Skandal an Zürcher Herz-Klinik ist Big Cover-Up
Chef hat verschworene Helfer-Truppe, die mit Privatdeals reich wurde. Unispital-Präsident und -CEO schauten monatelang zu.
by Lukas HässigFrancesco Maisano ist Professor, Herzchirurg, Leiter Herzklinik am Unispital Zürich. Und er ist Multi-Millionär, dank versteckt gehaltenen Privatdeals mit Medizinalfirmen.
Das weiss die Spitalführung unter Präsident Martin Waser, Ex-Stadtrat, und Gregor Zünd, CEO und selber Medizinforscher, seit Monaten.
Trotzdem schauten Waser und Zünd weg. Sie liessen Maisano weiter schalten und walten. Erst als der Tages-Anzeiger letzte Woche vom Untersuchungsbericht der Kanzlei Walder Wyss schrieb, reagierten sie.
Wie ertappte Trickser. Sie legten Bericht Neptun offen. Der zeigt Erschreckendes. Unfassbares. Ein Netzwerk um Professor Maisano, das Patienten Geräte ins Herz pflanzt, mit denen es reich wird.
Ethik? Patient über allem? Klare Trennung von Privatem und Wissenschaft? Freiwillige Offenlegung? Davon ist im Walder Wyss-Bericht wenig zu sehen. Trotzdem finden die Prüfer: nicht so schlimm.
Ein bestelltes Gutachten? Man könnte es meinen. Jedenfalls steht die Spital-Spitze mit Waser und Zünd, die seit spätestens Dezember respektive Januar Bescheid wussten, hinter Herz-Chef Maisano.
„Professor Zünd hat weder Aktien der involvierten Firmen noch ist er ‚am möglichen wirtschaftlichen Konstrukt rund um den Herzchirurgen‘ in irgendeiner Art und Weise beteiligt“, schreibt eine Sprecherin des Unispitals Zürich.
„Sie können davon ausgehen, dass Professor Zünd über die gemeldeten Engagements des Leiters der Herzchirurgie im Bilde war, nicht aber über die Beteiligungen, die erst mit dem Bericht bekannt wurden“, hält das USZ, wie das Unispital kurz heisst, weiter fest.
Und: „Das Verhalten ‚zu dulden‘ oder ‚etwas zu unternehmen‘ liegt nicht im Kompetenzbereich von Professor Zünd, sondern ist Aufgabe des Spitalrats.“
Ich nicht, Du auch. Das gleiche Versteckspiel auf oberster Stufe, bei Spitalpräsident Waser. Der meint auf die Frage, ob er noch Vertrauen habe in USZ-CEO Zünd: „Ja, ohne wenn und aber!“
Heute meint Waser gegenüber der NZZ, man habe sicher „nichts „vertuschen“ wollen.
Ein Herz-Chef, der millionenfach mit versteckt gehaltenen Optionen kassiert, die er mit eigenen Studien lobt, obwohl Patienten zum Teil reanimiert werden mussten, und alle findens soweit OK:
Wie ist das möglich? In Zürich, in der Schweiz? Am grossen Universitätsspital, finanziert mit irrwitzigen Summen des Bürgers und der Gesellschaft?
Professor Maisano war um die Jahrtausendwende im San Raffaele-Spital in Mailand. Dort half ihm eine Frau und ausgebildete Medizinerin, Monica Tocchi. Offizielle Aufgabe: Wissenschaftliche Koordinatorin.
Im San Raffaele hängte sich Tocchi an Maisanos Rockzipfel. Sie wurde im Verlauf der Jahre Managerin für diverse Privatfirmen mit Bezug zum Professor und sitzt in Organisationen, die mit dem Italiener kooperieren.
Die Firmen tragen Namen wie Occlufit in Zürich, Simulands, SwissVortex oder Meditrial Europa, letztere alle mit Sitz in Zug. Bei einigen fordern die Behörden inzwischen rasche Massnahmen, sonst gehen sie zu.
Bei den Firmen geht es um Simulationen, um Auftritte an Kongressen, um Geräte-Entwicklungen für Herz-Operationen, um Forschung und später dann – wenns gelingt – um Big Business.
Oft spricht Maisano im USZ-Kittel an vorderster Front bei Kongressen, an denen eine der Firmen von Monica Tocchi verdient.
Während Tocchi als Managerin in all diesen Firmen wirbelt, kümmert sich ein zweiter enger Vertrauter von Professor Maisano um dessen Deals und Beteiligungen.
Es handelt sich um einen Mann namens Andrea Guidotti. Dieser war nach Maisanos Berufung ans Uni-Spital Zürich einige Jahre lang ebenfalls in dessen Herz-Klinik.
Dort sollte er sich um die Anliegen des USZ und dessen wichtige Herz-Abteilung kümmern. Dann hätte er vermutlich auch Karriere gemacht.
Eine solche blieb bis heute aus. In der USZ-Herzchirurgie ist Guidotti „Research Assistant“.
Guidotti hatte seine Ambitionen woanders: rund um jenen Deal, an dem sein Chef Maisano gross beteiligt war und der den Herz-Chirurgen reich machte, was der Professor am USZ geheim gehalten hatte.
Im Fokus steht die Firma Valtech. Professor Maisano war einer der Mitbegründer der Valtech und am Unternehmen mit eigenem Geld beteiligt.
Ende 2016 meldete das US-Unternehmen Edwards, ein börsenkotierter Medizinal-Konzern, dass es den Kauf der Valtech beabsichtige. Wenige Wochen später ging die Akquisition wie geplant über die Bühne.
Für insgesamt fast 700 Millionen Dollar wurde Edwards neue Besitzerin von Valtech. Deren Eigentümer, darunter Professor Maisano, machten nicht nur Kasse, sondern durften auch einen kleinen Firmen-Teil behalten, worauf Edwards ein Kaufrecht hatte.
Andrea Guidotti, der enge Vertraute und Weggefährte von USZ-Herz-Professor Maisano, wurde in der Folge VR-Präsident von neu gegründeten Firmen. In einer davon, der SwissVortex, sitzt auch Maisano zuoberst.
Eine weitere Firma mit Sitz in Zürich, die Occlufit, bei der Andrea Guidotti Präsident ist sowie Monica Tocchi und ein dritter enger Vertrauter von Professor Maisano im VR sitzen, hat die Universität Zürich vor Jahresfrist öffentliche Gelder investiert.
Die US-Firma Edwards rechnete damit, dass sich der teure Kauf von Valtech nach einer Zulassung eines sogenannten Cardiobands, mit dem defekte Herzklappen besser geschlossen werden konnten, auszahlen würde.
Doch im Februar 2018, ein Jahr nach der definitiven Übernahme von Valtech, dem Unternehmen von Professor Maisano, gabs einen Rückschlag mit dem Cardioband. Rückruf-Aktion.
Kurz vorher hatten die Verkäufer von Valtech, darunter Professor Maisano, eine weitere Tranche des abgemachten Kaufpreises erhalten. Und: Maisano baute das Cardioband bei Zürcher Patienten wiederholt ein.
Denen sagte er nichts von seinen finanziellen Engagements bei Privatfirmen, darunter jene mit dem Cardioband.
In mehreren Fällen kam es zu Komplikationen, die Maisano beschönigte. Seine Operationen führten wiederholt zu gut klingenden Berichten.
Solche sind nötig, um die angestrebte Zertifizierung der Gesundheits-Behörden zu erhalten. Eine solche bedeutet eine Lizenz zum grossen Reibach.
Beim Cardioband erhielt das US-Medizinal-Unternehmen Edwards diese Zertifizierung schliesslich im Frühling 2018.
Die untersuchenden Anwälte der Kanzlei Walder Wyss schreiben zum Vorwurf eines Whistleblowers des Unispitals, wonach Professor Maisano sich bereichert hätte:
Er sei ja „lediglich über Optionen auf Aktien“ an der Firma Valtech und damit am Verkaufserlös beteiligt gewesen.
Zudem habe Francesco Maisano „glaubwürdig“ erklärt, dass er „nicht aktiv“ in die Verkaufsgespräche „involviert“ gewesen wäre.
Die Walder Wyss-Anwälte, die mit ihrem Bericht dem Uni-Spital die Möglichkeit geben, sich schützend vor ihren Herz-Chef Maisano zu stellen, folgern daraus:
„Insofern erscheint plausibel, dass (Professor Maisano) keinen massgeblichen Einfluss auf die Ausgestaltung der Transaktion hatte.“
Damit ist für sie der Fall erledigt.
Herz-Professor Maisano habe Patienten nicht immer richtig informiert und gewisse Firmen-Beteiligungen nicht von sich aus offengelegt.
Fahrlässig, ja. Aber sich bereichert? Nicht doch. Etwas Strafrechtliches liege bei Professor Maisano und seinen vielen verschlungenen Aktivitäten auf keinen Fall vor.