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Seine Studie sorgt seit Tagen für Schlagzeilen in Deutschland: Virologe Christian DrostenFoto: Sean Gallup / Getty Images
Drosten-Studie: Belgische Zeitung berichtet über Professoren-Warnung

„Das hat enorme Folgen für die Politik“

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Herman Goossens, belgischer Professor für MikrobiologieFoto: www.ecraid.eu

Berlin – Die Studie des Virologischen Instituts der Charité sorgt seit Erscheinen am 29. April für Schlagzeilen und politische Debatten.

„Kinder sind genauso infektiös wie Erwachsene“, titelte die FAZ am 30. April. Sie maß der Arbeit auch politische Bedeutung zu: „Diese Studie dürfte die Lockdown-Debatte um Kita- und Schulöffnungen anheizen (...) Ihre Resultate könnten den Vorsichtigen Auftrieb geben.“

Hintergund: Die Forscher rund um Professor Christian Drosten (48) hatten in der Studie geschrieben, dass Kinder „genauso ansteckend sein könnten wie Erwachsene“. Ihre Empfehlung an die Politik: „Aufgrund dieser Ergebnisse müssen wir vor einer unbegrenzten Wiedereröffnung von Schulen und Kindergärten in der gegenwärtigen Situation warnen.“

Am 12. März hatten die Länderchefs entschieden, Schulen und Kitas flächendeckend zu schließen. Anfang Mai beschlossen sie, die Bildungseinrichtungen nur vorsichtig zu öffnen. Millionen Schulkinder mussten also auch weiterhin auf Regelunterricht verzichten.

Studie wurde auch in EU-Gremium heftig diskutiert

Nun berichtet die belgische Zeitung „De Standaard“, dass die Studie der Charité auch im EU-Expertengremium „Recover“ zur Bekämpfung der Corona-Pandemie für heftige Diskussionen sorgte. Diesem Rat hochkarätiger Wissenschaftler gehört auch Professor Drosten an.

In einer Telefonschalte am 1. Mai soll der Leiter des Gremiums, Mikrobiologie-Professor Herman Goossens von der Universität Antwerpen, die Charité-Studie harsch kritisiert haben.

„Wir haben ihm damals deutlich gesagt: ‘Christian, die Statistik taugt nichts. Du kommst zu schnell zu einem Entschluss. Das hat enorme Folgen für die Politik.’ Vor allem in seiner Rolle als Wissenschaftler, der zurate gezogen wird, muss er extra vorsichtig sein“, zitiert „De Standaard“ Goossens.

Weiter habe Goossens gesagt: „Die Sprünge von den Untersuchungsergebnissen zu den Empfehlungen an die Politik für die Schulen haben ihn sehr angreifbar gemacht. Christian war auf einmal zu viel politischer Entscheidungsträger und zu wenig Wissenschaftler.“

Auch Goossens sah den statistischen Teil kritisch

Christian Drosten sei „ein brillanter Virologe“, zitiert „de Standaard“ Goossens. „Der virologische Teil der Studie ist auch vollkommen in Ordnung. Aber die Statistik…“

BILD schickte Professor Goossens gestern die Zitate aus dem Bericht von „de Standaard“ und bat um Bestätigung der darin zitierten Aussagen. Dies tat Goossens am Telefon und kündigte an, BILD ein zusätzliches Statement zu schicken.

Auch ein weiterer Teilnehmer der Telefonschalte bestätigte gegenüber BILD, dass es eine Auseinandersetzung über die Charité-Studie gegeben hatte. Daraufhin fragte BILD die Charité an und bat um eine Stellungnahme zu Goossens Aussagen in „De Standaard“.

Goossens schickte BILD ein weiteres Statement per E-Mail. „Vielen Dank für Ihren Anruf“, schrieb Goossens und erklärte: „Unsere Rolle als Experten besteht darin, Politikern Empfehlungen zur Politik zu geben. Es gibt jedoch eine sehr schmale Grenze dazwischen, Experte zu sein und über Politik zu informieren. Manchmal gibt es die Wahrnehmung, dass wir diese Grenze überschreiten, weil wir in unseren wissenschaftlichen Arbeiten klare Aussagen über bestimmte Richtlinien treffen, die die Medien erreichen. Am Ende sollten Politiker entscheiden, weil sie das Gesamtbild sehen.“

Goossens möchte „De Standaard“-Zitat nicht bestätigen – aber dementierte es auch nicht

Kurz darauf meldete sich Goossens zunächst telefonisch und dann per Mail: „Ich bestätige nicht, was und wie ich es „De Standaard“ gesagt habe. Ich möchte nicht mit Ihrem Artikel zusammenarbeiten.“ Dies solle BILD erwähnen, wenn er zitiert würde. Goossens habe „tiefen Respekt“ vor Christian Drosten.

Möglicher Hintergrund des Sinneswandels: Direkter Kontakt zwischen der Berliner Charité und Goossens. Eine Sprecherin der Charité bestätigt den Kontakt und sagte: „Wir nehmen Bezug auf die Korrespondenz zwischen Ihnen und Herrn Prof. Goossens, die uns bekannt ist.“

Und weiter: Goossens „bestätigt nicht den von Ihnen behaupteten Inhalt und widerspricht Ihrem Verständnis seiner Aussagen, wie sie der ,De Standaard‘ veröffentlichte.“

Die Frage, ob er seine Aussagen gegenüber „De Standaard“ dementieren wollte, beantwortete Goossens nicht.