Gastkommentar

Der Staat sollte auch den Kauf von Autos mit Verbrennungsmotor fördern

Die Autoindustrie ist eine Schlüsselbranche. Es geht um Jobs – aber auch grüne Transformation. Kaufprämien für Verbrenner können dabei sogar helfen.

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Hildegard Müller

Die Autorin ist Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA).(Foto: VDA)

Die Corona-Pandemie stellt uns vor Herausforderungen, wie wir sie seit Bestehen der Bundesrepublik nicht erlebt haben. Auch die wirtschaftlichen Folgen werden für die Menschen in unserem Land tiefgreifend und ohne Beispiel sein – eine Dramatik, die in weiten Teilen der öffentlichen Debatte noch nicht angekommen ist.

Exemplarisch lässt sich dieser Sachverhalt an der Diskussion über mögliche Nachfrageimpulse für die Automobilindustrie zeigen. Es wird von einigen ernsthaft der Standpunkt vertreten, es gehe darum, die vermeintlich „alte“ industrielle Welt gegen eine „neue“, nachhaltige und grüne Welt auszuspielen. Dabei gibt es diesen Gegensatz nicht. Im Gegenteil: Konjunktur und Klimaschutz müssen gemeinsam gedacht werden.

Starke wirtschaftliche Einschnitte bedeuten immer auch soziale, gesellschaftliche und ökologische Verwerfungen. Daher muss es aus meiner Sicht jetzt darum gehen, unser wirtschaftliches und gesellschaftliches Werte- und Funktionssystem zu verteidigen. Die Soziale Marktwirtschaft, die die Freiheit und Verantwortung des Einzelnen in den Mittelpunkt stellt, den Menschen als Teil der Solidargemeinschaft in der Not aber nicht fallen lässt, hat unser Land über Jahrzehnte stark und erfolgreich gemacht.

Diese Basis droht zu erodieren, wenn die wirtschaftliche Grundlage fehlt. Ein Staat, der kaum noch Steuern einnimmt, kann auf lange Sicht kein Sozialstaat mehr sein. Es geht hier nicht um eine abstrakte Diskussion, es geht um die Schicksale von Millionen von Menschen. Die Sorge um unseren Zusammenhalt treibt mich an.

Unsere Unternehmen haben die Kraft, die heraufziehende Rezession zu überstehen und damit auch zu einem funktionsfähigen Staat, einem leistungsfähigen Gesundheitssystem und sicheren Arbeitsplätzen beizutragen. Sie sind innovationsstark, beherrschen die modernsten Technologien und produzieren weltweit nachgefragte Produkte. Wir haben allerdings einen globalen Nachfrageschock.

Konjunkturimpuls muss in der Fläche wirken

Was unsere Wirtschaft daher angesichts der aktuellen Rezession dringend braucht, ist ein kräftiger Startimpuls: Wenn das Auto nicht mehr anspringt, weil die Batterie leer ist, hilft eine Änderung der Straßenverkehrsordnung ebenso wenig, wie der Neubau einer Straße. All das sind wichtige Dinge, die aber nicht reichen. Nötig ist vielmehr ein Ene

Die Corona-Pandemie stellt uns vor Herausforderungen, wie wir sie seit Bestehen der Bundesrepublik nicht erlebt haben. Auch die wirtschaftlichen Folgen werden für die Menschen in unserem Land tiefgreifend und ohne Beispiel sein – eine Dramatik, die in weiten Teilen der öffentlichen Debatte noch nicht angekommen ist.

Exemplarisch lässt sich dieser Sachverhalt an der Diskussion über mögliche Nachfrageimpulse für die Automobilindustrie zeigen. Es wird von einigen ernsthaft der Standpunkt vertreten, es gehe darum, die vermeintlich „alte“ industrielle Welt gegen eine „neue“, nachhaltige und grüne Welt auszuspielen. Dabei gibt es diesen Gegensatz nicht. Im Gegenteil: Konjunktur und Klimaschutz müssen gemeinsam gedacht werden.

Starke wirtschaftliche Einschnitte bedeuten immer auch soziale, gesellschaftliche und ökologische Verwerfungen. Daher muss es aus meiner Sicht jetzt darum gehen, unser wirtschaftliches und gesellschaftliches Werte- und Funktionssystem zu verteidigen. Die Soziale Marktwirtschaft, die die Freiheit und Verantwortung des Einzelnen in den Mittelpunkt stellt, den Menschen als Teil der Solidargemeinschaft in der Not aber nicht fallen lässt, hat unser Land über Jahrzehnte stark und erfolgreich gemacht.

Diese Basis droht zu erodieren, wenn die wirtschaftliche Grundlage fehlt. Ein Staat, der kaum noch Steuern einnimmt, kann auf lange Sicht kein Sozialstaat mehr sein. Es geht hier nicht um eine abstrakte Diskussion, es geht um die Schicksale von Millionen von Menschen. Die Sorge um unseren Zusammenhalt treibt mich an.

Unsere Unternehmen haben die Kraft, die heraufziehende Rezession zu überstehen und damit auch zu einem funktionsfähigen Staat, einem leistungsfähigen Gesundheitssystem und sicheren Arbeitsplätzen beizutragen. Sie sind innovationsstark, beherrschen die modernsten Technologien und produzieren weltweit nachgefragte Produkte. Wir haben allerdings einen globalen Nachfrageschock.

Konjunkturimpuls muss in der Fläche wirken

Was unsere Wirtschaft daher angesichts der aktuellen Rezession dringend braucht, ist ein kräftiger Startimpuls: Wenn das Auto nicht mehr anspringt, weil die Batterie leer ist, hilft eine Änderung der Straßenverkehrsordnung ebenso wenig, wie der Neubau einer Straße. All das sind wichtige Dinge, die aber nicht reichen. Nötig ist vielmehr ein Energieimpuls.

Insgesamt sind 2,5 Millionen Arbeitsplätze in Deutschland direkt oder mittelbar vom Automobil abhängig. Neben den großen Herstellern besteht die Branche insbesondere aus zahlreichen mittelständischen Zulieferern. Sie sind über das ganze Land verteilt, sie investieren mit hoher Treue am Standort, sie schaffen Arbeitsplätze und sie investieren in Forschung und Innovation.

Soll ein Konjunkturimpuls die Nachfrage in Gang setzen und Kurzarbeit wirksam reduzieren, muss er daher in der Fläche ankommen. Wenn wir die Nachfrage schnell hoch- und die Emissionen zügig herunterfahren wollen, geht das nur, wenn auch Fahrzeuge mit modernen Verbrennungsmotoren in die Förderung einbezogen werden. Moderne Verbrenner stehen nicht im Widerspruch zu den vereinbarten Klimaschutzzielen.

Denn klar ist: Die deutsche Automobilindustrie, Hersteller und Zulieferer, stehen zu den Klimazielen von Paris. Und sie investieren erheblich in das Zukunftsthema Klimaschutz ebenso wie in die Digitalisierung. Jedes Jahr fließen mehr als 27 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung. In den kommenden Jahren investieren unsere Hersteller 50 Milliarden Euro in neue Antriebe und 25 Milliarden Euro in Digitalisierung.

Die Krise überstehen und Transformation vorantreiben

Mit mehr als 130.000 Beschäftigen sind die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der Automobilindustrie eine der wichtigsten Innovationsschmieden der deutschen Wirtschaft. Das zeigt Wirkung: Bis zum Jahr 2023 wird sich die Modellpalette von E-Autos deutscher Hersteller auf 150 annähernd verdreifachen. Doch derzeit haben E-Autos noch einen zu geringen Marktanteil. Auch wenn wir ihn zügig ausbauen, ist das Segment auf absehbare Zeit zu klein, um allein einen wirksamen Hebel für Konjunktur und Klimaschutz zu bieten.

Ohne eine belastbare wirtschaftliche Basis lässt sich die weitere Transformation in Richtung Klimaschutz und Digitalisierung nicht in dem Umfang und dem Tempo gestalten wie Deutschland sie braucht, um global wettbewerbsfähig zu bleiben. Gerade deshalb werbe ich um den Konjunkturimpuls. Weil er uns hilft, auch und gerade in der aktuellen Krise den eingeschlagenen Weg der Transformation weiterzugehen.

Ich bin davon überzeugt, dass wir in Deutschland diese Krise überstehen können und zugleich die Transformation unserer Wirtschaft weiter vorantreiben. Das wird aber nur gelingen, wenn Politik, Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt bereit sind, unseren industriellen Kern zu erhalten.

Verlieren wir ihn jetzt, weil wir zu zaghaft oder zu zögerlich sind, werden nicht nur die Geschäftsmodelle für Klimaschutz und Digitalisierung nicht mehr bei uns realisiert. Auch die damit verbundenen Arbeitsplätze und Steuereinnahmen entstehen dann anderswo. Lassen wir es nicht soweit kommen.

Mehr: Macron legt Milliardenplan für Frankreichs Autoindustrie vor.