Edi Jäger im Interview
„Die Kulturszene will leben!“
by Nina KaltenböckKulturschaffende haben eine berufliche Vollbremsung mit prekären Folgen erlebt. Viel, aber leider auch frei arbeitet Schauspieler und Kabarettist Edi Jäger. Zuversicht ist nun gefragt.
Inwiefern hat sich Ihr Leben in den vergangenen Wochen der kulturellen Vollbremsung verändert?
Meine Partnerin, Schauspielerin Anita Köchl, und ich sind beide freischaffend und arbeiten viel. Wir haben zwei Töchter, deren Ausbildung finanziert werden muss. Wir haben das erste Mal gespürt welche prekären Folgen diese Vollbremsung hat. Ich spreche für die Szene, in der viele Angst und Panik verspüren.
Womit beschäftigen Sie sich derzeit?
Unter Hochdruck versuchen wir eine Open-Air-Variante von einem Theaterstück zu realisieren. Ins Kleine Theater dürfen nämlich bestenfalls 60 bis 70 statt 150 Leute hinein. Sollten die Zahlen von Erkrankten steigen, sind es wieder wir, die es als erste trifft. Bei allem was man plant, denkt man, wenn es nicht funktioniert, was machst du dann? Da kann ich mir nur parallel einen zweiten Job suchen. Ob ich den als über 50-Jähriger bekomme, wird man sehen. Ich bin ein positiver Mensch, denke aber gerne alles durch, best und worst case.
Was muss sich ändern?
Es müsste eine Branchenentscheidung geben, regional zu besetzen. Eine solidarische Idee, ein anderes Bewusstsein, wie man Kunst produziert.
Wie geht es mit dem Kleinen Theater weiter, das Sie im Team leiten?
Die Subventionen sind ausbezahlt, bis Jahresende kommt es über die Runden. Dann wird man weitersehen. Das Leitungsteam arbeitet ehrenamtlich. Man muss auch sehen, wie sich das Publikum verhält. Ob es verunsichert reagiert und lieber Zuhause bleibt oder das Theater frequentiert.
Sprechen Ihnen Helge Schneider und Lukas Resetarits mit ihren „Wutreden“ aus der Seele?
Ich kann die Reaktionen absolut verstehen. Es geht nicht um die Schuldfrage, denn die ist überaus komplex. Die großen Floskeln „Wir lassen keinen zurück“ und trotzdem sind dann Unterstützungen nur sehr zähflüssig abgelaufen. Es gab bei vielen Künstlern Ärger und Wutausbrüche. Mir ist auch mal der Kragen geplatzt, was man alles für ein bissl Unterstützung tun muss. Wir brauchen eine Absicherung, Sozialhilfe, ein Netz für Künstler. Damit es die Existenzängste nicht mehr gibt und man ein Gefühl der Sicherheit haben kann. Man kämpft ja eh für den eigenen Lebensunterhalt. Aber selbst das war nicht möglich.
Sprechen wir darüber, was möglich ist: Proben unter anderen Bedingungen. Im Schauspielhaus Hamburg probt man mit Pool-Nudeln zur Abstandswahrung, die man als Art Rock trägt.
Solche Lösungen wie in Hamburg find ich großartig. Das entspricht meiner Haltung. Tun, tun, tun. Wenn nichts Anderes mehr erlaubt ist, mach ich ein Drei-Personen-Theaterstück in der Bushaltestelle. Die Szene will leben! Da ist jede kreative Lösung ein Hit und besser als sich verängstigt zurückzuziehen und zu warten, dass sich alles von selbst löst. Fantasie wächst mit der Begrenzung des Raums.
Wie proben Sie?
Wir haben Proben via Videokonferenz. Die Regie sitzt in Wien, wir in Salzburg. Alles online, aber es funktioniert. Wir haben so viel Potential in unserem Hirn und unseren Herzen.
Haben Sie sich mehr vom „Marshallplan“ für Kunst und Kultur erhofft?
Die großen Institutionen, die großen Kultur-Schlachtschiffe, werden gefördert. Daneben fällt ganz viel durch den Rost. Viele kleine Freischaffende und Kulturvereine geben auf. Deswegen hoffe ich auf eine große, intelligente Wutbewegung. In Frankreich gibt es ein Modell, in dem Künstler vom Staat monatlich bezahlt werden. Das scheint zu funktionieren. Das könnte man sich mal anschauen. Den Worten müssen Taten folgen.
Wie soll 2020 weitergehen?
Ich bin grundpositiv, alles andere interessiert mich nicht. Worauf ich mich freue: wieder arbeiten zu können und zu dürfen. Meine ältere Tochter war zur Schauspielausbildung in New York. Jetzt hat ihr Unterricht über Zoom stattgefunden. Meine jüngere Tochter möchte im Herbst in Wien zu studieren beginnen. Für mich wäre es das Größte, wenn das alles gut geht, wir viel arbeiten können und das alles finanziell hinkriegen. Mir ist wichtig, dass die Jungen ihren Weg gehen können.
Ein Happy End?
Ich glaub wirklich, alles wird gut und zwar wirklich alles. Es sollte uns gelingen, bei all dem Leid, das das Virus über die Welt ausgeschüttet hat, Mittel und Wege zu finden, dass diese Krise nur eine geschichtliche Erinnerung bleibt.