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Das Edge-Display füllt die Front sehr gut aus. An den Seiten gibt es keinen Bildschirmrand mehr, unten und oben ist es sehr schmal gehalten

Quelle: Computer Bild

Jetzt kehrt Motorola in die Premium-Liga zurück

Motorola ist bekannt für günstige Smartphones. Doch das Edge will mehr: Mit 90-Hertz-randlos-Display, Kamera mit optischem Zoom und 5G soll es die Oberklasse bedienen. Der Test zeigt, wie gut das klappt.

In den vergangenen Jahren hat sich Motorola vollständig dem mittleren und niederen Preisbereich gewidmet: Die E-Serie soll Einsteiger zum Kauf animieren. Aktuell zeigt das Moto E6S im Test, dass man für unter 100 Euro schon das Nötigste geboten bekommt.

Die G-Serie siedelt sich in der Mittelklasse an: Dort sind Smartphones wie das Moto G8 Plus ab 200 Euro erhältlich und bieten vernünftige Kompromisse zu einem fairen Preis. Doch nun folgen erstmals nach Jahren auch wieder Top-Modelle.

Am 22. April 2020 zeigten die sich im sogenannten Flagship-Event: das Motorola Edge und das Edge Plus. Allerdings erscheint nur das Edge in Deutschland. Warum es diesen Namen trägt und was es sonst so kann, zeigt „Computer Bild“.

Motorola Edge: Design abgerundet

Im höheren Preissegment legen Hersteller besonderen Wert auf ein edles Design – schließlich soll die Premium-Hardware auch angemessen gekleidet sein. Der Nutzer möchte sehen und spüren, was das Gerät wert ist – und das gelingt Motorola ausgezeichnet.

Das edle Antlitz verdankt es vor allem einem besonderen Highlight, das ihm auch den Namen beschert: Die Ränder (Englisch: edge) des Bildschirms und der Rückseite sind abgerundet. Ein ähnliches Design kennt man von Geräten wie dem Galaxy S10 von Samsung.

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Kein Gefummel auf der Rückseite: Der Fingerabdrucksensor befindet sich – wie es sich für Premium-Geräte gehört – unter dem Bildschirm

Quelle: Computer Bild

Auch beim Motorola Edge sind die Abrundungen nicht nur Hingucker und Handschmeichler, sondern bringen neue Bedien-Möglichkeiten. So lassen sich favorisierte Apps-Anzeigen mit einem Wisch vom Rand ins Bild befördern. Während hierdurch links und rechts der Bildschirmrahmen also komplett wegfällt, ist er unten (4 Millimeter) und oben (3 Millimeter) sehr schmal gehalten.

Auf eine Notch wird verzichtet, die Frontkamera verbirgt sich im sogenannten Punchhole. Insgesamt füllt das Edge die Front mit jeder Menge Bildschirm. Geschützt wird der durch solides Gorilla Glass 5, darunter befindet sich auch der Fingerabdrucksensor, der flott reagiert. Auf der schwarz-blauen Rückseite hält sich das bekannte Batwing-Logo dezent zurück – Understatement statt fette Schriftzüge, die das Gerät zum Werbeträger machen.

Motorola Edge hat OLED-Display mit 90 Hertz

Die Anzeige löst bei 6,67 Zoll Bild-Diagonale (16,95 cm) in Full HD Plus (2340x1080 Pixel) auf. Das ergibt einen guten, wenn auch nicht exorbitanten Wert von 386 Pixeln pro Zoll. In der Praxis ist das Bild scharf genug. Ein Plus an Pixeln wäre nur bei genauem Hinsehen bemerkbar. Wichtiger ist da die Farbdarstellung. Hier zeigt das Edge auch dank der verwendeten OLED-Technik kräftige Farben und satte Kontraste.

Im klassischen Kinoformat von 21:9 können Filmliebhaber ihrer Freude freien Lauf lassen: Full-HD-Filme und auch 4K-Videos laufen problemlos flüssig. Und das mag das Edge: Die Bildwiederholrate beträgt 90 Hertz, wodurch ein flüssigeres Bild wiedergegeben wird als bei herkömmlichen Smartphones (60 Hertz).

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Mit einem Wisch über den Bildschirmrand ruft der Nutzer seine favorisierten Apps auf – jederzeit und in jeder App

Quelle: Computer Bild

Je nach Bildinhalt entscheidet eine intelligente Software im Hintergrund, ob eine Darstellung mit 90 Hertz oder herkömmlichen 60 Hertz erfolgt. In den Einstellungen lässt sich die Bildwiederholrate aber auch dauerhaft auf 60 oder 90 Hertz festlegen – bei Letzterem allerdings auf Kosten des Energievorrats, denn mehr Hertz frisst mehr Strom.

Motorola Edge: Prozessor, 5G, Wifi 5

Im Inneren ackert der Snapdragon 765, der mit acht Kernen auf bis zu 2,3 Gigahertz taktet, zusammen mit 6 Gigabyte Arbeitsspeicher. In den Spiele-Benchmarks Slingshot und Slingshot Extreme von 3D-Mark erreichte die Recheneinheit ein gutes Ergebnis (4411 und 3125 Punkte) – ähnlich dem Oppo Find X2 Lite mit dem gleichen Prozessor (4609 und 3324 Punkte).

Mit High-End-Prozessoren wie dem Snapdragon 855 im OnePlus 8 Pro (der derzeit schnellste Androide mit saftigen 8902 und 7118 Punkten) oder dem Exynos 990 des Samsung Galaxy S20 Ultra (mit 8134 und 6718 Punkte) kann das Edge nicht mithalten – braucht es aber auch nicht.

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Kleines Highlight: Liegt das Smartphone mit dem Display nach unten, leuchtet der Bildschirm-Rand bei eingehenden Nachrichten auf

Quelle: Computer Bild

In der Praxis liefert das Gerät ordentlich Leistung für Alltägliches und ist dank Andreno-620-Grafikeinheit auch Spiele-tauglich. Auch im Netz ist das Edge flink unterwegs. Mit neustem Mobilfunk-Standard 5G sind rasante Download-Geschwindigkeiten bis zu 1 Gigabit pro Sekunde möglich, per LTE erreicht es bis zu 1,2 Gigabit die Sekunde. Auf den neusten Wifi-6-Standard verzichtet es, ist aber mit Wifi 5 immer noch sehr schnell und beherrscht außerdem 2,4-GHz- und 5-GHz-Frequenzbänder.

Motorola Edge mit Triple-Kamera

Der 64-Megapixel (MP) starke Hauptsensor macht sich die Quad-Pixel-Technologie zunutze, mit der vier Sensor-Pixel zusammengelegt werden, um eine höhere Lichtempfindlichkeit zu erreichen. Auf dem Foto landen deshalb effektiv 16 MP. Mit dem zusätzlichen 16-Megapixel-Sensor lassen sich Fotos und Videos mit einem Ultraweitwinkel von 117 Grad aufnehmen (bei Videos sogar in 4K bei 30 Bildern pro Sekunde).

Außerdem kann derselbe Sensor auch für Nahaufnahmen mit wenigen Zentimetern Abstand (Makro) genutzt werden. Um auch bei größerem Abstand schöne Fotos zu schießen, gibt es ein Teleobjektiv mit 8 MP für zweifache optische Bildvergrößerung (Zoom ohne Qualitätsverluste). Bei Tages- und moderatem Licht lieferte das Kamera-Paket gute Fotos: viele Details, natürliche Farben und eine gute Dynamik.

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Das Edge-Display erlaubt es, den oberen Bildschirm-Rand als Schultertasten für den linken und rechten Zeigefinger zu verwenden – ganz wie bei einem Controller

Quelle: Computer Bild

Bei zweifachem Zoom ist die Bildqualität sehr gut, bei vierfacher Vergrößerung noch in Ordnung, darüber hinaus nimmt sie deutlich ab. Bei sehr wenig Licht macht die lichtempfindliche Hauptkamera viel sichtbar – dafür sinkt die Auflösung rapide, das Bildrauschen nimmt zu.

Mit dem ausgeklügelten Nachtmodus eines Google Pixel 4 hat das leider nichts zu tun. Für die Fokussierung ist ein Time-of-Flight-Sensor (TOF) verbaut: Der schießt ein Lichtsignal auf das anvisierte Objekt und misst die Zeit, die das Signal zum Objekt und zurück zum Sensor benötigt.

Im Test zeigte sich der Vorteil dieser Technik: Objekte werden blitzschnell scharf gestellt, das fokussierte Objekt setzt sich gut vom verschwommenen Hintergrund ab. Selfies schießt die 25-MP-Frontkamera, ebenfalls mit Quad-Pixel-Technologie, woraus 6-MP-Fotos resultieren. Das klingt nach wenig, aber auch hier zeigt die Kamera bei genug Licht viele Details.

Motorola Edge: Akku, Schnellladen, Android

Der 4500 Milliamperestunden große Akku hielt im Praxis-Test bei alltäglicher Nutzung sehr lange durch. Hier zeigt sich, dass die moderate Arbeitsleistung und der nicht allzu hoch auflösende Bildschirm dem besonders großen Akku zum Vorteil gereichen. Trotzdem hängt die Laufzeit (erst recht bei einem 90-Hertz-Bildschirm) stark von der Art der Nutzung ab – einen genauen Wert bringt deshalb erst der Labortest.

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Klinkenanschluss für Kopfhörer nebst USB Typ C und Lautsprecher. Wasserdicht ist das Motorola Edge leider nicht

Quelle: Computer Bild

Per mitgeliefertem 18-Watt-Netzteil lässt sich der Energiespeicher zügig über USB Typ C aufladen. Kabelloses Laden wird nicht unterstützt. Android 10 dient als Betriebssystem und wurde nur minimal angepasst, um die von Motorola entwickelten Extras einzubringen, wie das Aktivieren der Taschenlampe durch Bewegung.

Verbaut sind außerdem 128 Gigabyte interner Speicher, der sich per microSD-Karte um bis zu 1 Terabyte erweitern lässt. Dual-SIM ist möglich, allerdings nur mit Verzicht auf die Speicherkartenerweiterung.

Fazit: Viele Fans der Marke dürften sich freuen, dass Motorola endlich mal wieder die Oberklasse bedient. In den Anfangszeiten von Android brachte der Hersteller durchaus originelle Konzepte auf den Markt, die sich von der Masse abhoben, darunter das Motorola Milestone.

Heute umkämpft eine Vielzahl von Herstellern den Smartphone-Markt. Vor allem im Premium-Segment hochpreisiger Geräte sind die Plätze gut besetzt: Apple und Samsung sind dort seit Langem etablierte Marken, doch chinesische Hersteller greifen an, liefern mit Geräten wie dem Oppo Find X2 Pro, dem OnePlus 8 Pro und dem Xiaomi Mi 10 Pro echte Kampfansagen.

Kann Motorola da mithalten? Zumindest nicht mit dem Edge, das in Deutschland erscheint. Aber das möchte man auch gar nicht. Die Ausstattung ist eher ein Mix aus Mittelklasse und High-End-Hardware: Die Kamera-Kombi aus Makro-Objektiv, Ultraweitwinkel und optischem Zoom sowie starkem Hauptsensor schießt bei guten Lichtverhältnissen tolle Fotos. Der neue Mobilfunkstandard 5G ist sonst nur in teuren Top-Geräten zu finden.

Der Prozessor liefert genügend Power für Spiele, wenn auch nicht auf den höchsten Grafik-Einstellungen. Und das 90-Hertz-Display erreicht zwar nicht die 120 Hertz eines OnePlus 8 Pro oder Galaxy S20 von Samsung, zeigt aber ein flüssigeres Bild als die meisten Smartphones. Der Spagat zwischen diesen zwei Welten machen das Motorola Edge attraktiv – vor allem zu dem Einstiegspreis.

Von hochpreisigen Geräten um die 1000 Euro trennt das abgespeckte Flaggschiff hauptsächlich die magere Fotoqualität bei wenig Licht und die geringere Arbeitsleistung. Wer etwas weniger Wert auf Fotografie legt und deshalb auf den optischen Zoom sowie den TOF-Sensor verzichten kann, erhält mit dem Oppo Find X2 Lite das etwas günstigere Smartphone im Premium-Design: Hier ist der gleiche Prozessor verbaut, der Akku ist etwas kleiner bemessen (4.025 Milliameperestunden), lässt sich aber schneller aufladen (mit beiliegendem 30-Watt-Netzteil).

Motorola Edge: Verfügbarkeit, Preis, Farben

Das Motorola Edge ist ab Mai 2020 in Deutschland in Schwarz (Solar Black) und Lila (Midnight Magenta) verfügbar. Der Preis beträgt 599,99 Euro. Das besser ausgestattete Edge Plus wird in Deutschland leider nicht erscheinen.


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