Schwimmtasche rettet Leverkusenerin
Schwiegervater mit Beil auf 41-Jährige losgegangen
by Eva KunkelLeverkusen/Köln - Als Josef L. (Namen geändert) mit dem Fleischerbeil auf seine Schwiegertochter zugeht, ist sein Schritt fest. Die Krücken, auf die er sonst angewiesen ist, lässt er stehen. Für Tamara L. kam der Vorfall aus dem Nichts, schildert die Leverkusenerin am Donnerstag vor dem Landgericht Köln. Mit dem Schwiegervater verstand sie sich gut. Es klingt, als wäre Josef L. in diesem Moment jemand anderes gewesen. An höhere Kräfte, an Dämonen und Teufel, soll der Beschuldigte fest glauben.
Gebeugt und an Krücken betritt der 77-Jährige am Donnerstag den Gerichtssaal am Landgericht Köln. Josef L. hat dünnes weißes Haar und spricht leise. „Fällt mir sehr schwer zu sprechen“, sagt er immer wieder. Er entscheidet sich gegen eine eigene Aussage.
Anfang Dezember 2019 soll Josef L. mit einem Fleischermesser von 24 Zentimeter Klingenlänge mehrmals in Richtung seiner Schwiegertochter ausgeholt haben. „Die Tat geschah im Zustand der Schuldunfähigkeit und ist Ausdruck einer krankhaften seelischen Störung“, heißt es in der Anklage. Der Beschuldigte sei unfähig, das Unrecht seines Handelns einzusehen. Weitere Taten könnten nicht ausgeschlossen werden, weshalb Josef L. eine „Gefahr für die Allgemeinheit“ darstelle. Er schüttelt den Kopf bei diesen Worten. Flüstert: „Nein, nein.“
Der Angeklagte deutet auf seine Brust. „Innere Belastung, die mich erpresst“, sagt er. Er möchte in das Pflegeheim, in dem seine Frau lebt. Wenn sie noch lebt, setzt er nach. Es gab lange keinen Kontakt mehr.
41-Jährige hört Scheppern
Acht Monate alt ist die kleine Tochter von Tamara L. und Fabian L., als der Opa mit dem Fleischerbeil vor ihrer Mutter steht. Sie sitzt im Maxi-Cosi, gleich soll es zum Babyschwimmen gehen. Tamara L. hat die gepackte Tasche über der Schulter. Badeanzug, Schlappen, Windeln. Die Familie lebt mit dem Schwiegervater in einem Haus in Leverkusen. Tamara L., Fabian L. und die gemeinsame Tochter wohnen im ersten Stock. Aus dem Erdgeschoss, das der Schwiegervater bewohnt, hört die 41-jährige Polizeibeamtin vormittags ein Scheppern. Sie macht sich Sorgen um den gebrechlichen Mann und klopft an die Tür. „Als hätte man den Wahnsinn in den Augen“, sagt Tamara L. über den Moment, als sie in das Gesicht ihres Schwiegervaters schaut. Er hält das Fleischerbeil über dem Kopf, geht auf sie zu. Josef L. holt aus. Eine grau-schwarze Schwimmtasche rettet seine Schwiegertochter. Sie hält sie vor das Gesicht, wehrt damit die Hiebe ab. Der Schwiegervater drängt sie in den Flur, bis sie mit dem Rücken zur Eingangstür steht.
„Was machst du da? Ich bin deine Schwiegertochter, das ist dein Enkelkind“, ruft Tamara L. Er habe nicht reagiert, sie nicht erkannt, sagt sie vor Gericht. Erst als sie um Hilfe ruft, hören die Hiebe auf. Mit dem Beil in der Hand macht Josef L. das Kreuzzeichen. Tamara L. nimmt den Maxi-Cosi in dem ihre Tochter sitzt und geht hinaus.
Der Angeklagte hört seiner Schwiegertochter genau zu. Er wendet den Blick nicht von ihr ab. Die 41-Jährige war es, die Vater und Sohn wieder in Kontakt gebracht hat. Bis zu diesem Tag seien für seinen Vater, der an Verfolgungswahn leide, immer die anderen die Bösen gewesen, nie seine Frau und seine Tochter, erklärt Sohn Fabian L. die Sicht des Beschuldigten. Am Freitag soll gegen Josef L. das Urteil am Landgericht in Köln fallen.