer Händler vor Gericht, weil er CBD-Blüten verkauft hat.

Es war im Frühjahr 2019, als Tobias Pietsch vor einem Millionenpublikum zu einer Art Hanf-Botschafter wurde: Mit beeindruckender Lockenpracht und lila Hoodie saß der heute 36-Jährige auf dem Kandidatenstuhl bei "Wer wird Millionär?", plauderte mit Günther Jauch über seine Arbeit und ließ den RTL-Moderator einen Hanfkeks kosten. Gewonnen hat er nicht viel: Von 32.000 Euro rauschte er auf 500 Euro herunter. Zum vierfachen Betrag dessen, also einer Geldstrafe von 2000 Euro, hat ihn nun das Freiburger Amtsgericht verurteilt. Auf Bewährung allerdings. "Verwarnung mit Strafvorbehalt" heißt der Vorgang juristisch. Dabei handelt es sich um die mildeste Strafe, die ein Gericht verhängen kann – aber eben nicht um einen Freispruch.

CBD-Produkte dürfen bis zu 0,2 Prozent THC enthalten

Pietsch hat sich strafbar gemacht, weil er in seinen Geschäften in Lahr und Freiburg – ein drittes führt er in Lörrach – sowie in seinem Online-Shop CBD-Blüten verkauft hat. CBD ist nicht zu verwechseln mit dem psychoaktiven Wirkstoff THC, der ebenfalls der Hanfpflanze entstammt und der Grund ist, warum Menschen bekifft werden von Cannabis- und Haschisch-Joints.

Nun steckt aber auch im CBD ein Hauch THC. Das macht die Sachlage diffizil. Verarbeitete CBD-Produkte wie Öle sind nur dann erlaubt, wenn sie maximal 0,2 Prozent THC enthalten. Harz und Blüten der Hanfpflanzen sogar nur dann, wenn sie für gewerbliche oder wissenschaftliche Zwecke eingesetzt werden, also nicht "just for fun". Die 0,2-Prozent-Marke rissen Pietschs Blüten nicht. Doch vertrieb er sie an Menschen, die sie wohl ganz simpel rauchten, denkbar ungewerblich und unwissenschaftlich. Daher die Verurteilung nach dem Betäubungsmittelgesetz.

Toxikologe weist auf geringe Rauschwirkung hin

Nun offenbarte die viertägige Verhandlung am Freiburger Amtsgericht aber auch die Tücken der Rechtslage. Ein Gutachter der Forensischen Toxikologie der Uniklinik Freiburg hielt fest, dass es ausgesprochen schwierig sei, durch CBD-Blüten eine Rauschwirkung zu erzielen: Dafür müsste ein Konsument binnen kürzester Zeit zehn Gramm rauchen – also etwa zehn Zigaretten. Gleichzeitig berichtete ein Polizist, der im Januar 2019 an der Durchsuchung von Pietschs "Hanfnah"-Läden in Freiburg und Lahr beteiligt war, von einer Handlungsempfehlung des Landeskriminalamts: Darin hieße es, die Beamten sollen eine Strafanzeige stellen, sobald THC in Produkten enthalten ist. Von einem erlaubten Anteil bis zu 0,2 Prozent sei keine Rede. Dies dürfte erklären, weswegen die Polizei damals rund 3,8 Kilogramm Cannabisprodukte beschlagnahmte – also mehr als nur die Blüten, wegen derer Pietsch nun verurteilt wurde. Öle, Tees, Kaugummi, Salben und etliche weitere Produkte dürfen in Geschäften wie "Hanfnah", die seit wenigen Jahren einen regelrechten Boom erfahren, weiterhin verkauft werden.

Doch dürfen sie das wirklich? Auch hier gibt es unterschiedliche Auffassungen. Rein formal sind etwa Hanföle mit fünf- oder zehnprozentigem CBD-Gehalt nicht verkehrsfähig – zumindest nicht als Nahrungsergänzungsmittel. Als solches dürfe es also weder von Hanfshops noch von Apotheken, Drogerien oder sonstigen Geschäften verkauft werden. Darauf weist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BLV) hin. Cannabidiol gilt demnach als "neuartiges Lebensmittel" und bedarf somit einer Zulassung nach der Novel-Food-Verordnung der EU. "Da eine Zulassung von CBD als neuartiges Lebensmittel bisher nicht erfolgt ist, sind derartige Erzeugnisse bislang nicht verkehrsfähig", heißt es auf der Homepage des BLV. Große Drogerieketten nahmen CBD-Öle daher im Frühjahr 2019 aus dem Sortiment. Kritiker verweisen auf fehlende Testverfahren, bezweifeln die Ungefährlichkeit von Cannabidiol und fordern einen Verkaufsstopp. Auch die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg rät von Kauf und Einnahme von CBD-Ölen ab.

Europäischer Gerichtshof steht vor einem Grundsatzurteil

Unterdessen beschäftigt sich auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit dem Problem. Hintergrund ist ein striktes Cannabidiol-Verbot in Frankreich – und die Frage, ob es mit dem europäischen Recht vereinbar ist. EuGH-Generalanwalt Evgeni Tanchev verneinte diese Frage Mitte Mai. Folgen die Richter seiner Auffassung, lieferte dies auch den deutschen CBD-Fans neue Argumente.

Wie breit gefächert die Interpretationen der Rechtslage derzeit sind, demonstrierte auch der Ausgang des Pietsch-Prozesses in Freiburg. Dort hatte die Staatsanwaltschaft eine drakonisch anmutende Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten auf Bewährung gefordert – wohingegen Richterin Julia Pfizenmaier nach ihrem Urteilsspruch salomonisch betonte: "Der Angeklagte hat sich strafbar gemacht, wird aber nicht bestraft."