Die 15- und 16-Jährigen wehren sich: "Waren völlig verängstigt": Schüler sollten 600 Euro Bußgeld fürs Joggen bezahlen
by FOCUS OnlineDrei Freunde waren in Gelsenkirchen joggen - und staunten nicht schlecht, als sie plötzlich vom Ordnungsdienst gestoppt wurden. Der Grund: Sie waren zu dritt unterwegs. Obwohl sie die Corona-Abstandsregeln einhielten, sollen sie 200 Euro pro Nase zahlen. Das wollen die 15- und 16-Jährigen nicht auf sich sitzen lassen.
Es war Ende März als die drei Freunde Abid, Efe und Mario sich zum Joggen verabredeten. Eigentlich spielen die 15- und 16-jährigen Schüler gemeinsam Fußball beim SG Wattenscheid, doch weil in Nordrhein-Westfalen einige Tage zuvor die Kontaktbeschränkungen wegen der Corona-Pandemie eingeführt wurden, musste das Training vorerst ausfallen. Wegen der Vorgabe ihres Trainers, sich in dieser Zeit fit zu halten, beschlossen die Jungs, gemeinsam joggen zu gehen.
Doch die drei kamen nicht weit. „Nach etwa 200 Metern wurden sie vom kommunalen Ordnungsdienst aufgehalten“, sagt der Vater von Abid, Ömer Yanik. Die Jungs seien damals völlig verängstigt gewesen, erzählt er weiter. Sie hätten zu diesem Zeitpunkt noch nicht gewusst, was sie falsch gemacht haben. Dass das gemeinsame Joggen zu dritt verboten ist, sei ihnen, wenige Tage nach Erlass der Verordnung, noch nicht bewusst gewesen. Die nötigen 1,5 Meter Abstand hätten sie jedoch eingehalten. Die Ordnungsbeamten hätten damals ihre Kontaktdaten aufgenommen und gesagt, dass nicht zwingend ein Bußgeld fällig werde.
Vater: „Wenn sie herumgelungert hätten, hätte ich es verstanden“
Doch der Bußgeldbescheid über 200 Euro habe die Jungs bereits wenige Tage später ereilt, erzählt Abids Vater Ömer Yanik im Gespräch mit FOCUS Online. „Ich kann das nicht verstehen“, empört er sich. „Wenn sie irgendwo herumgelungert hätten, hätte ich es verstanden. Aber sie sind in ihrer Fußballvereinsmontur joggen gegangen.“ In den Augen des Vaters hätte eine Mahnung völlig ausreicht. „Mein Sohn bekommt 20 Euro Taschengeld im Monat. Mit den 200 Euro wäre fast sein ganzes Jahresbudget draufgegangen. Das ist doch völlig unverhältnismäßig bei einem 16-Jährigen. Zumal die Regelungen erst wenige Tage alt waren.“
Deshalb habe sich sowohl die Familie Yanik als auch die der zwei anderen Jungs dazu entschieden, das Bußgeld nicht zu bezahlen und einen Anwalt hinzuzuziehen. Gemeinsam mit dem Gelsenkirchener Strafrechtler Arndt W. Kempgens haben die Familien bei der Stadt Beschwerde eingereicht.
Und tatsächlich ist die Stadt Gelsenkirchen den jugendlichen Joggern entgegengekommen. „Sie haben das Bußgeld auf 75 Euro reduziert“, erzählt Yanik. Doch er halte auch diesen Betrag für unverhältnismäßig: „Wir geben nicht nach und fordern, dass das Bußgeldverfahren eingestellt wird.“
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„Es wurden tausende Bußgeldverfahren durch die Behörden eingeleitet und übrigens ungewöhnlich schnell Bußgeldbescheide verhängt“, erklärt der Anwalt der Familien, Arndt W. Kempgens. Dies sei einerseits nachvollziehbar, weil die Behörden – auch aus Präventionszwecken – schnell reagieren wollten. „Andererseits passieren bei behördlicher Schnelligkeit auch viele handwerkliche Fehler.“
Unklarheiten bei den Regelungen würden jedoch im Endeffekt zu Lasten der Behörden gehen. „Betroffene können sich darauf berufen, um Einstellung der laufenden Bußgeldverfahren zu erreichen“, erklärt der Rechtsanwalt. In vielen Fälle lohne es sich, Einspruch zu erheben.
Die Jungs hätten sich seit dem saftigen Bußgeldbescheid nicht einmal mehr getraut, zu zweit joggen zu gehen, erzählt Abids Vater. Stattdessen habe jeder für sich im Garten trainiert. Seit Anfang der Woche ist das Vereinstraining aber wieder erlaubt - und die Jungs treffen sich wieder regelmäßig.
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