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Königin Elizabeth II. im Kreis früherer Premiers Australiens. Links: Malcolm Fraser, rechts: Gough Whitlam

Quelle: picture alliance / empics

Queen Elizabeth II. muss geheime Korrespondenz offenlegen

Eine Historikerin hat in einem seit 2016 laufenden Verfahren gesiegt: Elizabeth II. muss den sensiblen Briefwechsel mit ihrem Generalgouverneur in Canberra öffnen. Die 211 „Palace Letters“ hatten eine der größten politischen Krisen Australiens hervorgerufen.

Das höchste australische Gericht hat die Geheimhaltung von Briefen der britischen Königin Elizabeth II. aufgehoben, die Hintergründe einer der größten politischen Krisen des Landes aufzeigen könnten. In den 211 „Palace Letters“ geht es um die in der australischen Geschichte einzige Entlassung einer Regierung auf Veranlassung des britischen Staatsoberhaupts. Der Briefwechsel fand zwischen Elizabeth und ihrem Repräsentanten in Australien, Generalgouverneur John Kerr, statt, der 1975 Premierministers Gough Whitlams Regierung entließ.

Kerr verstarb 1991. Seine Korrespondenz mit der Queen wurde 1978 unter Verschluss ins Archiv gegeben und sollte eigentlich nach 31 Jahren öffentlich gemacht werden. Doch bis zur höchstrichterlichen Entscheidung am Freitag hielten Gerichte an der Einstufung fest, dass die Briefe „persönlich und vertraulich“ und deshalb nicht für die Öffentlichkeit bestimmt seien.

Die Historikerin Jenny Hocking, die an einer Biografie Whitlams arbeitet, kämpfte seit 2016 für Einsicht in die Briefe. „Dass sie als persönlich betrachtet werden könnten, ist offen gesagt eine Beleidigung unserer kollektiven Intelligenz“, sagte sie der Nachrichtenagentur AP. „Sie haben nicht über Rennen und Corgis gesprochen“, fügte sie unter Anspielung auf Elizabeth‘ Interesse an Pferderennen und Hundezucht hinzu.

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Gough Whitlam (1916–2014) wurde am 11. November 1975 vom Generalgouverneur der Queen entlassen

Quelle: picture alliance / dpa

Die Entlassung des 2014 verstorbenen Labour-Politikers Whitlam war der Höhepunkt einer Verfassungskrise, die Australien 1975 erschütterte. Die Opposition, die im Senat, der Vertretung der einzelnen Bundesstaaten, über die Mehrheit verfügte, forderte Neuwahlen. Als sich Whitlam dem widersetzte, wurde die Verabschiedung von Haushaltsgesetzen im Senat blockiert.

Daraufhin wuchs der Druck auf Generalgouverneur Kerr, die Krise mit der Entlassung des Premiers zu entschärfen. Zudem musste Kerr befürchten, dass Whitlam seine Drohung wahr machen und ihn wegen Versagens aus dem Amt drängen würde. Mit Rückendeckung durch Richter des Obersten Gerichts, die einen entsprechenden Schritt für verfassungsgemäß hielten, entließ Kerr am 11. November Whitlam und beauftragte Malcolm Fraser als Vorsitzenden der Liberal Party mit der Führung der Regierungsgeschäfte. Bei den umgehend angesetzten Neuwahlen im Dezember gewannen die Liberalen 68 Unterhaus-Sitze, Labour erlitt mit nur 36 Sitzen eine schwere Niederlage.

Der bis heute umstrittene Vorgang führte auch zu Spekulationen, dass es sich um eine vom US-Geheimdienst CIA eingefädelte Verschwörung gehandelt haben könnte. Der CIA habe damit die Schließung einer noch heute existierenden US-Geheimdienststelle im Outback verhindern wollen. Kerr hat das in seinen Memoiren dementiert.

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Die Queen als Staatschef und ihre Premiers 1972. Gough Whitlam steht in der dritten Reihe, Vierter v. l.

Quelle: picture-alliance / United Archiv

1985 wurde diese These im Film „Der Falke und der Schneemann“ mit Sean Penn thematisiert. Auch die australische Rockband Midnight Oil sah „Uncle Sam“ in ihrem Song „Power and Passion“ hinter Whitlams Entlassung.

Das Vorgehen der Königin setzte auch eine Diskussion über ihre Rolle als australisches Staatsoberhaupt in Gang. Zwar entstand 1901 durch den Zusammenschluss der weitgehend unabhängigen britischen Kolonien auf dem Kontinent der Australische Bund, der 1907 Dominion-Status erhielt. Aber als Staatsoberhaupt fungieren weiterhin König oder Königin des Vereinigten Königreichs, die vom Generalgouverneur als ihrem Repräsentanten vertreten werden. Im Zuge der laufenden Debatte wurde vorgeschlagen, Australien zu einer Republik mit einem eigenen Präsidenten zu erklären.

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mit AP