Mazda MX-5 RF Edition 100: Ein modernes Auto mit der Seele eines alten
by Timo VölkerWir feiern immer gern: Diesmal Mazdas Roadster MX-5 in 100-Jahr-Jubiläums-Edition. Der konkurrenzlos leichte, unvergleichlich spaßig zu fahrende und dabei noch leistbare Zweisitzer stellt allerdings die Gewissensfrage.
Wien. Jubiläen aller Art kommen den Herstellern immer recht. Sei es, weil eine lange Historie doch etwas zählen sollte im Geschäft, sei es, um einen kleinen Marketing-Wirbel um Aktionsmodelle zu entfachen. Daimler erinnert uns längstens alle fünf Jahre daran, wer das Auto erfunden hat (nicht übrigens Gottlieb Daimler, sondern Carl Benz, 1886).
Wenn Mazda nun 100 Jahre seines Bestehens feiert, muss man auch genauer hinschauen. In den Anfangsjahren des Unternehmens mit Sitz in Hiroshima ging es nicht um Fahrzeuge, sondern um – Kork. Genauer: Korkersatz.
Das erste Vehikel ließ die Firma 1931 vom Stapel, ein motorisiertes Dreirad für landwirtschaftliche Zwecke. Und dieses Feld beackerte man eine Zeitlang, mit Ausnahme der Kriegsjahre, da war Rüstungsproduktion angesagt. Bis zum ersten Auto dauert es weitere drei Jahrzehnte: Von Mazda als Autohersteller bekam die Welt außerhalb Japans erst 1964 etwas mit, der kleine Familia geriet dafür gleich zum Bestseller.
Wir feiern immer gern, so auch 100 Jahre Mazda; am liebsten gleich mit einem Modell, das aus dem Feiern gar nicht mehr herauskommt: Erst im Vorjahr wurden 30 Jahre MX-5 begangen. Das knallorange Jubiläumsmodell hat sich durchaus eingebrannt in die Netzhaut. Gern satteln wir nun die „Edition 100“, denn Mazdas Roadster ist – man muss sagen: leider – ziemlich einzigartig auf der Welt.
Comeback und Revival
Der kleine Zweisitzer sagt wohl mehr über die Company aus als viele Jahreszahlen. Diese Rolle fiele sonst wohl RX-7/RX-8 mit Wankelmotor zu, aber diese Sportwagen-Baureihe ist leider nicht mehr unter uns. An einem Comeback des Rotationskolbenmotors wird indes gearbeitet, hört man immer wieder, auch wenn viel mehr als ein Schicksal als Range-Extender in einem Plug-in-Hybriden vermutlich nicht drin ist.
Hauptsache, der MX-5 bleibt uns erhalten. Mit Vorstellung der vierten Generation (ND genannt) 2016 verblüffte uns Mazda ja mit einem Bruch der Branchen-Konvention, wonach Nachfolger grundsätzlich größer und schwerer ausfallen. Der MX-5 wurde kleiner und leichter, blieb näher an der Ur-Formel, die vor 30 Jahren das Revival der Gattung auslöste.
Es gibt wohl kein Auto unter vier Meter Länge, das annähernd so viel Spaß macht wie der MX-5, und es gibt nur wenige darüber. Seine Thrills sind nicht Motorleistung, sondern das Zusammenspiel, die Balance aller fahrdynamisch relevanten Faktoren.
Dass Mazdas Ingenieure, allen voran der MX-5-Projektleiter, in dieser Hinsicht dem kleineren Motor mit 1,5 Liter Hubraum den Vorzug geben, erkennen wir respektvoll an. Trotzdem ist uns der Zweiliter mit 184 PS lieber. Eine Frage, die hingegen die Menschheit beschäftigen sollte: Roadster oder RF? Mit dem ND kam ja erstmals die Option eines Blechfaltdachs (Retractable Fastback, kurz RF).
Die Ausführung ist nach unsrem Dafürhalten stilistisch so hinreißend gelungen, dass man die etwa 40 Kilogramm Mehrgewicht, noch dazu an schwerpunktmäßig ungünstiger, weil hoher Stelle, hinnehmen mag. Es bleibt Geschmackssache, ob diese Extravaganz schon den Purismus des Autos verwässert (wir hatten den RF letztens auf einer Fahrzeugwaage, die ohne Fahrer 1100 kg anzeigte – konkurrenzlos leicht, von der teureren Alpine A110 abgesehen). Freilich: Das Stoffdach des Roadsters mit einer Hand zu entriegeln und, in Fahrt, nonchalant hinter sich zu werfen, hat zweifellos auch etwas. Wir würden trotzdem den RF nehmen, auch, weil diese Version – von den Verkäufen her eine von Vieren – ungleich rarer ist.
Mit der „Edition 100“ stellt sich eine weitere Frage. Das Jubiläumsmodell ist reichhaltigst ausgestattet, neben Komfort-Features wie Tempomat und Sitzheizung gefällt es mit schwarzen 17-Zoll-Felgen von BBS, dezentem Karosserie-Schmuck und Sitzen, die mit rotem, perforiertem Nappaleder bezogen sind. Wie ein König sitzt man in diesem materialfeinen Cockpit, ungeachtet aller SUV-Stoßstangen, die einem im Kolonnenverkehr auf Kopfhöhe entgegen blecken. In Fahrt lässt man diese Art von Autos ohnehin wie stehende Hindernisse hinter sich.
Nicht zu haben ist das, was wiederum den Kurven-Aficionado zu entzücken vermag. Es macht für den Kundigen einen sofort spürbaren Unterschied, so gut vermeidet es geringste Wankbewegungen der Karosserie, ohne mit ungebührlicher Härte zu strafen. Enthalten sind die Bilstein-Federbeine in der höchsten Ausstattungsstufe, die preislich gleichauf mit dem „Edition 100“ liegt.
Der Charme des MX-5 bleibt immer gleich – als ein Auto, das sich anfühlt wie früher, als man noch nicht die Last des bevorstehenden Weltuntergangs mit sich führte – und viel weniger Gewicht, Elektronik, Imponiergehabe und anderen Schamott. Dass der Motor immer anspringt, nicht viel verbraucht, Bremsen keine Schwäche zeigen und das (geschlossene) Dach verlässlich dichtet, das kann man schon so lassen.
Compliance-Hinweis: Die Reisen zu Produktpräsentationen wurden von den Herstellern unterstützt. Testfahrzeuge wurden kostenfrei zur Verfügung gestellt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2020)