Bessere Konzepte nötig: Unterricht auch nach Sommer ungewiss – jetzt schlagen Elternverbände Alarm
by FOCUS OnlineWie es nach dem Sommer mit dem Unterricht an Deutschlands Schulen weitergeht, ist unsicher. Viele Schüler müssen schon jetzt extreme Defizite hinnehmen, die Betreuung der Kinder während eines möglichen weiteren Homeschoolings macht Eltern ratlos. Sie hoffen nun auf schnelle Entscheidungen der Kultusminister.
Der Schulbetrieb wird nach Einschätzung der Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Stefanie Hubig (SPD), auch nach den Sommerferien nicht wie vor der Corona-Pandemie funktionieren. "Ich gehe davon aus, dass auch nach den Sommerferien Schule nicht direkt unter den üblichen Bedingungen stattfinden kann", sagte die rheinland-pfälzische Bildungsministerin der "taz".
Im Moment könne noch niemand sagen, wie der Stundenplan dann aussehen werde. "Wir bereiten uns derzeit auf alle denkbaren Szenarien vor", sagte Hubig. Es sei vernünftig, an den Sommerferien festzuhalten, sagte die KMK-Chefin zur Debatte um verkürzte Ferien. Lehrkräfte, Eltern und Schüler brauchten eine Pause. Zudem müsse das neue Schuljahr vorbereitet werden, neues Personal müsse eingestellt werden.
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Rückkehr zur Normalität an Schulen könnte auch vor Impfstoff möglich sein
Zugleich sagte Hubig, halte sie es nicht für ausgeschlossen, dass eine Rückkehr zu einer größeren Normalität in den Schulen schon vor der Entwicklung eines Impfstoffs gegen Covid-19 möglich sei. Maßgeblich seien die Hygieneregeln. "Es geht im Moment nicht darum, jegliche Infektionen zu vermeiden, sondern die Zahl möglichst gering zu halten." Man sehe jetzt, dass es einen längeren Atem brauche.
Erste Elternverbände schlagen deshalb bereits Alarm: Es "drohen absehbar massive Lücken in der Bildung und Ausbildung unserer Kinder, die nicht hinnehmbar sind. Es fehlen eindeutige und für alle nachvollziehbare Konzepte und Maßnahmen", heißt es etwa in einer Petition der Elternvertreter von Gymnasien und Gesamtschulen der Stadt Rheine in Nordrhein-Westfalen.
Elternverbände fordern Konzepte für Unterricht - und das so schnell wie möglich
Sie fordern das Ausarbeiten konzeptioneller Pläne für die Wiederaufnahme des Unterrichts im neuen Schuljahr – ob nun in den Schulen oder zuhause: "Es kann keine Lösung sein, Lehrerinnen mit der Umsetzung eines Distanzlernens allein zu lassen", heißt es etwa.
Vielmehr müsse man sich nun darauf konzentrieren, Konzepte für eine gelingende Unterrichtung der Schüler zu erarbeiten. So sollen Lehrern wie Schülern Hilfsmittel wie Tablets oder Drucker zur Verfügung gestellt werden, damit Unterricht auch zuhause gelingen kann. Es sei absehbar, dass Schule erst einmal nur in abgespeckter Version und nur für einen Teil der Schüler oder einen Teil der Zeit stattfinde.
Die Landeselternschaft der Gymnasien in Nordrhein-Westfalen fällt derweil ein vernichtendes Urteil über die Ausrüstung der Schulen im Hinblick auf den Unterricht zuhause, wie die Lehrer-Plattform "News4Teachers" erläutert. In einem internen Schreiben soll es etwa heißen:
Schulen sind auf digitalen Unterricht bestenfalls nur vereinzelt vorbereitet. In der Fläche sind große Lücken in der Wissensvermittlung aufgerissen, von den Grundschulen über die weiterführenden Schulen bis hin zu den Berufskollegs. Viele Fächer gehen ganz verloren und der Restunterricht bleibt Stückwerk ohne die Möglichkeit, Inhalte und Kompetenzen zu sichern. Ein Konzept zum Lückenschluss? Fehlt!
Das frühzeitige Erarbeiten möglicher Konzepte sei laut den Elternvertretern aus Rheine von immenser Bedeutung, nicht nur für Lehrer und Schüler, sondern auch für die Eltern: Es gebe ihnen Planungssicherheit für den Fall, dass die Kinder in welchem Umfang auch immer zu Hause betreut werden müssten. Das gelte insbesondere für die Grundschulen und die unteren Jahrgangsstufen der weiterführenden Schulen.
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Sachsen prescht vor: Nach den Sommerferien soll alles wieder normal werden
Sachsen prescht in puncto Schuleröffnungen indes vor: Dort soll nach dem Willen von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) an allen Schulen nach den Sommerferien wieder regulärer Unterricht stattfinden. "Wir wollen, dass nach den Sommerferien der Unterricht auch an allen weiterführenden Schulen wieder normal läuft", sagte Kretschmer dem "Focus Magazin".
Derzeit arbeite die Landesregierung in Dresden "an einer Lösung, damit es ab dem neuen Schuljahr keinen Notbetrieb mehr gibt". Konkrete Überlegungen wollte Kretschmer laut "Focus Magazin" noch nicht nennen. Der CDU-Politiker betonte, Kitas und Schulen nähmen eine doppelte Schlüsselrolle ein und seien entscheidend, damit die Wirtschaft wieder anlaufe.
"Zum einen wollen und müssen Kinder lernen", hob Kretschmer hervor. "Zum anderen können Eltern nur dann wieder ihrer Arbeit mit vollem Eifer nachgehen, wenn sie sicher sein können, dass ihre Kinder gut betreut werden." Er wisse aus eigener Erfahrung, dass "Homeoffice und Kinder über längere Zeit nicht machbar" sei.
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