Der Absacker
Die "Bring dein eigenes Salz mit"-Party
So langsam verabschieden wir uns vom Social Distancing, in Berlin und Brandenburg werden mehr und mehr Lockerungen der Corona-Eindämmungsmaßnahmen aufgehoben. Zu blöd, dass Berlin ausgerechnet jetzt die Party-Penunzen ausgehen. Von Sebastian Schöbel
Vor vielen Jahren, bei einem USA-Urlaub, habe ich in einem Tabasco-Spezialladen einen "Flaschen-Holster" [tabasco.com] entdeckt, eine Gürteltasche für Tabasco-Flaschen, und als Mann von Welt natürlich sofort gekauft. Damals wurde ich dafür ausgelacht: Wer bringt denn seine eigene Tabasco-Saucen irgendwo hin mit?
Ich wusste damals schon, dass ich den richtigen Riecher hatte: In Brandenburg sind jetzt wieder private Feiern "aus gewichtigem Anlass" mit bis zu 50 Personen erlaubt. "Gewichtig" heißt übrigens "Ereignisse im Leben, die einmalig sind", so ein Sprecher auf investigative Nachfrage von rbb|24: Hochzeiten, Einschulungen, Schulabschlussfeiern, Taufen, Konfirmationen, Kommunionen oder Jugendweihen. Allerdings sollen nicht alle Gäste "denselben Salzstreuer benutzen", so ein Sprecher der Regierung.
So, und nun lachen Sie nochmal über meinen persönlichen Saucen-Holster...
1. Was vom Tag beibt
Sexy, und jetzt auch wieder arm: Auf Berlin kommen wohl wieder magere Jahre zu. Die Corona-Krise reißt tiefe Löcher in die öffentlichen Haushalte, weil Steuereinnahmen fehlen und gewaltige Rettungspakete geschnürt werden. Heute hat Finanzsenator Matthias Kollatz dem Abgeordnetenhaus Bericht erstattet - nachdem ihm die eigenen Leute bereits mit Forderungen zum Schuldenmachen in die Parade gefahren sind. Meine Kollegin Vanessa Klüber hat mal Kassensturz gemacht.
In Brandenburg zeigt der Hoffnungsträger Tesla derweil noch keine coronabedingten Ermüdungserscheinungen. Der Autobauer schlägt in Grünheide weiter seine Pflöcke ein - im wahrsten Sinne des Wortes: Auf der Baustelle wurden Pfähle für das Fundament in die Erde gerammt - nur leider ohne Genehmigung.
Auch Berlin hofft weiter auf ein Stück vom Muskschen Kuchen, und offenbar treibt es bei dem Gedanken einigen das Wasser etwas zu sehr im Mund zusammen. Heute meldete der "Tagesspiegel", Tesla werde sein geplantes Innovations- und Designzentrum auf dem Euref-Campus errichten. Ein paar Anrufe unsererseits bei den auf Berliner Seite Beteiligten ließen dann aber einige Zweifel an dieser Geschichte aufkommen.
2. Abschalten
Ein lieber Kollege, der öfter im ARD-Studio Moskau arbeitet, hat mich vor einer Weile auf die russische Band Little Big aufmerksam gemacht. Sie hätte in diesem Jahr eigentlich beim Eurovision Song Contest antreten sollte - aber nun ja, Fahrradkette.
Nun höre ich mich seit Tagen durch den Youtube-Kanal von Little Big - und bin mir inzwischen ziemlich sicher, dass die schärfste Waffe des Kreml im globalen Kräftemessen gar nicht die Klick-Krieger der St. Petersburger Troll-Farmen [tagesschau.de] oder die "Grünen Männchen" für Auslandseinsätze sind: sondern diese Anarcho-Eurodance-Kombo.
3. Und, wie geht's?
Während der Brandenburger erst ab einem halben Kasten Pils emotional auftaut, schüttet dir der Rheinländer schon nach einem halben Kölsch das Herz aus. Beides kann sehr angenehm sein - je nach Situation: Karneval mit Märkern ist eher schwierig, Angeln mit Kölnern gegebenenfalls auch.
In jedem Fall sehr willkommen war die Idee meines rheinischen Kollegen Johannes Mohren, der gestern im Absacker eine neue Unterrubrik gestartet hat: "Wo fühlen Sie sich zu Hause?"
Nachdem das Thema "Köln - hot or not?" gestern ausgiebig diskutiert wurde, kommt heute eine Stimme aus meiner märkischen Heimat zu Wort.
Wer ich bin
Geboren in Oranienburg, aufgewachsen in Dresden, zwischendurch in der Weltgeschichte unterwegs gewesen, jetzt wieder Brandenburger: Seit 2012 ist Sebastian Schöbel beim rbb als Onlineredakteur und Radioreporter aktiv. Er wohnt im Berliner Speckgürtel und versucht in seiner Freizeit, dem märkischen Sand so etwas wie einen Garten abzutrotzen.
Inge hat uns geschrieben:
Hallo ihr Lieben,
mein Zuhause ist hier bei meiner Familie - fühlt sich aber, je älter ich werde, auch immer mehr nach dem Ort meiner Kindheit an.
Ich komme aus einer Ur-Brandenburger Familie, tief verwurzelt in diesem Land, hatte sieben Geschwister, mit allen Höhen und Tiefen die das so mit sich bringt. Aber eines habe ich auf jeden Fall mit auf den Weg bekommen: Ein großes Herz für Menschen und Tiere und das Gefühl, meinen Weg zu gehen wie ich will. "Das kannst und schaffst du!"
Und so bin ich mit 16 für drei Jahre in die Lehre in eine andere Stadt gegangen und habe seitdem nie wieder in meiner Heimatstadt gelebt. Nach der Wende habe ich mir auch den Westteil von Deutschland angesehen, habe dort gelebt und gearbeitet, aber ein Zuhause wurde es nie für mich.
Meine Eltern und Geschwister sind zum größten Teil in meiner Heimatstadt geblieben oder leben/lebten nur etwas entfernt davon. Im Laufe der Zeit habe ich von meinen Eltern und auch einigen Geschwistern schon Abschied nehmen müssen. Natürlich bin ich dafür immer wieder in meine Heimatstadt zurückgekommen. Und irgendwie war es immer wieder da, das Gefühl, dass ich hier richtig bin, es fühlte sich gut an.
Für mich war klar: Ich komme wieder zurück ins Land Brandenburg. Zwar nicht in meine Heimatstadt (wegen der Arbeit), aber doch wieder zu meinen Wurzeln zurück. Und wirklich, hier habe ich die Liebe meines Lebens gefunden, habe mit ihm meine Familie gegründet und habe einen Job, der endlich zu mir passt, ein Umfeld in dem ich mich wohl fühle.
Und wer weiß, wenn ich in Rente bin, ziehe ich ja vielleicht doch noch mal in meine Heimatstadt zurück.
Zuhause ist, wo das Herz Frieden findet und die Seele zur Ruhe.
Erzählen Sie uns bitte auch Ihre Geschichten von Ihrer Heimat - nah oder fern - per Mail an absacker@rbb-online.de.
4. Ein weites Feld...
Heute mal ein bisschen Ego-Flausch: Sina aus Falkensee hat uns digital geherzt und geschrieben, wie sehr der Absacker zu ihrer Abendroutine geworden ist.
Vielleicht kann der Absacker auch nach Corona weiterhin bestehen...inzwischen ist er ein zum Abend-Programm zugehöriges Teil des Ganzen geworden. Diese Mischung aus persönlichen Anekdoten (verschiedener Journalisten) und Zusammenfassung des Tages...ich finde, das darf/ soll/ muss gern bleiben. :) Nur mit dem "Bleiben Sie gesund!" "müssen" Sie nochmal bei einer Ihrer Kolleginnen Rat suchen - diese hatte bei selbigem Abschiedsgruß schon den Hinweis von chronisch Kranken erhalten, dass dies dann doch kein allgemein gültiger Gruß sei. Vielleicht fällt Ihnen ja eine andere "pfiffige Idee" ein. Denn so zerbröselt der Keks nunmal.
Sina hat recht.
Und so verkrümel ich mich für heute mit dem märkischen Gruß:
Joa... muss ja.
Sebastian Schöbel