Der Virologe Kekulé kritisiert die umstrittene Drosten-Studie zur Virus-Last in Kindern. Die Studie habe methodische Fehler, sagt er im „Tagespiegel“. Drosten wehrt sich nun auf Twitter.

Quelle: WELT

„Wäre Deutschland ohne Sie schlechter in die Pandemie geschlittert?“ – „Ja, natürlich“

Virologe Christian Drosten sieht die Gefahr, dass das Coronavirus mutiere und möglicherweise tödlicher werde. Er verweist dabei auf die Spanische Grippe. Seine Rolle in der Corona-Krise wertet er durchweg positiv.

Der Virologe Christian Drosten glaubt, dass Deutschland möglicherweise ohne eine zweite Welle durch die Corona-Krise kommt. Das liege daran, dass sich das Virus nicht gleichförmig „unter dem Radar“ ausbreite, wie früher angenommen, so Drosten, sondern vor allem über sogenannte Superspreader verbreitet werde. Das lasse sich laut Drosten „leichter kontrollieren“.

„Wenn man merkt, wo sich ein Ausbruch zusammenbraut, muss man gleich voll draufhauen“, sagte er in einem „Spiegel“-Interview. Man müsse verstehen, in welchen Situationen Ausbrüche „geradezu programmiert“ seien und wie man diese überwachen könne. Wenn man einen Ausbruch bemerke, sei es zu spät, Kontaktpersonen noch zu testen. Alle Kontaktpersonen müssten sofort in Quarantäne, eine Woche reiche.

Allerdings gibt es auch etwas, das ihm Angst mache: die Frage, ob das Virus möglicherweise virulenter werde. Es könne durch die Evolution optimiert werden. „Und wie das dann aussieht, ob es tödlicher wird – wir wissen es nicht.“ Eine solche Mutation, so wird laut Drosten vermutet, ist bei der Spanischen Grippe 1918 zum Winter hin eingetreten.

Auf Alexander Kekulé geht Drosten nicht ein

Der Virologe glaubt, dass Deutschland ohne ihn schlechter in die Pandemie geschlittert wäre. Auf eine entsprechende Frage antwortete er: „Natürlich.“ So sei der von ihm entwickelte Test „aus wissenschaftlicher Sicht zwar nicht spektakulär“, aber man habe damit früh auf Sars-CoV-2 testen können. Das habe, seiner Interpretation nach, viele Tote erspart. „Wenn wir nicht so früh hätten testen können, wenn wir Wissenschaftler nicht die Politik informiert hätten – ich glaube, dann hätten wir in Deutschland jetzt 50.000 bis 100.000 Tote mehr.“

Drosten berichtet, dass er vor allem nach Fernseh-Talkshows „ein paar Tage lang“ auf der Straße erkannt werde. Angesprochen auf sein Vorgehen gegen die „Bild“-Zeitung – er hatte eine Journalistenanfrage bei Twitter veröffentlicht, anfangs sogar mit persönlichen Daten –, sagte er, er erfahre nur Unterstützung. „Niemand in meinem Bekanntenkreis liest das Blatt.“

Das erinnert an seine Reaktion auf den Virologen Alexander Kekulé, der sich kritisch mit seiner Studie über Kinder auseinandergesetzt hatte. „In unserer Community spielt er keine Rolle“, hatte Drosten daraufhin auf Twitter, wo ihm 400.000 Menschen folgen, gepostet. Auf die inhaltliche Kritik des Virologen Kekulé ging er nicht ein.

Kekulé war der Meinung, Drosten und sein Team von der Berliner Charité hätten die Studie zurückziehen müssen. Der Kritik hatte sich auch der Virologe Hendrik Streeck angeschlossen. Drosten reagierte daraufhin auf Twitter mit den Worten: Kekulé selbst könnte man nicht kritisieren, dazu müsste er erst mal etwas publizieren.

Drosten äußerte sich in dem „Spiegel“-Interview nur allgemein zu den Kritikern an seiner Studie, die sich per Mail, in Fachartikeln, in Statements und auf Twitter meldeten. Dies seien „vor allem Statistikexperten“ gewesen. „Teilweise war diese Kritik etwas bizarr“, so Drosten. Als Beispiel nennt er einen Astrophysiker, der ihm seine Statistikmethode empfohlen habe. Er, Drosten, habe sich angesichts der „groben Daten“, die er hatte, eben für ein „gröberes statistisches Werkzeug entschieden“.

Auch der Bonner Virologe Streeck glaubt nicht, dass Deutschland von einer gewaltigen zweiten Corona-Welle überrollt wird. Er vermute, dass es immer wieder lokale Ausbrüche geben werde. „Das wird vielleicht im Herbst auch vermehrt und überraschend geschehen“, sagte Streeck den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Streeck würde bei der Eindämmung des Coronavirus vor allem auf das Verbot von Großveranstaltungen setzen.

coh