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dpa Ein Polizeifahrzeug steht am Ort einer Festnahme, bei der Schüsse gefallen sind.

Geiseldrama von Bedburg-Hau: Die Gangster brüllen: „Wir wollen raus“ – doch die Flucht endet tödlich

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Ein Geiseldrama mit tödlichem Ende hielt am Dienstag die Republik in Atem. Die Insassen einer Psychiatrie in Nordrhein-Westfalen flüchteten, die Polizei stellte die Männer am Abend – und erschoss einen der Geflohenen, als er einer Mutter ein Messer an die Kehle hielt. FOCUS Online zeichnet den Fall nach.

Die 20-stündige Flucht der beiden Geiselnehmer aus der Psychiatrie in Bedburg- Hau endete am Iduna-Hochhaus in Aachen. In der Joseph-von-Görres-Straße nahe dem Europaplatz entdeckte die Polizei den weißen Ford-Mondeo, den Stefan K., 43, und Peter B., 37, für ihre Flucht genutzt hatten. Das Auto mit dem Klever Kennzeichen hatten die Gangster von einem Pfleger in der Abteilung für drogensüchtige Straftäter der niederrheinischen Klinik am späten Montagabend gekapert und waren die knapp 150 Kilometer nach Aachen gefahren. Anfangs hatte die Polizei ihre Fährte verloren. Doch die Fahnder hatten ihre Hausaufgaben gemacht, klopften alte Bezugspunkte der flüchtigen Kriminellen in der Karlsstadt ab und kamen auf eine ehemalige Wohnadresse eines der Beschuldigten. Eine Einsatzhundertschaft schwärmte aus.

Flüchtiger packt Mutter und hält ihr Messer an Hals

Als die zwei Gesuchten am Dienstagabend aus dem Haus traten, wurden sie in einem Park gestellt. Peter B. packte laut Staatsanwaltschaft von hinten die Mutter eines Kindes und hielt ihr ein Messer an den Hals. Drei Beamte zogen ihre Pistolen, forderten ihn auf, von der Frau abzulassen und die Waffe niederzulegen. Als der 37-jährige Täter sich weigerte, schossen zwei Polizisten und retteten das Leben der Geisel. Peter B. starb an seinen schweren Verletzungen. Eine Obduktion sei angeordnet, teilten die Strafverfolger mit.  „Gegen die Polizeibeamten besteht kein Anfangsverdacht einer Straftat.“ 

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dpa Bei der Festnahme der beiden geflohenen Straftäter aus der forensischen Psychiatrie in Bedburg-Hau ist einer der Männer durch eine Kugel mutmaßlich aus einer Polizeiwaffe tödlich getroffen worden.

Viele offene Fragen bleiben zurück

Der Fall wirft allerdings andere Fragen auf: Wie sicher sind geschlossene psychiatrischen Forensik-Kliniken (Maßregelvollzug)? Wie konnte zwei Kriminelle mit einem längeren Vorstrafenregister die Flucht aus der besonders gesicherten Anstalt in Bedburg-Hau gelingen?

Die zuständige Staatsanwaltschaft Kleve hat in einem Zwischenbericht die Vorgänge um den Ausbruch festgehalten. Behördensprecher Günter Neifer berichtete FOCUS Online, dass beide Delinquenten in Aachen zu zweieinhalb Jahren beziehungsweise drei Jahren und acht Monaten verurteilt worden waren. Es ging um Raub, Diebstahl und Rauschgiftdelikte. Das Gericht hatte die vorbestraften Verbrecher allerdings zunächst wegen ihrer schweren Drogensucht zur Therapie in eine geschlossene Einrichtung eingewiesen. Üblicherweise müssen die Delinquenten im Anschluss ihre Reststrafe im Gefängnis verbüßen.

Geiselnehmer kannten sich von früher

Im Oktober und Dezember 2019 kamen die zwei Straftäter nach Bedburg-Hau. Die beiden Männer, die aus Eschweiler und Düren stammen, kannten sich aus alten Tagen. Über Verhaltensauffälligkeiten in der Anstalt wurde gestern nichts bekannt. Als Vertrauensbeweis erhielt sogar einer von ihnen laut Oberstaatsanwalt Neifer ein Küchenmesser für den vorübergehenden Eigenbedarf.

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dpa Tödliche Schüsse nach der Flucht aus der Psychiatrie.

Am vergangenen Montag dann, sollte er das Messer zurückgeben. Peter B. und Stefan K. hegten den Ermittlungen zufolge andere Pläne. Sie brachten einen Pfleger in ihre Gewalt. „Wir wollen raus“, brüllten die Gangster während sie dem Betreuer das Messer an den Hals hielten. Einen zweiten Pfleger schüchterten sie mit ihren Drohgebärden so ein, dass er sich in den sogenannten Kriseninterventionsraum einschließen ließ.

Ein gewaltsamer Coup mit Folgen

Danach musste die Geisel die Klinikpforte anrufen: Er komme gleich mit zwei Patienten raus, um den Müll zu entsorgen, hieß es. Die Geiselnehmer packten sich Abfallsäcke auf und schoben ihren Gefangenen zum Ausgang. Zuvor hatten sie ihm seinen Autoschlüssel abgenommen. Als die Türen sich öffneten, schlüpften sie hindurch, ließen ihr Opfer zurück und rannten zum Fluchtwagen, mit dem sie zunächst entkommen konnten. Ein gewaltsamer Coup, der mit dem Tod eines der beiden Täter endete. 

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dpa/picture alliance/dpabild Ein Zaun mit Stacheldraht vor der forensischen Abteilungen der LVR-Klinik in Bedburg-Hau.

Laut NRW-Gesundheitsministerium halten 14 spezielle Einrichtungen 3192 Plätze für psychisch auffällige Verbrecher vor. Seit 2012 hat das Land in den Bau fünf neuer Kliniken mit 750 neuen Plätzen für den Maßregelvollzug investiert. Der Bedarf hatte sich seinerzeit um Zwei-Drittel erhöht. Seit 2010 schaffte es kein Insasse mehr, aus den neuen hochmodern gesicherten Anstalten auszubrechen. Nur in den Alt-Kliniken verzeichnete das Ministerium in den vergangenen fünf Jahren vier Fälle, darunter zwei in Bedburg-Hau den Aktuellen inbegriffen. 

Lafontaine-Attentäterin saß in Bedburg-Hau

In den Maßregelvollzug geraten psychisch oder suchtkranke Kriminelle. Allein in Bedburg-Hau beziffert Karin Knöbelspies, Sprecherin des zuständigen Landschaftsverbandes Rheinland (LVR), die Zahl der straffälligen psychisch kranken Insassen auf 416. So saß etwa Adelheid Streidel, Attentäterin auf den ehemaligen SPD-Kanzlerkandidaten Oskar Lafontaine, lange Jahre in der forensischen Abteilung in Bedburg-Hau ein.

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dpa/Arnulf Stoffel /dpa Ein Gebäude der psychiatrischen Klinik in Bedburg-Hau.

193 der straffälligen Klinikinsassen absolvieren eine Therapie gegen ihre Drogensucht. „Im Durchschnitt dauert dies zwei Jahre“, erläutert Knöbelspies. Trotz des aktuellen Ausbruchs sieht die Expertin für den Maßregelvollzug kein Sicherheitsproblem für forensische Kliniken. Denn gerade die neueren Einrichtungen seien mit hohen Zäunen, Kameraüberwachung und Schleusensystemen entsprechend gesichert.

126 entwichene Insassen landesweit

Die Sprecherin unterscheidet zwischen Flucht und Entweichung. Von letzterem gehen die Experten aus, wenn Patienten nicht rechtzeitig vom Ausgang zurückkehren. In 90 Prozent der Fälle kämen sie innerhalb von 24 Stunden zurück oder würden aufgegriffen, berichtet Knöbelspies. Landesweit zählte das Ministerium im vergangenen Jahr 126 entwichene Insassen.

Wie frei sich die Straftäter bewegen können, hängt nach Angaben der LVR-Sprecherin von der Entwicklung ab. So folge auf einen begleiteten Ausgang auf dem Gelände später weitere Lockerungen. Entwickelt sich die Persin weiterhin positiv komme unbegleiteter Ausgang außerhalb des Geländes in Frage. „In der Regel bleiben psychisch kranke Täter länger in einer Forensik als in einer Justizvollzugsanstalt“, resümiert Karin Knöbelspies. Die Rückfallquote bei dieser Klientel falle äußerst gering aus.

Stelter gegen Stegner: Top-Ökonom zerlegt SPD-Mann bei Lanz

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