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Serientipp: "Feel Good" – queere Liebe im Eiltempo
by Stand: 29. Mai 2020, 04:00 UhrEs gibt die Serien, auf die alle warten. Die – wenn sie rauskommen – in einem Rutsch angeschaut werden, an nur einem Wochenende. Und es gibt Serien, die erst mal eine Weile unter dem Radar der großen Öffentlichkeit schweben, die entdeckt werden wollen und von einem Serien-Trüffelschwein ausgebuddelt werden müssen. Wie die Serie "Feel Good", die von der begeisterten MDR-Serienkritikerin Anna Wollner "entdeckt" wurde.
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Das ist der erste Eindruck
Bei manchen Serien braucht man eine Weile, um reinzukommen. Zwei bis drei Folgen entscheiden darüber, ob man überhaupt die Muse hat, weiterzugucken. Bei "Feel Good" wusste MDR-Serienkritikerin Anna Wollner nach ungefähr zwei Minuten, dass diese Serie zu den seltenen gehört, bei denen man sofort drin ist – weil sie einfach so charmant ist. Und das, obwohl sie nur sechs Folgen à 25 Minuten umfasst, also knapp drei Stunden, die viel zu schnell vorbeigehen.
Darum geht es
Hauptfigur Mae ist Kanadierin und lebt schon recht lange in London. Als Stand-up-Comedian kommt sie gerade so über die Runden und schläft auf dem Sofa ihres besten Freundes. Bei einem ihrer Auftritte lernt sie George kennen. Für die junge Lehrerin ist es das erste Date mit einer Frau – und der erste Kuss. Weil Mae gerade keine Wohnung hat, zieht sie recht schnell bei George ein.
Das sind die Konflikte
Wenn zwei Frischverliebte sehr schnell zusammenziehen, sind Konflikte vorprogrammiert – egal ob in hetero- oder homosexuellen Beziehungen. Dazu kommt, dass Mae verheimlicht hat, dass sie früher kokainsüchtig war, Dealerin und sogar im Gefängnis. Deshalb wird sie von George dazu verdonnert in eine Selbsthilfegruppe zu gehen. Sie wiederum hat ein Problem damit, zu ihrer Sexualität zu stehen und damit auch zu Mae. Vor dem Outing hat George große Angst und erfindet immer neue Notlügen, womit sie Mae natürlich verletzt.
Wer ist der Kopf der Serie?
Hauptdarstellerin Mae Martin hat die Serie zusammen mit Joe Hampson geschrieben. Der Ansatz ist dabei autobiografisch: Mae Martin ist selbst Kanadierin, Stand-up-Komikerin und queer. In der Serie verarbeitet sie eigene Erfahrungen und Erlebnisse – wie sie es auch in ihrem Bühnenprogramm tut. Deswegen wirkt die Serie nie aufgesetzt, sondern realistisch, echt, mit einer Prise Humor gewürzt und eben sehr natürlich.
Was zeichnet die Serie aus?
Auf dem Papier ist "Feel Good" eine romantische Komödie über zwei Menschen, die sich lieben und wollen, dass ihre Beziehung funktioniert. Ein Schema, das man schon gefühlt 1.000 Mal gesehen hat. Aber es ist doch anders. Immerhin ist die queere Liebesbeziehung hier nicht nur eine Nebenhandlung wie bei "Sex Education" oder "Work in Progress". Das Queere bekommt eine Allgemeingültigkeit, weil Liebe im Generellen behandelt wird.
Fazit
"Feel Good" hat einen ganz tollen Sprachwitz, mit trockenen Sprüchen und Humor, ironisch und auf den Punkt. Das Erschreckende und erschreckend Gute an der Serie ist ihre Ehrlichkeit. Etwa wenn die unbewusste Homophobie von George thematisiert wird, wenn sie Mae vor ihren Freunden versteckt. Einmal sogar im Schrank, also "in the Closet" – was im Englischen ein Synonym für jemanden ist, der noch nicht geoutet ist. "Feel Good" ist eine perfekte Serie über unperfekte Menschen, nach der man sich nur gut fühlen kann.