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Ein leerer Klassenraum in einer Grundschule in Frankfurt. Foto: Arne Dedert/dpa ©dpa-infocom GmbH

Schulunterricht in Corona-Zeiten: Wie geht es weiter?

Der Streit um das Tempo der Schulöffnungen hat wieder an Fahrt gewonnen. Wie könnte der Unterricht an Deutschlands Schulen nach den Sommerferien aussehen?

Eltern- und Lehrervertreter sehen wegen der Corona-Krise Handlungsbedarf bei der Vorbereitung des Unterrichts nach den Sommerferien.

Der Vorsitzende des Bundeselternrats, Stephan Wassmuth, schlägt etwa Vereinshäuser oder Tagungszentren als zusätzliche Räumlichkeiten vor, um Abstandsregeln einhalten zu können. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, mahnte eine besondere Förderung benachteiligter Kinder an.

Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz der Länder, Stefanie Hubig (SPD), sagte der «taz»: In allen Bundesländern bestehe der dringende Wunsch, zu stärkerer Normalität zurückzukehren. «Im Grunde ist unser Weg der gleiche: Wenn möglich, soll nach den Sommerferien ein Normalbetrieb in den Schulen stattfinden», so die rheinland-pfälzische Ressortchefin. «Wir werden uns zu Beginn der nächsten Woche austauschen.»

Der Streit über das Tempo bei Schul- und Kitaöffnungen hatte am Donnerstag weiter Fahrt aufgenommen. Mehrere Bundesländer haben inzwischen angekündigt, dass zumindest an Grundschulen die Schüler bald nicht mehr getrennt, sondern wieder in voller Klassenstärke unterrichtet werden sollen. Auch die Frage, ob es wenigstens nach den Sommerferien an den Schulen wieder halbwegs normal weitergehen soll, bleibt umstritten.

Der Bundeselternrats-Vorsitzende Wassmuth ist skeptisch. «Wir müssen davon ausgehen, dass auch nach den Ferien die Abstandsregeln weiter gelten», sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Freitag). «Um möglichst viel Präsenzunterricht für möglichst viele Schüler zu ermöglichen, sollten auch andere Gebäude fürs Lernen genutzt werden: Vereinshäuser, kommunale Veranstaltungsräume, Tagungszentren, Kongressräume in Hotels oder sogar Messehallen.»

Die Schulträger sollten bereits jetzt solche Ausweichlösungen einplanen, damit die Schulen nach den Sommerferien mit mehr Platz starten könnten. «Wir rechnen damit, dass es an den meisten Schulen eine Mischung aus Präsenzunterricht und digitalem Fernunterricht geben wird.» Wassmuth forderte, die nächsten Wochen zu nutzen, um die Lehrer dafür fit zu machen: «Damit sämtliche Lehrer in der Lage sind, mit digitalen Systemen umzugehen und online zu unterrichten, sollten die Sommerferien für Schulungen genutzt werden.»

Lehrerverbands-Präsident Meidinger forderte klare Vorgaben für Fernunterricht. «So lange die Schulen noch nicht wieder im Regelbetrieb sind, aber auch für den Fall einer zweiten Infektionswelle brauchen wir klare Regeln für das Homeschooling», sagte er den Funke-Zeitungen. «Verpflichtende Anwesenheit bei Videoschalten mit dem Lehrer, die Pflicht zum Erledigen von Aufgaben und eine einheitliche Regelung zur Vergabe von Noten.»

Meidinger berichtete vor einer enormen Spreizung bei den Leistungen der Schüler infolge der Corona-Zwangspause: «Es gibt Kinder, die haben keinerlei Defizite, und es gibt andere, bei denen war acht Wochen lang praktisch Sendepause.» Wichtig sei, dass es nach den Sommerferien für leistungsschwache, benachteiligte Kinder eine systematische Förderung gebe. «Sollte es weiterhin einen Wechsel von Präsenzunterricht und digitalem Fernunterricht geben, sollten diese Kinder davon ausgenommen werden. Sie brauchen permanenten Präsenzunterricht, um nicht weiter zurückzufallen.»

Die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Marlis Tepe, sprach von einer «Quadratur des Kreises». «Einerseits möchte sich die Gesellschaft vor einer Pandemie schützen, andererseits die Erwerbstätigkeit von Eltern ermöglichen», sagte sie der «Passauer Neuen Presse». Sie warnte: «Klassenräume sind zu klein, um das Abstandsgebot einzuhalten. Nicht überall gibt es gute Lüftungsmöglichkeiten.» Gesundheitsschutz gehe vor.

Sachsen hatte als erstes Bundesland Grundschulen und Kitas im eingeschränkten Regelbetrieb wieder geöffnet. Statt auf kleine Gruppen und Abstandsregeln zu setzen, werden Gruppen und Klassen voneinander getrennt. Schleswig-Holstein hatte nun am Mittwoch ebenfalls entschieden, dass dort alle Grundschüler ab dem 8. Juni wieder zur Schule gehen sollen - ohne Abstandsregeln. Ab Mitte Juni peilt auch Sachsen-Anhalt für Grundschüler einen Betrieb in gesamter Klassenstärke an. In Baden-Württemberg ist das ab Ende Juni geplant.

dpa