Minnesota mobilisiert tausende Nationalgardisten
Dutzende US-Städte stellen sich auf weitere Unruhen bei Protesten gegen Polizeigewalt ein.
Angesichts der heftigen Proteste gegen Polizeigewalt in den USA hat der Gouverneur von Minnesota, Tim Walz, am Samstag die Mobilisierung von 13.000 Nationalgardisten angekündigt. In mehr als einem Dutzend Städte stellten sich die Behörden auf weitere Unruhen am Wochenende ein. Auslöser ist der Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis.
Die Unruhen in der Nacht zum Samstag gehörten zu den schwersten seit Jahrzehnten. In New York, Dallas, Atlanta und anderen Städten wurden Fahrzeuge und andere Einrichtungen der Polizei angezündet und zerstört. Vor dem Weißen Haus in Washington protestierten und sangen Demonstranten stundenlang, während Präsident Donald Trump sich im Gebäude aufhielt.
Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg
Gouverneur Walz sagte, er mobilisiere alle Nationalgardisten seines Bundesstaates, um gegen Randalierer vorzugehen, die im Großraum Minneapolis-St. Paul Geschäfte plünderten und Feuer legten. Es ist das erste Mal seit dem Zweiten Weltkrieg, dass die gesamte Nationalgarde des Bundesstaates mobilisiert wurde. Auch Einheiten der Militärpolizei wurden in Alarmbereitschaft versetzt, um gegebenenfalls in Minneapolis eingreifen zu können.
Trump drohte am Samstag örtlichen Behörden mit dem Einsatz der "unbegrenzten Macht des Militärs". Gouverneure und Bürgermeister müssten "viel härter" vorgehen, sonst werde die Regierung einschreiten. Die Regierung sei bereit, das nötige zu tun, um die Lage unter Kontrolle zu bekommen. Dann werde es auch "viele Festnahmen" geben.
Für die Stadt Atlanta im Staate Georgia sowie weitere Städte im Umland wurde der Ausnahmezustand erklärt. Rund 500 Mitglieder der Nationalgarde von Georgia sollen eingesetzt werden, um Menschen und Eigentum zu schützen, schrieb der Gouverneur von Georgia, Brian Kemp, am Samstag auf Twitter.
Die Bürgermeisterin von Atlanta, Keisha Bottoms, hatte Medienberichten zufolge darum gebeten, nachdem es am Freitag zu Gewalt bei den Protesten nach dem Tod des Schwarzen George Floyd gekommen war. Demonstranten griffen unter anderem das Hauptquartier des Senders CNN an.
Der Sender zeigte Live-Bilder aus der eigenen Zentrale, auf denen zu sehen war, wie Demonstranten von außerhalb Gegenstände auf Polizisten im Eingangsbereich des Senders warfen. Auf der Webseite des Lokalsenders WRCB TV war unter anderem ein Foto eines brennenden Autos zu sehen.
Auch in anderen US-Städten kam es in der Nacht auf Samstag, der vierten Nacht in Folge, zu Protesten, die vereinzelt in Gewalt ausarteten. In Minneapolis gingen Tausende trotz Ausgangssperre auf die Straßen. Auch aus New York, Los Angeles, Dallas, Louisville und anderen Orten wurden Proteste gemeldet. Vor dem Weißen Haus in Washington versammelten sich ebenfalls Demonstranten. Einige von ihnen stießen Barrikaden um.
Ursprünglich entzündeten sich die Proteste in Minneapolis an der Tatsache, dass die Polizisten offenbar nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Doch inzwischen ist die Wut zu einem Selbstläufer geworden. Obwohl der Hauptakteur der Polizeiaktion, jener Mann, der minutenlang am Hals von George Floyd gekniet hatte, am Freitag des Mordes wegen angeklagt worden ist, gingen die Proteste unvermindert weiter.
Demonstrationsverbot in Los Angeles
In anderen US-Großstädten schienen sie sich sogar zu verstärken. Bilder zeugten von Eskalationen nicht nur in Altanta, sondern auch in New York, Denver und Washington. Wut, die sich unter der Woche aufgestaut hatte, schien sich nun am Wochenende zu entladen. Portland im Bundesstaat Oregon hat wegen teils gewaltsamer Proteste den Notstand und eine nächtliche Ausgangssperre verhängt. Plünderungen und Brandstiftungen seien kein Mittel, sich für Veränderungen einzusetzen, sondern schlicht "widerwärtig", erklärte Bürgermeister Ted Wheeler am Samstag über Twitter. In Los Angeles erklärte die Polizei infolge gewaltsamer Proteste ein Demonstrationsverbot für das Stadtzentrum.
Floyd war am Montag bei einem Polizeieinsatz in Minneapolis ums Leben gekommen. Während einer der vier an dem Einsatz beteiligten Polizisten des Mordes angeklagt wurde, dauert die Untersuchung der anderen drei an dem Einsatz beteiligten Polizisten an. Der bereits Angeklagte und ein zweiter der Polizisten haben in ihrer Vergangenheit schon von Gewalt überschießend Gebrauch gemacht. Vor allem gegenüber afroamerikanischen Verdächtigen.
CNN-Team festgenommen, CNN-Eingangsbereich verwüstet
Infolge von Floyds Tod war es in den vergangenen Nächten zu schweren Ausschreitungen zuerst in Minneapolis im US-Bundesstaat Minnesota gekommen. Ein CNN-Kamerateam mit einem schwarzen Reporter wurde zeitweise festgenommen. CNN berichtete ausführlich darüber, dass ein weiteres Team, mit weißen Reportern, verdächtigerweise nicht festgenommen worden war. Hier zeigte die TV-Station den systemischen Rassismus bei der Polizei in Minneapolis auf. Trotzdem entlud sich die Wut der Bevölkerung auch auf CNN: Die CNN-Zentrale in Atlanta wurde später von aufgebrachten Demonstranten verwüstet.
US-Justizminister William Barr kündigte an, Bundesbehörden wie das FBI würden parallel zu den Ermittlungen der Behörden in Minnesota untersuchen, ob die betroffenen Polizisten Bürgerrechtsgesetze verletzt hätten. Er sei zuversichtlich, dass der Gerechtigkeit im Fall Floyd Genüge getan werde.
Rasche Untersuchung angekündigt
Minnesotas Gouverneur Tim Walz sicherte am Freitag bei einer emotionalen Pressekonferenz zu, dass die Justiz das Vorgehen der Beteiligten schnell untersuchen werde. Der Gouverneur teilte das Entsetzen über den Vorfall. "Das Kapitel, das diese Woche geschrieben wurde, ist eines unserer dunkelsten Kapitel", sagte er. Walz rief Demonstranten eindringlich zum Gewaltverzicht auf.
Angesichts der jüngsten Ausschreitungen sprach US-Präsident Trump eine Drohung aus. "Habe gerade mit Gouverneur Tim Walz gesprochen und ihm gesagt, dass das Militär ganz an seiner Seite steht. Wenn es Schwierigkeiten gibt, werden wir die Kontrolle übernehmen, aber wenn die Plünderungen beginnen, beginnt das Schießen", twitterte Trump. "Diese Schlägertypen entehren das Andenken an George Floyd, und das werde ich nicht zulassen." Twitter versah kurz darauf den Tweet mit einem Warnhinweis, weil der Beitrag gegen das Verbot von Gewaltverherrlichung bei dem Dienst verstoße.
Mit seinem Satz zu möglichen Schüssen auf Plünderer zitierte Trump einen Satz von 1967, mit dem der damalige Polizeichef von Miami ein hartes Vorgehen gegen die schwarze Bevölkerung angekündigt hatte. Trump relativierte seine Aussage am Freitag in einem weiteren Tweet. Er teilte mit, er habe nur gemeint, dass Plünderungen zu Waffengewalt führen könnten, was ein Fakt sei.
Minneapolis' Bürgermeister Jacob Frey appellierte an die Menschen, sich auf friedliche Proteste zu beschränken. Plünderungen und Gewalt seien inakzeptabel. Trump hatte Frey Versagen vorgeworfen. "Entweder kriegt der sehr schwache Bürgermeister der Radikalen Linken, Jacob Frey, die Kurve und bringt die Stadt unter Kontrolle, oder ich schicke die Nationalgarde rein und erledige den Job richtig." Frey sagte dazu: Schwäche ist es, in einer Krise mit dem Finger auf jemand anderen zu zeigen." Minneapolis sei "verdammt stark". (apa)