Baden, beten, tanzen, Sex

Wie alltagstauglich sind die Schutzkonzepte?

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Stehen wir nun im Sommer stundenlang in der Badi an – und tanzen nur noch draussen? Vier Branchenvertreter klären auf.

Der Bundesrat hat beschlossen: Ab dem 6. Juni geht es für die Schweizer Bevölkerung mit grossen Schritten in Richtung Normalität. Nur – wie wird diese neue Normalität aussehen?

Die Branchen sind gefragt, praktikable Schutzkonzepte für Gäste und Besucher aufzustellen. Oft klafft dabei aber Theorie und Alltagstauglichkeit auseinander. Fünf Branchenvertreter klären auf.

«In grossen Bädern wird es kaum Wartezeiten geben»

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«Eine definitive Prognose zu den Wartezeiten zu treffen, ist schwierig», so Martin Enz vom Verband Hallen- und Freibäder. (Badi Weyermannshaus in Bern)Keystone
Badis und Freibäder

Das Schutzkonzept des Verbands für Hallen- und Freibäder sieht unter anderem vor, dass die zwei Meter Abstandsregel eingehalten wird, indem mit maximal einem Badegast pro zehn Quadratmeter Fläche gerechnet wird. Die Plätze für Sonnenanbeter und Wasserratten sind also begrenzt.

Muss man nun morgens schon stundenlang für einen Badiplatz anstehen?

Martin Enz, Geschäftsführer Verband Hallen- und Freibäder: «Es gibt Freibäder mit bis zu fünf Hektaren Landfläche. Unter Einhaltung der 10 Quadratmeter pro Gast bieten diese selbst dann noch sehr vielen Gästen am Tag Platz. Dort werden Sie kaum anstehen müssen. Bei den kleinen Bädern ist es natürlich unter Umständen möglich. Vielleicht kommen aber auch generell weniger Badegäste, das Verhalten der Bevölkerung kann ich nicht prophezeien.»

«Kreativität im Gottesdienst ist gefragt»

Gottesdienste

Laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) ist aktuell noch auf das Singen in Gottesdiensten wegen der Tröpfcheninfektion zu verzichten. Mit den Lockerungen vom 6. Juni hofft aber auch die Kirche auf eine Anpassung. Das momentane Schutzkonzept für Gottesdienste sieht noch vor, an den Gottesdiensten an Pfingsten zu summen statt zu singen und auf die Austeilung von Gesangsbüchern zu verzichten.

Was passiert mit Gläubigen, die lauthals mitsingen?

Simon Hofstetter, Beauftragter für Recht und Gesellschaft evangelisch-reformierte Kirche Schweiz: «Die Richtlinien sind ein Appell an die Eigenverantwortung. Jemand aus dem Gottesdienst ausschliessen würden wir bei einer Übertretung daher nicht – auch wenn sich jemand weigert, eine Namensangabe zu machen oder laut mitsingt. Man würde mit dem Gläubigen aber das Gespräch suchen. Wir wissen noch nicht, wie sich der Sommer für die Kirchengemeinschaft gestaltet – aber wir setzen auf kreative Lösungen in den Gottesdiensten, um trotz Richtlinien eine feierliche Stimmung zu schaffen, beispielsweise mit Solosängerinnen- und Sänger.»

Die Clubbranche ist verunsichert

Clubs und Discotheken

Das Schutzkonzept der Clubbetriebe setzt auf Eigenverantwortung. Der Gast soll sich der Schutzmassnahmen bewusst sein und Vorkehrungen treffen können, wie im öffentlichen Verkehr. Zudem wird die Rückverfolgungsmöglichkeit garantiert. Das Konzept ist noch nicht öffentlich einsehbar. Generell gilt: Veranstaltungen mit bis zu 300 Personen sind ab 6. Juni zwar wieder erlaubt, aber die Sperrstunde für Lokale ist nicht aufgehoben.

Tanzt man im Sommer draussen unter freiem Himmel?

Alexander Bücheli, Schweizer Bar- und Clubkommission: «So einfach ist es nicht – Bewilligungen für Outdoorpartys und für die damit einhergehende Beschallung einzuholen, ist relativ schwierig. Viele Betriebe haben auch keine Möglichkeit, Feste draussen zu veranstalten – diese dürfen nicht benachteiligt werden. Wir würden es begrüssen, wenn es in den Städten diesen Sommer Flächen gibt, die solidarisch im Kollektiv von verschiedenen Clubs bespielt werden können. Momentan ist die Verunsicherung in der Branche aber sehr gross. Wir haben dem BAG am Montag einen Zeitplan inkl. Schutzkonzept vorgelegt, keine Antwort bekommen und wurden von den Lockerungen überrascht. Die limitierten Öffnungszeiten sind eine massive Einschränkung unseres Tätigkeitsgebietes – wir leben schliesslich in der Nacht. Viele Clubs werden so noch nicht aufmachen können. Die Bedürfnisse werden dadurch in die Illegalität gedrückt, ganz ohne Rückverfolgungsmöglichkeiten und Schutzkonzepte, das ist schade und kontraproduktiv.»

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Die Party ist vorbei – für viele Clubs zumindest. Alternative Locations werden dafür ins Visier genommen.Keystone

Mundschutz im Sexgewerbe

Sexgewerbe

Prokore (Nationaler Zusammenschluss der Beratungsstellen für Sexarbeitende) stellt in seinem Schutzkonzept vor, wie sexuelle Dienstleistungen angeboten werden können – beispielsweise durch Safer Sex, indem Stellungen praktiziert werden, bei denen Tröpfchenübertragung gering ist und keine gesichtsnahen Dienstleistungen praktiziert werden sowie mit Mundschutz. Zudem soll die Bettwäsche öfters gewaschen und das Zimmer gelüftet werden.

Wird ein Freier auch ohne Mundschutz bedient?

Nathalie Miria Schmidhauser (Prokore): «In unserem Schutzkonzept empfehlen wir das Tragen einer Maske bei allen Dienstleistungen. Wir haben noch keine Rückmeldung vom BAG bezüglich unseres Schutzkonzepts und welche Massnahmen obligatorisch sein werden und welche Empfehlungen bleiben werden. Es ist deswegen auch unklar, ob das Maskentragen währenddessen obligatorisch sein wird. Darum können wir die Frage vorerst nicht beantworten.»

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▶️ Aus dem Archiv: Grosser Lockerungsschritt in der Schweiz
Aus Tagesschau vom 27.05.2020.