Eine Dame von ironischer Eleganz

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In ihren letzten 15 Jahren spiegelten ihre Auftritte bei Lesungen und im Theater das Bild einer selbstbewussten Dame von angenehm altmodischer Eleganz. In ihrer Stimme schwang ein resolutes Timbre, in den Augen blitzte es, spöttische Ironie zuckte in den Mundwinkeln. Sie schien kaum gealtert.

Irm Hermann spielte, seit sie Mitte Zwanzig war, den leicht neurotischen Frauentyp einer Bürgerlichen, die sich nach Halt sehnt und umso härter aufschlägt, als Hoffnungen und Träume sich zerschlagen. Im Alter von 24 trifft die gelernte Verlagskauffrau Hermann auf Rainer Werner Fassbinder, der sie in seinem Kurzfilm „Der Stadtstreicher“ besetzt. Sie rückt in den inneren Zirkel von Fassbinders Kreativkraftwerk vor und gehört im Mai 1968 zum Gründungsensemble des Antiteater.

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Irm HermannFoto: dpa

Der Durchbruch beim Film kommt 1969 im Vorstadtdrama „Katzelmacher“. Irm Hermann trägt Bluse und Minirock, aber spießbürgerlich onduliert das Haar. Wenn Hanna Schygulla die Wildrose ist und Margit Carstensen die Herbstaster, dann ist Irm Hermann die Mimose im Fassbinder-Kosmos. In „Warum läuft Herr R. Amok?“ ist sie 1970 das Heimchen am Herd, das fürs adrette Zuhause lebt – und dort erschlagen wird. Noch besser ist sie als Ehefrau in „Händler der vier Jahreszeiten“, wo sie hinter beherrschter Fassade Intrigen spinnt, aber in Tränen zerfließt, als der verachtete Ehemann sich vor ihren Augen zu Tode trinkt. Für diese Rolle bekommt sie ihr zweites Filmband in Gold, das ihr zuvor schon mit dem gesamten Ensemble für „Katzelmacher“ verliehen wurde und danach 1982 für ihr Porträt der Else Gebel in Percy Adlons Widerstandsdrama „Fünf letzte Tage“.

19 Mal holt Fassbinder sie vor die Kamera, zugleich spielt sie für Hans W. Geißendörfer und Helmut Dietl. Irm Hermann bleibt über drei Jahrzehnte hinweg eine viel beschäftigte Schauspielerin, Hauptrollen bekommt sie keine mehr, vom angestammten Image der etwas Verkniffenen, Sinnesfeindlichen scheint es kein Entrinnen zu geben. Nur einmal, in Peter Timms Kinderfilm „Mein Bruder ist ein Hund“ zeigt sie überraschende neue Facetten, immer noch gouvernantenhaft, aber tatkräftig und selbstbewusst; ein Typ zum Pferdestehlen. Sie hätte auch Mary Poppins spielen können. Im Alter von 77 Jahren ist Irm Hermann nach kurzer, schwerer Krankheit gestorben.